«Das Geld verschwindet, aber die Erinnerungen bleiben für immer»
Im grossen SLAPSHOT-Interview spricht der Schwede Anders Eldebrink über seine Freundschaft zu Felix Hollenstein, Schlägereien in der AHL und vieles mehr.

SLAPSHOT: Anders Eldebrink, Sie waren ein Verteidiger von Weltklasseformat, als Sie 1990 mit 30 in die Schweiz wechselten. Weshalb entschieden Sie sich für Kloten, einen Klub, der zu diesem Zeitpunkt lange nichts mehr gewonnen hatte?
Anders Eldebrink: John Slettvoll wollte mich unbedingt nach Lugano holen, finanziell war die Offerte sehr attraktiv. Aber Kent Johansson sagte mir, die Mannschaft sei nach vier Meistertiteln in Serie satt geworden.
Und Kloten bemühte sich sehr um mich. Jürg Ochsner besuchte mich in Schweden, und nach diesem Treffen war ich überzeugt davon, dieses Abenteuer wagen zu wollen. Ich spürte den Hunger der Organisation.
SLAPSHOT: Hat Slettvoll Ihnen das übel genommen?
Eldebrink: Überhaupt nicht. 1991 hat er mich an den Spengler Cup eingeladen. Das hat viel Spass gemacht.
SLAPSHOT: Hatten Sie mit 30 nicht die Ambition, es noch einmal in der NHL zu versuchen?
Eldebrink: Ich habe es zu Beginn der 1980er Jahre zwei Jahre lang probiert. Das erste Jahr in Vancouver war ganz okay, wir hatten viele Europäer im Team – unter anderem Ivan Hlinka, der später in Zug spielte.

Aber dann wurde ich zu den Québec Nordiques getradet und spielte innert 48 Stunden für drei Teams: Vancouver, Québec und Fredricton in der AHL.
SLAPSHOT: Einer ihrer dortigen Teamkollegen war ein gewisser Marc Crawford.
Eldebrink: Ja, wir teilten uns sogar mal das Doppelzimmer und spielten oft Karten. Der Kontakt ist seither nie ganz abgerissen.
Ich hoffe, es geht ihm bald besser. Die AHL war damals noch eine echte Goon-Liga. Ich musste mich bestimmt vier oder fünf Mal prügeln.
SLAPSHOT: Wirklich? Sie wirkten in der Schweiz immer so sanft.
Eldebrink: Es ging nicht anders, Du musstest dir Respekt verschaffen. Es war schon ein bisschen der Wilde Westen. Viele Spieler tranken, auch in der NHL. Erst der tödliche Autounfall von Pelle Lindbergh hat das Bewusstsein dafür verändert.
SLAPSHOT: War das der Grund dafür, dass Sie nach zwei Jahren aufgaben?
Eldebrink: Es war einfach nicht die richtige Zeit. Die Trainer wollten grosse, schwere Jungs. Ich war ein Leichtgewicht, das lieber mit der Scheibe spielte – und damit fehl am Platz. Wahrscheinlich bin ich zu früh nach Übersee gewechselt.
Ich hatte später nochmal ein Angebot von St. Louis. Aber es hat mich zu wenig gereizt. Ich hatte in Schweden ein schönes Leben und konnte bei meiner Familie sein.
SLAPSHOT: Sie schlossen sich wieder Södertälje an – und waren dort stets Captain. In Kloten anschliessend nicht. Wie kam das?
Eldebrink: Kloten war das Team von Fige Hollenstein. Es war völlig klar, dass er der einzige ist, der für dieses Amt in Frage kommt. Wir haben uns auf Anhieb sehr gut verstanden.
Es ist eine schöne Freundschaft, die inzwischen schon 34 Jahre hält… Er hat auch ein Jahr als Verteidiger neben mir gespielt. Seine defensiven Fähigkeiten wurden unterschätzt.
SLAPSHOT: Gemeinsam holten Sie ab 1993 drei Titel in Folge. Welcher war am erfüllendsten?
Eldebrink: Schon der erste, denke ich. Wir spielten im Final gegen Gottéron. Ich und Mikael Johansson hatten den Auftrag, Slava Bykov und Andrei Chomutov zu neutralisieren. Wir standen bei jedem ihrer Shifts auf dem Eis.

