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HC Davos: Sven Jung – «Es gab sehr viele Gründe für Davos»

Kristian Kapp
Kristian Kapp

Der Emmentaler Sven Jung ist seit 2013 in Davos und hat kürzlich bis 2031 verlängert. In der Karriere des Defensivverteidigers verlief vieles ungewöhnlich.

Sven Jung Slapshot
Der Emmentaler Sven Jung ist seit 2013 in Davos und hat kürzlich bis 2031 verlängert. - IMAGO / Michal Fajt

SLAPSHOT: Sie schrieben in Prag mit Ihrem WM-Aufgebot eine der speziellsten Geschichten überhaupt rund um das Schweizer Nationalteam. Sie hatte wohl kaum jemand auf der Rechnung.

Sven Jung: Ich selbst hatte nicht einmal mit dem Aufgebot für die WM-Vorbereitung gerechnet.

SLAPSHOT: Und dann überstanden Sie Cut für Cut.

Jung: Dabei spielte ich einfach mein Hockey. Mein Davoser Teamkollege Andres Ambühl gab mir die ganze Zeit positives Feedback, er war überzeugt, dass ich es schaffen würde. Ich selber sah es etwas realistischer …

SLAPSHOT: Wann wussten Sie, dass Sie es geschafft haben?

Jung: Im letzten Testspiel gegen Tschechien. Wir lagen eine Minute vor Schluss 2:1 vorne und spielten in Unterzahl: Ich durfte mit Siegenthaler, Haas und Hischier aufs Eis.

Sven Jung
Der Emmentaler Sven Jung ist seit 2013 in Davos und hat kürzlich bis 2031 verlängert. - PPR/Juergen Staiger

Ich wusste: In dieser Situation würden nur Spieler eingesetzt werden, mit denen auch an der WM geplant wird.

SLAPSHOT: Die erste WM-Nominierung mit 29 kam unerwartet. Vieles an Ihrem Karriereweg ist ungewöhnlich.

Als Sie als Junior nach Kanada gingen, war im Gegensatz zu fast allen anderen Schweizern nicht die Canadian Hockey League, sondern eine College-Liga Ihre Destination.

Jung: Meine Eltern bestanden darauf, dass wenn es mit dem Eishockey nicht klappt, es beruflich für mich weitergeht.

Und weil die Schule mir immer schon einfach gefallen war, suchte ich eine Lösung mit Mittelschule und Eishockey.

SLAPSHOT: Sie landeten in einer Kleinstadt in Saskatchewan.

Jung: Mein Onkel wohnt in Saskatchewan und besitzt dort eine Farm. Er empfahl mir eine Schule, die ein gutes Hockeyprogramm hat.

Der Anfang war aber nicht einfach. Mir wurde gleich gesagt, dass ich ein softer Europäer sei. Es wurde mir nahegelegt, eine zweite Sportart zu betreiben, am besten American Football, um tougher zu werden.

SLAPSHOT: Wie war das?

Jung: Eine gute Erfahrung. (lacht) Ich war einer der Schmälsten im Team. Die Trainings waren lang und pickelhart, danach tat mir alles weh.

Ich hatte keinerlei Erfahrung mit Football und spielte in der Offensive Line, also auf einer Position, auf der du so gut wie nie den Ball berührst. Ich musste für die anderen Spieler blocken und dabei gegen Gegner ran, die gefühlt doppelt so schwer waren wie ich. Aber im Nachhinein musste ich sagen, dass mir diese Erfahrung gut getan hatte.

SLAPSHOT: Wurden Sie bereits in Nordamerika der physisch hart spielende Verteidiger, der Sie heute sind?

Jung: Du lernst das automatisch dort. Auch, weil auf dem kleinen Eisfeld viel körperbetonter gespielt wird. Ich spielte zwar schon vorher gerne physisch, aber in Nordamerika musste ich diesbezüglich über die Bücher und viel besser werden.

Sven Jung
Verteidiger Sven Jung (Mitte) in Aktion auf dem Eis. - PostFinance/KEYSTONE/Patrick B. Kraemer

Für die Timings beim Checken half mir auch das Football-Training mit den Tacklings. Und ich lernte auch, wie man Checks richtig annimmt. Du musst dich in beiden Situationen richtig verhalten.

