Kann Steinmann den HC Lugano zurück zu alter Grösse führen?
In dieser Ausgabe von «Pro und Contra» geben Nicola Berger und Daniel Germann Antwort auf die Frage, ob Steinmann Lugano zurück zu alter Grösse führen kann.

Ja
Von Nicola Berger, SLAPSHOT-Autor und NZZ-Redaktor
Auch wenn das nur bedingt mit der Person Steinmann zu tun hat. Steinmann, 38, hat zuletzt sechs Jahre lang die Rapperswil-Jona Lakers gemanagt. Er begann sehr stark, diverse Junioren-Nationalspieler (Aebischer, Vouardoux, Baragano) entschieden sich auch dank ihm für einen Wechsel an den Obersee.
Zuletzt verliess ihn etwas das Glück, aber man kann ihm das nur bedingt vorwerfen – mit dem schmalen Budget der Lakers muss man konstant sehr viel besser arbeiten als die Konkurrenz, um schon nur die Playoffs zu erreichen.

Es heisst, in Rapperswil seien nicht alle unglücklich gewesen über seinen Abgang; einige Beziehungen hätten sich zuletzt abgenutzt. Für Lugano aber ist Steinmann eine clevere Wahl.
Zum neuen Lugano-GM muss man vor allem wissen, dass er eine gewisse Nähe zur Zuger Beratungsfirma 4sports aufweist. Bevor Steinmann seine Karriere als Trainer/Sportchef begann, absolvierte er dort ein Praktikum.
4sports mit seinen Agenten Daniel Giger und Sandro Bertaggia (wann kehrt wohl sein Sohn Alessio nach Lugano zurück?) dürfte die mächtigste Agentur im Schweizer Eishockey sein. Zu den hochkarätigen Klienten gehören Timo Meier, Sven Andrighetto, Grégory Hofmann und eine Armada an Top-Coaches – darunter Dan Tangnes und Roger Rönnberg.
Steinmanns Verbindungen werden dabei helfen, dass ein Trainer von Format den Weg nach Lugano findet, was länger nicht mehr der Fall war.
Zuletzt aus Zwängerei, weil die Klubführung um den CEO Marco Werder und die Präsidentin Vicky Mantegazza ihren Protegé Luca Gianinazzi um jeden Preis im Amt halten wollten. Die Strafe war mit Platz 13 die schlechteste Platzierung der Klubgeschichte.

Trotz eines durchaus ansprechenden Kaders – auch wenn sich Steinmanns Vorgänger Hnat Domenichelli Jahr für Jahr bei zu vielen Ausländern trumpierte.
Bei den «Stranieri» wird das globale Beziehungsnetz von 4sports ebenfalls helfen – ein Spieler wie der HCD-Goalgetter Adam Tambellini könnte zukünftig eher in Lugano landen.
Es sind gute Voraussetzungen dafür, dass Lugano seine beispiellose Durstrecke (null gewonnene Playoff-Serien seit 2018) bald beenden kann.
Nein
Von Daniel Germann, NZZ-Redaktor
Entschuldigung, Janick, aber auch dir wird es nicht gelingen, den HC Lugano wieder auf Erfolgskurs zu bringen.
Steinmann hat in den vergangenen sechs Jahren als Sportchef der Rapperswil-Jona Lakers einen hervorragenden Job gemacht und der einst grauen Maus der Liga Profil verschafft. An der Aufgabe in Lugano wird aber auch der 38-jährige Zentralschweizer scheitern.

Warum? Steinmann trägt wie so viele vor ihm bei den Luganesi das Lugano-Gen in sich. Er beendete seine Aktivkarriere mit zwei Saisons im Südtessin.
Die Luganesi bleiben damit jenem Muster treu, mit dem sie zuletzt regelmässig gescheitert sind. Sie holen ehemalige Spieler in anderen Funktionen zurück.
Mit seiner netten, umgänglichen Art passt Steinmann zwar perfekt zu seinem ehemaligen Arbeitgeber und fügt sich nahtlos in die nette Familie ein.
Die Präsidentin Vicky Mantegazza und auch der Geschäftsführer Marco Werder sind hochanständige Menschen. Daran ist nichts schlecht. Doch um an die alten Erfolge anknüpfen zu können, muss der HC Lugano wieder bissiger und böser werden.
Der im Herbst verstorbene «Presidentissimo» Geo Mantegazza hat in den 1970er-Jahren aus Lugano die erste professionell arbeitende Schweizer Hockey-Mannschaft gemacht.
Sein Statthalter war Fabio Gaggini, ein angesehener Anwalt, der seine Zeit aber nicht mit zwischenmenschlichen Gefühlen verschwendete. Gaggini erwartete von seinen Untergebenen, dass sie seinem Wort folgten.
Wer das nicht tat, musste gehen. Auf dem Eis setzte John Slettvoll diese Linie um. Auch der schwedische Pädagoge, in der Szene «Magier» genannt, duldete keinen Widerspruch.
Doch was ist der HC Lugano heute? Ein Sammelbecken Eishockey-Begabter, die vom Erfolg gesättigt die beste Zeit ihrer Karriere hinter sich haben und Ruhe suchen. Eine Episode steht sinnbildlich für den Zerfall jener Leistungskultur, welche Lugano einst grande gemacht hat.

Der deutsche Coach Uwe Krupp erzählte in einem Gespräch mit SLAPSHOT jüngst, dass er als Spieler mit den Kölner Haien erstmals nach Lugano gekommen, dort aus dem Bus gestiegen sei und ihm das wunderbare Klima, die schöne Lage und die angenehme Atmosphäre aufgefallen seien.
Voilà, da haben wir es: Lugano ist ein Paradies für Rentner, die einen geruhsamen Lebensabend in schöner Umgebung verbringen wollen. Das aber passt schlecht zum Leistungsanspruch im Profisport.
Die Italiener haben eine wundervolle Redewendung für das. «Il dolce far niente». Das süsse Nichtstun, der Müssiggang, in den Tag hineinleben. Weshalb sollte man sich im Kraftraum schinden, wenn man auch auf der Piazza della Riforma sitzen, einen Cappuccino schlürfen und den Passanten zusehen kann?
So lässt sich das Leben leben, aber kaum Titel gewinnen. Auch Janick Steinmann wird an der Aufgabe scheitern, diese Einstellung zu ändern.