Wir wurden Meister, weil wir die besseren Schweizer hatten. Die Ausländer haben sich neutralisiert, aber Jungs wie Fige, Reto Pavoni, Roman Wäger oder Fausto Mazzoleni haben den Unterschied ausgemacht.
SLAPSHOT: Sie spielten teilweise mehr als 40 Minuten pro Abend. Wie schafft man das?
Eldebrink: Ach, wissen Sie, ich war wirklich kein guter Schlittschuhläufer. Und hatte das Glück, die meisten Probleme mit meiner Übersicht lösen zu können. Das heisst: Von diesen 40 Minuten stand ich nicht wenige vor allem herum (lacht).
Was mir bestimmt half, waren die Gene. Meine Eltern waren sehr athletisch. Und mein Bruder Kenth hat 1984 Olympiabronze im Speerwerfen gewonnen.
SLAPSHOT: Sie blieben als Spieler fünf Jahre in Kloten. Was schätzten Sie an diesem Klub, am Ort?
Eldebrink: Den Teamgeist. Die Ruhe. Den Anstand der Menschen, die Sicherheit, die Stabilität der Gesellschaft. Es waren wunderbare Jahre. Ich konnte mit meiner Familie die Schweiz erkunden.
Und mit Fausto Mazzoleni trat ich dem lokalen Jägerverein bei. Jagen ist bis heute eine Leidenschaft von mir, in Schweden jage ich Wildschweine (kramt das Handy hervor und zeigt stolz Bilder).
SLAPSHOT: 1995 kehrten Sie nach Schweden zurück. Zum Abschied wurden Sie in einem riesigen Schlittschuh durch die Strassen Klotens gefahren.
Eldebrink: Das war ein sehr emotionaler Moment, es flossen Tränen. Und im Nachhinein muss ich sagen: Wahrscheinlich bin ich zu früh nach Hause gegangen. Ich war 35. Ein, zwei gute Jahre hätte ich schon noch gehabt. Ich war ja nie der Schnellste.
SLAPSHOT: Dafür übernahmen Sie hier 2005 das Traineramt.
Eldebrink: Es fühlte sich an, als würde ich nach Hause kommen. In Schweden hatte ich als Assistent gearbeitet. Aber die Taktik hat mich ehrlich gesagt ein bisschen gelangweilt. Ich wollte lieber mit den Spielern arbeiten.
Conny Evensson, unser früherer Meistertrainer in Kloten, hat mir diesbezüglich viel beigebracht. In Kloten hatte ich viele Freiheiten. Und Fige war mein Assistent. Wir hatten die gleichen Ideen, die gleiche Vision.

Es war die Saison, in der Null-Toleranz eingeführt wurde. Wir realisierten schnell, dass wir die Mannschaft umbauen müssen. Wir brauchten bewegliche, spielstarke Verteidiger. Einmal bin ich nach Biel gefahren, um Patrick von Gunten zu scouten.
Noch in der ersten Drittelspause habe ich ziemlich aufgeregt unseren Sportchef Peter Lüthi angerufen und ihm gesagt: Den brauchen wir unbedingt. Zum Glück hat er sich dann tatsächlich für uns entschieden.
SLAPSHOT: In den besten Jahren dieser Ära eine spektakuläre Abwehr, vielleicht die eleganteste des 21. Jahrhunderts in der National League: Félicien Du Bois, Patrick Von Gunten, Radek Hamr. Später auch noch Eric Blum und Micki DuPont…
Eldebrink: Das war nötig, damit wir unser Hockey spielen konnten. Wir wollten offensives, attraktives Puckbesitz-Hockey spielen. Und profitierten in den Anfangsjahren diesbezüglich auch stark von der Vorarbeit meines Vorgängers Vladimir Jursinov.
Mit Du Bois/Hamr/Von Gunten erreichten wir 2009 den Final. Und verloren dort in sieben Spielen gegen Davos. Das war die bitterste Niederlage meiner Trainerkarriere. Es dauerte lange, sie zu verarbeiten.
SLAPSHOT: Weshalb?
Eldebrink: Wir waren die bessere Mannschaft. Im siebten Spiel hatten wir nach 91 Sekunden eine zweiminütige doppelte Überzahl. Wir brachten kein Tor zu Stande und verloren 1:2.
Obwohl das Schussverhältnis, glaube ich, bei 44:16 lag. Es war hart, das zu akzeptieren, diese Niederlage machte mir wirklich zu schaffen.
SLAPSHOT: Und der Final von 2011?
Eldebrink: Da war die Sache deutlicher. Reto Von Arx hat Tommi Santala mit einem Stockschlag früh ausser Gefecht gesetzt. Ihn konnten wir nicht ersetzen.
SLAPSHOT: Ein Jahr später verliessen Sie Kloten trotz eines noch zwei Jahre gültigen Vertrags. Es hiess, der Klub könne sich Ihr Salär nicht mehr leisten.
Eldebrink: Ich hätte mir einen anderen Abschied erhofft. Normalerweise musst du als Trainer gehen, weil die Resultate nicht stimmen. Aber es war nun mal so, Philippe Gaydoul hatte einen anderen Plan.