SLAPSHOT: Ihre letzte Station vor der Rückkehr in die Schweiz waren die Rio Grande Valley Killer Bees in Hidalgo in Texas, wo das Stadion ganz nahe des Grenzzauns zu Mexiko war. Erzählen Sie!

Jung: Ich wollte nach dem College in Kanada eigentlich in der höchsten US-Juniorenliga spielen. Es gab aber eine Ausländerbeschränkung, mein Team in Lincoln Stars schickte mich darum in eine Art Farmteam in Hidalgo auf der zweithöchsten Stufe.

Auch dort waren wir aber drei statt zwei Ausländer, zudem verletzte ich mich an der Schulter. Alles in allem merkte ich bald, dass es mir nicht wirklich passte. Ich war mittlerweile 18-jährig, es war also wichtig, dass ich die nächsten Schritte machen kann.

Nach einem Hin und Her erlaubten sie mir nach ein paar Spielen den Abgang. Ich fuhr mit dem Auto über 3000 Kilometer nach Calgary, wo meine damalige Freundin wohnte. Bald danach flog ich in die Schweiz zurück …

SLAPSHOT: … wo Sie gleich bei Arno Del Curto in Davos landeten.

Jung: Nicht sofort. In kam in Genf an, wo ich gleich von Chris McSorley empfangen wurde. Er zeigte mir alles bei Servette.

Kurz danach kontaktierte mich auch Christian Wohlwend aus Lugano, unter ihm hatte ich kurz in der Junioren-Nationalmannschaft gespielt, und Patrick Fischer war Trainer der 1. Mannschaft. Ich wollte aber noch nirgendwo zusagen, da ich auch einen Termin in Davos mit Arno hatte.

SLAPSHOT: Und er überzeugte Sie?

Jung: Er kam sofort zum Punkt und bot mir einen Vertrag über drei Jahre an. Das überraschte mich. Ich bat um 30 Minuten, um meine Eltern und meinen Agent anrufen zu können, er gab mir 20.

Sven Jung
Austin Czarnik (Mitte) vom SC Bern scheitert an Torhüter Sandro Aeschlimann (l.) und Sven Jung vom HC Davos. - KEYSTONE/Gian Ehrenzeller

Ich wusste, dass Arno schon länger beim HCD war und es nicht gleich zu Änderungen kommen würde, wenn es mal schlecht läuft. Und ich wusste, dass er auf die Jungen setzt. Mir passte es, also sagte ich zu. Und dann riss ich mir zwei Wochen später das Syndesmoseband und fiel drei Monate lang aus.

SLAPSHOT: Sie sind bis heute geblieben und haben sich in der Team-Hierarchie Schritt für Schritt hochgekämpft. Zuletzt haben Sie gar bis 2031 verlängert. Das ist ein in der Schweiz ungewöhnlich langer Vertrag.

Jung: Ich hatte mir viele Fragen gestellt: In welches Team passe ich mit meiner Rolle? Will ich in ein Team, das gerade im Neuaufbau ist? Will ich in ein Team, wo zuletzt viele Wechsel waren?

In Davos habe ich fast alles: eine gute Mannschaft, mit Josh Holden einen guten Trainer, bei dem ich eine gute Rolle im Team habe. Der HCD hat einen Plan, er setzt auf eine gut strukturierte Defensive. Das gibt Stabilität.

Und dann gibt es auch noch diesen Aspekt: Ich bin Vater geworden und habe in Davos nach zwölf Jahren auch viele Kollegen ausserhalb des Eishockeys. Es gab also sehr viele Gründe, damit ich Davos nicht verlasse.

Über Sven Jung

Geboren: 5. Januar 1995. Grösse: 186 cm. Gewicht: 84 kg. Vertrag: bis 2031.

Stationen: Bis 2010: SCL Young Tigers. 2010 bis 2013: Notre Dame Argos (SMAAAHL). 2013/14: Rio Grande Valley Killer (NAHL), HC Davos. Seit 2014: HC Davos, zwei leihweise Spiele für den SCB.

Grösste Erfolge: Cupsieger 2014/15 mit dem SC Bern. Spengler Cup-Sieger 2023 mit dem HC Davos. Vizeweltmeister 2024.

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