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SC Bern: Jussi Tapola –Tacheles von Tapola

Nicola Berger
Nicola Berger

Im grossen SLAPSHOT-Interview verrät Jussi Tapola, wieso er sich für einen «gewöhnlichen» Trainer hält und was China am Eishockey missversteht.

Jussi Tapola Slapshot
Jussi Tapola hat den SC Bern nach sehr diffizilen Jahren wieder zu einem Titelkandidaten geformt. - IMAGO/Jonas Philippe

SLAPSHOT: Sie sind mit Tappara Tampere vier Mal finnischer Meister geworden. Und sagten trotzdem, dass man Sie nicht mit Trainerlegenden wie Kalevi Numminen vergleichen solle – Sie seien ein «gewöhnlicher Coach». Wie kommt das?

Jussi Tapola: Wissen Sie, es gibt sehr, sehr viele fähige Trainer. Aber nicht jeder hat das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Wenn du am Anfang deiner Karriere eine falsche Entscheidung triffst oder einfach Pech hast, dann war es das je nach dem schon.

Jussi Tapola SCB
Headcoach Jussi Tapola gibt beim SC Bern die Richtung vor. - keystone

Dann kriegst du nie eine Chance bei einem Top-Klub. Ich hatte viel, viel Glück. Dass mich Jukka Rautakorpi zu Tappara mitgenommen hat, zum Beispiel. Dass ich für Klubs arbeiten konnte, die das Budget hatten, um den Titel mitzuspielen. Kurz: Ich würde heute immer noch sagen, dass ich ein gewöhnlicher Coach bin.

SLAPSHOT: Also überrascht es Sie, welche Karriere Sie hingelegt haben und wie viel Geld Sie in diesem Business verdienen?

Tapola: Ich bin jeden Tag aufs Neue überrascht, Trainer des SC Bern zu sein, ja (lacht).

SLAPSHOT: Bevor Sie im Sommer 2024 beim SCB unterschrieben, erreichten Sie mit Ihren Teams in 13 Jahren elf Mal den Playoff-Final. Es ist gar viel Understatement, diese Konstanz mit Glück erklären zu wollen.

Tapola: Ich bleibe demütig. Wie gesagt: Es muss vieles stimmen, damit man Erfolg haben kann. Das hängt nur bedingt mit dem Trainer zusammen.

SLAPSHOT: Sie gaben schon im Herbst 2023 bekannt, dass Sie Tappara verlassen werden. Wurden Sie nervös, als Sie im Mai noch immer ohne Klub dastanden?

Tapola: Eigentlich nicht. Ich hätte auch kein Problem damit gehabt, eine Saison auszusetzen. Wir gewannen mit Tappara zwei Mal in Folge die Meisterschaft und auch noch die Champions Hockey League.

«Ich will Spieler, die alles dafür unternehmen, besser zu werden. Wir wollen ein Arbeitsklima des Ehrgeizes. Wer damit nicht umgehen kann, ist hier am falschen Ort. Es geht um Leistungskultur», sagt Jussi Tapola.

Natürlich hätte ich verlängern können. Aber das wäre für mich nicht gut gewesen. Und für den Klub auch nicht. Die Gefahr ist gross, dass man sich auf den Erfolgen ausruht und satt wird.

Jussi Tapola Slapshot
Jussi Tapola wurde mit Tappara Tampere vier Mal finnischer Meister und will nun auch mit dem SC Bern erfolgreich sein. - KEYSTONE / Anthony Anex

Ich habe kein Interesse daran, mich in einer Komfortzone zu sonnen. Die Mannschaft brauchte neue Impulse.

SLAPSHOT: Was hat Sie an Bern gereizt?

Tapola: Der SCB ist ein grosser, stolzer Klub, der zuletzt schwierige Jahre durchmachte. Ich sah sehr viel Potenzial. Und eine Empfänglichkeit für neue Ideen. Was will man mehr?

SLAPSHOT: Wie lange dauert es Ihrer Erfahrung nach, bis eine Mannschaft die DNA und den Geist ihres Trainers verinnerlicht hat?

Tapola: Zwei Jahre. Eineinhalb vielleicht.

SLAPSHOT: Also sehen wir heute den SCB Ihrer Idealvorstellung?

Tapola: Zumindest relativ nahe dran, ja.

