Darum dreht die Welt Anfang Jahr durch
Flugzeugabstürze, Schiessereien, Terroranschläge – aber vor allem eines: viele Tote. Was steckt hinter den vielen Tragödien zum Jahreswechsel?
Das Wichtigste in Kürze
- Zum Jahreswechsel häufen sich tragische Unglücke wie auch Gewalt- und Terrorereignisse.
- Das ist nicht nur Zufall, wie eine Expertin und ein Experte erklären.
Der Jahreswechsel 2024/2025 ist geprägt von Negativ-Schlagzeilen.
Es beginnt kurz vor Weihnachten, als ein Mann im deutschen Magdeburg auf einem Weihnachtsmarkt in eine Menschenmenge fährt. Die Amok-Fahrt fordert mehrere Tote.
Wenige Tage später meldet eine Swiss-Maschine Rauch in der Kabine und setzt zur Notlandung an. Ein Mensch verliert sein Leben.
Wenige Tage später folgt die nächste Luftfahrt-Tragödie: Ein Flugzeug der Azerbaijan Airlines wird abgeschossen – 38 Menschen sterben, nur 29 überleben.
Und dann, der finstere Höhepunkt, eine Katastrophe in Südkorea: Ein Passagierflugzeug der Jeju Air landet ohne Fahrwerk.
Das Flugzeug rutscht unkontrolliert über die Landebahn, prallt in eine Mauer und reisst 179 von 181 Passagieren in den Tod.
Explodierter Tesla und Amok-Fahrt Nummer zwei
Kaum ist das neue Jahr angebrochen, treffen weitere Schreckensmeldungen ein.
In New Orleans rast zum Neujahrstag ein Mann mit einem Pick-up-Truck in eine Menschenmenge, die ausgelassen feiert.
Er steigt aus, zieht eine Waffe und feuert in die Menge: 15 Menschen sterben, 30 werden verletzt.
Stunden später detoniert ein Tesla Cybertruck vor dem Trump International Hotel in Las Vegas.
Der Fahrer kommt ums Leben, sieben Menschen werden verletzt. Vermutet wird ein Suizid.
Warum häufen sich solche Tragödien am Jahresende und Anfang Jahr – Zufall?
Dunkle Tage, düstere Gedanken
Ulrike Ehlert, Leiterin des Lehrstuhls für Klinische Psychologie an der Universität Zürich, erklärt: «Der Winter setzt vielen Menschen zu.»
Man verlasse «das Haus im Dunkeln, kommt im Dunkeln nach Hause. Dazu kommt der Bewegungsmangel – das macht die Psyche anfälliger».
Sie ergänzt: «Fehlendes Tageslicht und die dunkle Jahreszeit können Winterdepressionen auslösen. Das verstärkt bestehende psychische Belastungen.»
Auch das Jahresende selbst spielt eine Rolle.
«Viele ziehen Bilanz: Habe ich meine Ziele erreicht? Bin ich glücklich im Job? Diese Reflexion kann frustrierend ausfallen», sagt Ehlert.
So könne etwa eine verwehrte Beförderung oder Gehaltserhöhung Kurzschlusshandlungen begünstigen.
«Dasselbe gilt für Menschen, die in einer unglücklichen Beziehung sind. Missstände fallen zum Jahresende oft mehr ins Gewicht.»
Frustration über unerfüllte Erwartungen könne in Konflikte und gewaltsame Handlungen umschlagen.
Gewaltspirale durch Vorbilder?
Nicht nur persönliche Krisen tragen zur Eskalation bei. Der Kriminologe Dirk Baier hebt hervor, wie wichtig mediale Vorbilder sind.
«Aus der Suizid- und Amokforschung weiss man, dass Nachahmungstaten zum Jahresende häufig auftreten.»
Die Berichterstattung zeige potenziellen Tätern, wie sie ihre Probleme ‹lösen› können.
Die Psychologin ergänzt: «Frauen verfolgen häufig ein unerreichbares Schönheitsideal, über das Medien berichten.»
Bei den Männern kommt eine ähnliche Mechanik mit drastischeren Folgen zum Zug: «Hier suggerieren bestimmte Nachrichten und Inhalte, dass Gewalt eine akzeptable Lösung ist.»
Hinzu komme, dass Gewalt unter Männern durch die Sozialisierung ohnehin viel eher akzeptiert sei.
«Das kombiniert damit, dass viele Menschen Kriegsveteranen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung sind, kann gefährlich sein.»
Auch Fake News und Hetze spielen eine Rolle.
Ehlert erklärt: «Wer beispielsweise immer wieder liest, dass Migranten an allem schuld sind, entwickelt dieser Personengruppe gegenüber mitunter eine erhöhte Gewaltbereitschaft.»
Finanzielle Belastung und Jahresendstress
Ebenso können äussere Faktoren die Gewaltbereitschaft erhöhen. Versicherungen verschicken ihre Rechnungen, oft mit höheren Beiträgen als im Vorjahr.
Ehlert dazu: «Diese finanzielle Belastung trifft auf Menschen, die ohnehin schon unter Druck stehen. Das Ende des Jahres wird so zur Zündflamme für Konflikte und Gewalt.»
Die Häufung von Unglücken und Gewalttaten am Jahresende ist also kein Zufall. Sondern das Resultat einer Kombination aus Stress, persönlichen Krisen, äusseren Belastungen und medialen Einflüssen.
Doch warum die vielen Flugunglücke?
Aviatik-Experte Michel Guillaume von der ZHAW, gibt Entwarnung: «Zum Jahresende wirkt es oft so, als häuften sich Flugunglücke.»
Das ist aber Zufall. Denn: «In Wirklichkeit steigen die Sicherheitsstandards stetig, und es gibt immer weniger Unfälle.»
Guillaume rügt die Medienlandschaft: «Zeitungen und Nachrichtenportale berichten in dieser Zeit mehr darüber, weil ein ähnliches Phänomen wie das Sommerloch auftritt.»