Darum sollte man im Mai den Rasen wachsen lassen

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Bern,

Vielen ist ihr Rasen, häufig akkurat gekürzt, heilig. Doch die grüne Matte ist nicht gut für die Tierwelt. Die Aktion «Mähfreier Mai» rät zur Rasenmäherpause.

Wilde Wiese: Schon nach kurzer Zeit ohne Mähen wird der sonst so langweilig grüne Rasen erblühen.
Wilde Wiese: Schon nach kurzer Zeit ohne Mähen wird der sonst so langweilig grüne Rasen erblühen. - Mascha Brichta/dpa-tmn

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Aktion «Mähfreier Mai» lädt dazu ein, öfter mal den Rasenmähers stehen zu lassen.
  • Der Anteil an nektarreichen Blüten erhöht sich um ein Vielfaches, Artenreichtum steigt.
  • Wer insektenfreundlich mähen will, wählt Sichel, Sense, Freischneider oder Balkenmäher.

Den «No Mow May» gibt es in Grossbritannien seit vielen Jahren. Ausgerechnet dort – in einem Land, das für seine Rasenkultur bekannt ist.

Im deutschsprachigen Raum gibt es die Aktion «Mähfreier Mai». Was das ist, erklärt Bettina de la Chevallerie in Interview.

Warum ist Rasenmähen problematisch?

Bettina de la Chevallerie: Ein perfekt gepflegter Rasen bietet Insekten kaum Futter und Nistmöglichkeiten. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich der Anteil an nektarreichen Blüten um ein Zehnfaches erhöht, wenn man den Rasenmäher häufiger stehen lässt.

Ähnliches haben auch die Gartenbesitzer beobachtet, die sich im vergangenen Jahr am mähfreien Mai beteiligt und für den Wettbewerb Fotos eingeschickt haben.

Welche Pflanzen haben sich im Rasen entwickelt?

Als Erstes natürlich Schnellstarter wie Gänseblümchen, Gundermann, Ehrenpreis, Klee und Löwenzahn. In einigen Gärten kamen aber auch Margeriten und Schlüsselblumen zum Vorschein.

Löwenzahnblüten und -blätter
Löwenzahn ist auch eine Heilpflanze. - Depositphotos

Gänseblümchen, Klee und Löwenzahn sind oft als Unkraut verpönt. Die Pflanzen sind aber kein Unkraut, sondern Wildkräuter. Sie haben einen hohen ökologischen Wert für die Insekten.

Je mehr wir über diese Pflanzen wissen, desto mehr wächst auch die Akzeptanz. Das ist alles eine Frage des Bewusstseins.

Sieht ein ungemähter Rasen nicht unordentlich aus?

Auch eine vermeintliche Unordnung kann durch Gestaltung ordentlich wirken. Man muss ja nicht den gesamten Rasen mähen, sondern kann Stellen mit unterschiedlichen Höhen stehen lassen – an den Ecken, am Rand oder mittendrin als Insel.

Auch ein gemähter Weg durch das hohe Gras kann Ordnung bieten. Und wiesenähnliche Säume, die nur einmal im Jahr gemäht werden, dienen als Puppenstube für Schmetterlinge.

Was haben wir Menschen davon?

Wir können uns entspannt in den Liegestuhl legen, den Garten geniessen und ihn ganz anders wahrnehmen.

schwarzsee
Ein Schmetterling sitzt auf einer Blume. (Symbolbild) - dpa

Wir können Falter beobachten, neue Pflanzen entdecken und sie per App bestimmen – oder uns einfach darüber freuen, dass sie da sind.

Und wenn die Nachbarn sich beschweren?

Sprechen Sie mit ihnen. Sagen Sie ihnen: Ich bin nicht faul, sondern tue etwas für die Insekten. Nichtstun kann in diesem Fall sehr ökologisch sein.

Ist die Aktion angesichts des immensen Insektensterbens nicht ein Tropfen auf den heissen Stein?

Nein, ist sie nicht. Eine Mehrheit der Haushalte hat einen Garten. Hinzu kommen die Haushalte, die in Gemeinschaftsgärten oder Schrebergärten aktiv sind.

Dazu kommen öffentliche Grünanlagen und Parks – also enorm viel Fläche, auf die wir mehr Einfluss nehmen können als auf die Landwirtschaft.

Schon jetzt wissen wir, dass es in privaten Gärten mehr Nischen und eine höhere Artenvielfalt gibt als in der freien Natur. Im Garten selbst macht ein Rasen meist die grösste Fläche aus. Wenn wir hier etwas verändern, können wir viel erreichen.

Wie oft ist es aus Ihrer Sicht notwendig, Rasen zu mähen?

Das kann man nicht so pauschal sagen. Es kommt auf die Nutzung an. Wenn Kinder auf dem Rasen Fussball spielen wollen, sollte er eher kurz sein.

Akku
Selber Akku-Mäher fahren oder den Mähroboter arbeiten lassen? Die Vorlieben beim Rasenmähen gehen auseinander. - Stiga

Aber die Fläche lässt sich auch in unterschiedliche Rasen- und Wiesenbereiche unterteilen. Einen Blumenkräuterrasen muss man vier- bis sechsmal im Jahr mähen, eine Blumenwiese nur zwei- bis dreimal.

Die Mahd bleibt dann zum Trocknen auf der Fläche. So können die Samen noch aus den Samenständen herausfallen und in den Boden gelangen.

Wie mäht man so, dass es besser für die Natur ist?

Am besten mäht man von innen nach aussen, damit die Insekten in die Hecken oder auf den Nachbargarten fliehen können. Empfehlenswert sind Sichel, Sense, Freischneider oder Balkenmäher. Ein Sichelmäher saugt Insekten ein.

Für die Höhe gibt es eine Faustregel: Eine liegende Bierflasche sollte noch unter den Rasenmäher passen. Darunter reisst man zu viel aus oder schneidet zu tief ein, sodass nicht mehr blüht.

Woran kann es noch liegen, dass nichts blühen will?

Das kann verschiedene Ursachen haben. Wurde das Gras zu dicht gesät, ist es für die Wildpflanzen schwer zu keimen. Auch Pestizide und zu viel Dünger verhindern Aufwuchs.

Wie kann man Wildpflanzen ansiedeln, auch an moosigen Stellen?

Am effektivsten ist es, den Rasen aufzuhacken und die Wildpflanzen in die nackte Erde zu säen.

Schweizer Garten Helen
Schmetterlinge mögen's regional: Der Nektar einheimischer Wildpflanzen mundet ihnen am besten. - zvg

Das kann man auch stellenweise machen. Säen sich die Wildpflanzen dann selber aus, können sie sich von dort langsam über die Fläche ausbreiten.

Was kann man noch tun, um den Rasen ökologisch wertvoller zu gestalten?

Sinnvoll ist es, organischen Dünger zu verwenden und diesen sparsam einzusetzen. Ebenso sollte man auf Pflanzenschutzmittel verzichten – nicht nur auf dem Rasen, sondern auch in den Beeten. Denn alles hat Auswirkungen auf die Nachbarflächen.

Unordentliche Ecken mit Totholz und Brennnesseln können sich zu kleinen Biotopen für Käfer, Wildbienen und Schmetterlinge entwickeln. Und kleine Senken und Schalen, in denen sich Wasser sammeln kann, sind wertvolle Insektentränken.

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