SLAPSHOT: Unter Ihnen hat sich das Gesicht der Mannschaft in kurzer Zeit so sehr verändert, dass die «Berner Zeitung» nach dem Aus im Viertelfinal gegen Zug im Frühjahr 2024 in einem Kommentar schrieb, dass Sie im SCB «nicht zu mächtig» werden dürfen. Was entgegnen Sie?

Tapola: Es ist so: Ich will Spieler, die alles dafür unternehmen, besser zu werden. Wir wollen ein Arbeitsklima des Ehrgeizes. Wer damit nicht umgehen kann, ist hier am falschen Ort. Es geht um Leistungskultur.

Jussi Tapola SC Bern
Jussi Tapola ist seit Sommer 2024 Headcoach beim SC Bern. - SCB

Ich mache diesen Job nicht, um Freunde fürs Leben zu finden. Es ist meine Aufgabe, die Spieler besser zu machen. Aber dafür braucht es eine gewisse Bereitschaft.

SLAPSHOT: Grösse und Wasserverdrängung scheinen Ihnen auch wichtig zu sein.

Tapola: Ich glaube, dass die Liga immer physischer wird. Aber Grösse ist nicht alles. Nehmen wir Marco Lehmann und Austin Czarnik.

Das sind zwei unserer absoluten Top-Spieler, die nicht gross gewachsen sind. Aber die sehr unerschrocken spielen und dahin gehen, wo es weh tut. Diese aufopferungsvolle Spielweise gefällt mir.

SLAPSHOT: Sie beendeten Ihre Spielerkarriere früh und erklärten das unter anderem damit, dass Ihnen der Biss gefehlt habe. Hätte der Trainer Tapola den Spieler Tapola auch getradet?

Tapola: Mit hoher Wahrscheinlichkeit (lacht). Ich hätte es versucht, ihn zu anzutreiben. Und ihn dann wahrscheinlich resigniert weggeschickt.

Mir fehlte das Feuer als Spieler. Und ich war auch einfach nicht gut genug. Bis 25 spielte ich in der zweithöchsten Liga. Und verdiente um die 25'000 Euro pro Saison. Ich musste einsehen, dass es mit der Karriere nichts wird.

Also ging ich an die Universität und liess mich zum Lehrer ausbilden. Mit 30 bin ich dann Trainer geworden. Und realisierte schnell, dass das meine Berufung ist.

SLAPSHOT: Schon bei Tappara schreckten Sie nicht vor unpopulären Entscheidungen zurück: Sie setzten einst eine Klubikone als Captain ab.

Tapola: Ein Team braucht frischen Wind, Elan. So ist der Zyklus. Ich bin der Sache verschrieben, dem Wohl des Klubs. Da spielen Namen eine untergeordnete Rolle.

SLAPSHOT: Würden Sie sagen, dass Sie ein strikter Coach sind?

Tapola: Ja. Es braucht Regeln. Aber ich bin darum besorgt, es nicht zu übertreiben. Eishockey ist ein chaotischer Sport. Man kann nicht alles kontrollieren. Die Spieler müssen auch ihren Instinkten vertrauen können. Das Spiel spielen quasi.

SLAPSHOT: Ein anderer Kritikpunkt war Ihr Torhü­termanagement in jener Serie.

Tapola: Ich mache ständig Fehler, das gehört zum Trainerdasein dazu. Ich überlege mir alles gut und lange. Und treffe dann die Entscheidung, die ich in dem Moment für richtig halte. Aber ich bin kein Hellseher und nicht perfekt.

Jussi Tapola Slapshot
«Ich will Spieler, die alles dafür unternehmen, besser zu werden», sagt Jussi Tapola. - KEYSTONE / Peter Klaunzer

Wenn wir die Serie nochmal spielen könnten, würde ich bei den Goalies anders handeln, ich hätte das intelligenter lösen können. Aber Zeitreisen sind nun mal nicht möglich. Also schauen wir nach vorne und hoffen, dass wir daraus gelernt haben.

SLAPSHOT: Wie gross war die Umstellung, Ihre Anweisungen statt auf Finnisch auf Englisch geben zu müssen?

Tapola: Das brauchte schon ein paar Monate. Inzwischen denke ich teilweise sogar auf Englisch. Es hätte bestimmt länger gedauert, wenn die Assistenztrainer auch Finnisch sprechen würden.

