Darum braucht die Schweiz eine Zuckersteuer

Michael Bolzli
Michael Bolzli

Bern,

Das Schweizer Stimmvolk will keine Zuckersteuer. Doch die positiven Effekte überwiegen, wie Erfahrungen im Ausland zeigen. Ein Kommentar.

In Süssgetränken steckt viel Zucker drin.
In Süssgetränken steckt viel Zucker drin. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Schweizer Stimmvolk spricht sich klar gegen eine Zuckersteuer aus.
  • Die Erfahrung zeigt: Mit einer Steuer nimmt der Süssgetränkekonsum ab.
  • Auch reagieren die Hersteller und senken den Zuckeranteil.

Die Aussage ist überdeutlich: Die Schweizer Bevölkerung will keine Zuckersteuer. 72 Prozent sprechen sich dagegen aus. Zu diesem Schluss kommt eine Umfrage des Instituts gfs.bern. Auftraggeber: Die Lobby-Organisation IG Erfrischungsgetränke.

Dass die Ablehnung so deutlich ist, überrascht nicht. Wer ist schon für eine Mehrbelastung? Doch anders als sich die Getränke-Lobby das wünscht, ist das Thema damit nicht abgehakt. Fakt ist: Schweizer konsumieren zu viel Zucker. Laut dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit 110 Gramm pro Tag. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt höchstens 50 Gramm.

Unbestritten auch: Süssgetränke sind Zuckerbomben. Ein Glas Coca-Cola (2,5 Deziliter) enthält 27 Gramm Zucker. Gleich viel Zucker steckt in einer Dose Red Bull. Der Tagesbedarf wäre damit bereits gedeckt. So darf es nicht überraschen, dass 43 Prozent der Schweizer übergewichtig sind. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Bundesamts für Gesundheit aus dem Jahr 2012. Dafür ist sicher nicht nur der Zucker Schuld, aber mitschuldig auf jeden Fall.

Gesundheitskosten zahlt Allgemeinheit

Die Getränkelobby argumentiert, dass jeder für seine Gesundheit selber verantwortlich ist. Das stimmt natürlich. Allerdings geht dabei vergessen, dass die Gesundheitskosten auf dem Buckel der Allgemeinheit getragen werden. Laut einer OECD-Studie von 2011 zahlen Schweizer im Schnitt 31 Prozent der Gesundheitskosten selbst.

Ein Grossteil der Konsumenten glaubt, dass sich bei einer Zuckersteuer ihr Verhalten nicht ändern würde. Dem widerspricht eine Studie des Luxemburger Instituts Liser. Demnach ist in Chile seit der Einführung einer Zuckersteuer 2014 der Süssgetränke-Konsum um über 21 Prozent zurückgegangen. Natürlich kann man das Resultat nicht direkt auf die Schweiz anwenden, doch erklärt es die Angst der Süssgetränke-Hersteller: Sie befürchten Umsatzeinbussen.

Die Zuckersteuer setzt die Getränkehersteller unter Druck. Das zeigt das Beispiel Grossbritannien. Dort gibt es die Steuer seit Frühling. Doch bereits vor der Einführung hatten die Produzenten reagiert. Der Coca-Cola-Konzern senkte den Zuckergehalt von Fanta für den britischen Markt von 6,9 auf 4,6 Gramm pro Deziliter. Auch andere Konzerne änderten die Rezepturen.

Unter dem Strich macht die Zuckersteuer genau das, was sie soll: Der Konsum geht zurück, die Industrie entschärft die Zuckerbomben. Das ist positiv. Die Gesellschaft lebt gesünder, im besten Fall sinken gar die Gesundheitskosten. Das ist wichtiger als der Umsatz von Getränkehersteller.

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