Das hat geschmerzt, insgesamt war es jedoch eine sehr schöne zweite Ära in Kloten. Das einzige, was fehlte, war ein Titel.
SLAPSHOT: Der damalige Präsident Jürg Bircher wurde später unter anderem wegen «ungetreuer Geschäftsbesorgung», Urkundenfälschung und Misswirtschaft zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Wie erlebten Sie Bircher?
Eldebrink: Er hatte viel Leidenschaft und Herzblut fürKloten. Zum Urteil kann ich nichts sagen, da fehlen mir die Kenntnisse.
SLAPSHOT: 2013 übernahmen Sie etwas überraschend Rapperswil-Jona. Wieso?
Eldebrink: Ich kannte Roger Sigg gut, wir hatten in Kloten zusammengespielt. Ich wollte zurück in die Schweiz und dachte darum: Ja, weshalb nicht? Aber es hat nicht funktioniert.
Ich wollte zu schnell zu viel verändern, hatte keine Geduld und habe viele Fehler gemacht. Bei den Lakers ging es ums sportliche Überleben, da kann man nicht mit radikalen Ideen alles auf den Kopf stellen wollen.
SLAPSHOT: Angesichts der starken Jahre in Kloten würde man denken, dass sich auch andere Klubs der National League um Sie bemühten.
Eldebrink: Als ich noch in Kloten war, hätte ich zwei Mal nach Lugano gehen können. Für viel Geld. Aber ein gutes Gefühl ist für mich wertvoller als ein volles Bankkonto.

Denn das Geld verschwindet, aber die Erinnerungen bleiben für immer. Und ich möchte nicht missen, was ich in Kloten erleben durfte.
SLAPSHOT: Wie intensiv verfolgen Sie den Klub seit Ihrem Weggang?
Eldebrink: Der Abstieg vor ein paar Jahren hat mir weh getan. Das Schweizer Eishockey braucht Dorfklubs wie Kloten, Ambrì oder Langnau, sie sind das Salz in der Suppe. Ich schaue regelmässig Spiele und freue mich, wenn die Mannschaft gewinnt.
Und einmal im Jahr komme ich vorbei, das ist schon fast ein Ritual geworden. Übrigens: Meine Söhne schauen praktisch jede Partie, sie sind ziemlich vernarrt.
SLAPSHOT: Ihr letzter offizieller Job war der des Sportchefs bei Södertälje. Wird man Sie noch einmal im bezahlten Eishockey sehen?
Eldebrink: Nein, nein. Es ist an der Zeit, Platz zu machen für die jungen Leute. Bei Södertälje helfe ich noch ein bisschen als Berater des Vorstands. Aber wir haben einen sehr fähigen Trainer und einen klugen General Manager.
Eigentlich braucht es mich nicht mehr. Und langweilig wird mir ohnehin nicht. Ich gehe regelmässig zur Jagd. Der Wald zieht mich einfach an. Wenn es mit der Hockey-Karriere nichts geworden wäre, hätte ich mich wahrscheinlich zum Förster ausbilden lassen.
Über Anders Eldebrink
Geboren: 11. Dezember 1960. Grösse: 183 cm. Gewicht: 86 kg. Vereine als Cheftrainer: Rögle, Rapperswil-Jona Lakers, AIK Stockholm, Kloten.
Grösster Erfolg als Coach: WM-Bronze 2009 (als Assistent von Bengt-Åke Gustafsson… der zweite Assistent war Roger Rönnberg und der «Scout» hiess Rikard Grönborg). Vereine als Spieler: Södertälje, Kloten, Fredricton Express, Québec Nordiques, Vancouver Canucks.
Grösster Erfolge als Spieler: Weltmeister 1987, 3x WM-Silber (1981, 1986, 1990), Olympia-Bronze 1988. 3x Schweizer Meister mit Kloten (1993-95). Schwedischer Meister mit Södertälje (1985). 2x MVP der Elitserien (1988, 1989). 4x produktivster Verteidiger der Nationalliga A (1990-93).