Deshalb wollte ich bewusst keine Finnen. Mein Englisch ist relativ simpel. Aber es befindet sich etwa auf dem Niveau der meisten Schweizer Spieler. Ich glaube, dass das sogar ein Vorteil ist. Die Ansprachen sind kürzer und einfacher.

SLAPSHOT: Bern ist Ihre zweite Station im Ausland – 2018 arbeiteten Sie einige Monate für Kunlun Red Star in Schanghai. Was bleibt von diesem Abenteuer?

Tapola: Es waren spannende, verrückte Monate. Mit viel Jetlag – unser nächstgelegener Gegner befand sich in einer Zeitzone mit sechs Stunden Unterschied. Im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Peking von 2022 investierte China viel ins Eishockey.

«Als Trainer lebst du in konstanter Ungewissheit. Du weisst nie, was die nächste Woche bringt. Aber ich trage einen Grundoptimismus in mir, den ich bisher nie verloren habe», sagt Jussi Tapola.

Aber die Chinesen haben diesen Sport nicht verstanden. China kann ja fast alles. Häfen bauen, Wolkenkratzer. Alles in Rekordzeit. Aber einen Eishockeyspieler kann man nicht in zwei Jahren erschaffen, das ist schlicht nicht möglich.

SLAPSHOT: Es war die einzige Entlassung Ihrer Karriere.

Tapola: Richtig. Einerseits eine Enttäuschung, klar. Andererseits in gewisser Weise auch eine Erlösung.

SLAPSHOT: Gibt es eine absurde Essens-Story aus jener Zeit?

Tapola: Nicht wirklich, Schanghai ist ja eine Weltstadt. Aber mit der finnischen Nationalmannschaft waren wir mal in Harbin. Da gab es lebende Würmer, die man kochen sollte, wie beim Fondue. Ich habe dankend abgelehnt.

SLAPSHOT: Einer Ihrer Assistenztrainer war Alexei Kowalew, der frühere NHL-Star und spätere Spieler und Sportchef des EHC Visp.

Tapola: Er hat mittrainiert als wäre er noch Spieler. Ich glaube, er hätte nichts dagegen gehabt, wenn ich ihn einsetzen würde.

Alexei Kowalew Slapshot
Der frühere NHL-Star Alexei Kowalew war Assistenztrainer und später Spieler und Sportchef des EHC Visp. - PHOTOPRESS/Gian Ehrenzeller

Das habe ich aber nicht getan. Vielleicht haben wir uns darum ein bisschen aus den Augen verloren (lacht).

SLAPSHOT: In Bern verlängerten Sie den Vertrag schon vor dem Saisonstart bis 2026. Geschah das auf Ihren Wunsch?

Tapola: Ja. Und ich bin der Organisation dankbar für diesen Vertrauensbeweis. Es hat alles erleichtert. Die Spieler wissen, woran sie sind. Und ich muss keine Energie mit Gedanken über die Zukunft verschwenden.

SLAPSHOT: Hatten Sie Momente des Zweifels? Die Befürchtung, dass es in Bern vielleicht doch nicht gut kommt?

Tapola: Als Trainer lebst du in konstanter Ungewissheit. Du weisst nie, was die nächste Woche bringt. Verletzungen, Niederlagen, Nebengeräusche. Aber ich trage einen Grundoptimismus in mir, den ich bisher nie verloren habe.

SLAPSHOT: Ihr Sohn Miska spielt als Verteidiger in der U17 des SCB. Hat er das Ziel, Profi zu werden?

Tapola: Ja, aber er weiss, dass der Weg weit ist. Unter mir wird er nie spielen, das wäre nicht gesund. Ich weiss nicht, ob ich als Trainer ein guter Vater sein könnte.

Über Jussi Tapola

Geboren: 13. Juni 1974. Grösse: 176 cm. Gewicht: 80 kg. Vertrag: bis 2026.

Stationen als Trainer: SC Bern, Tappara Tampere, Finnische Nationalmannschaft (Assistent, auch aktuell wieder in dieser Funktion tätig), Kunlun Red Star, HPK Hämeenlinna (Assistent).

Erfolge als Trainer: 4x finnischer Meister mit Tappara (2016, 2017, 2022, 2023). 2023 Champions-Hockey-League-Sieger mit Tappara. 2016 «Liiga»-Coach des Jahres.

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