Deutscher Astronaut Maurer vor All-Flug
Das Wichtigste in Kürze
- Erst war das Wetter schlecht, dann gab es ein «kleineres medizinisches Problem» bei einem der Crew-Mitglieder.
Schliesslich wurde die Rückkehr einer anderen Crew vorgezogen: Rund zehn Tage lang musste sich der deutsche Astronaut Matthias Maurer gedulden und in Quarantäne am Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida ausharren - am Donnerstagmorgen aber soll er nach vielen Verschiebungen endlich zur Internationalen Raumstation ISS starten und zum zwölften Deutschen im All werden.
Gemeinsam mit seinen Nasa-Kollegen Thomas Marshburn, Raja Chari und Kayla Barron - der sogenannten «Crew-3» - soll der 51-jährige Saarländer mit einem «Crew Dragon» der privaten Raumfahrtfirma SpaceX von Elon Musk von Cape Canaveral abheben und zur ISS fliegen. Erstmals seit dem Flug von Alexander Gerst 2018 wäre damit wieder ein Deutscher im All. Maurer wäre der vierte Deutsche auf der ISS - und der erste, der mit einem «Crew Dragon» dorthin geflogen ist.
ISS-Vorgänger Gerst drückt ihm vor Ort in Cape Canaveral die Daumen. «Wenn ein Freund und Kollege fliegt, das ist toll, man sieht das dann mal von einer anderen Seite. Matthias hat mich während meiner Missionen immer unterstützt und jetzt bin ich hier und kann ihm so ein bisschen helfen.»
Die vier Astronauten hätten die Startverschiebungen professionell aufgenommen und seien nach wie vor hochkonzentriert, hiess es immer wieder vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Für die Planer der Experimente auf der ISS seien die vielen Verschiebungen aber eine grosse Herausforderung, sagte Volker Schmid, der bei der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR für die Mission zuständig ist. «Man wird etwas umplanen müssen - aber es wird versucht, alles, was vorgesehen war, in der Mission unterzubringen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Cape Canaveral. Einige Dinge würden gegebenenfalls auf die nächste Mission verschoben. «In zwei bis drei Wochen lässt sich das alles besser überblicken», kündigte Schmid an.
Dass bis zur Ankunft der Maurer-Crew kurzzeitig nur eine dreiköpfige Besatzung auf der ISS Dienst tue, wirke sich ebenfalls aus. «Mit einer Drei-Personen-Besatzung lässt sich natürlich insgesamt weniger Wissenschaft machen. Denn etwa zwei Mitglieder benötigt man für das sogenannte Station-Keeping», betonte Schmid. «Da ist dann für ein paar Tage vorher und nachher weniger Wissenschaft eingeplant.» Die aktuelle Crew werde aber versuchen, die Vorhaben abzuarbeiten.
«Nachlässigkeit kann fatale Folgen haben»
In einer Zeit, in der oft über Weltraumtourismus gesprochen werde, würden die Verschiebungen auch zeigen, dass Raumfahrt von vielen Parametern wie Wetter, Technik und Gesundheit abhängig und noch komplexer sei als zum Beispiel Luftfahrt. «Es ist absolut richtig, auf Sicherheit zu setzen. Nachlässigkeit kann fatale Folgen haben.»
Ursprünglich sollte die «Falcon-9»-Trägerrakete mit dem «Crew-Dragon»-Raumschiff bereits Ende Oktober abheben. Dann aber hiess es warten. Für manche Raumfahrer fühlt sich das an wie eine halbe Ewigkeit - andere haben mehr Geduld. Der Wissenschaftler Matthias Sutter riet der Crew um Maurer, sich in der Zwischenzeit auf eine andere Tätigkeit zu konzentrieren. «Ich bin sicher, dass alle vier nicht zum ersten Mal in ihrem Leben auf etwas warten müssen», sagte der Verhaltensforscher und Buchautor («Die Entdeckung der Geduld»).
Jeder habe eine gewisse Routine, wie er mit Verzögerungen umgehe. «Ähnlich wie Skirennfahrer am Start, wenn es eine Unterbrechung gibt. Manche verkriechen sich in eine Ecke, andere plaudern mit ihren Serviceleuten, bis es weiter geht», sagte der Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn.
Maurer der älteste deutsche Raumfahrer bei einem Erstflug
Auf der ISS soll Maurer in rund 400 Kilometern Höhe etwa sechs Monate lang zahlreiche Experimente durchführen und auch einen Ausseneinsatz absolvieren. «Bei zwischen 100 und 150 Experimenten, die wir dann durchführen, da ist schon eine gewisse Erwartungshaltung da», sagte der Astronaut. «Ich werde mein Bestes geben, dass da auch wirklich dann die besten Ergebnisse rauskommen.» Maurer habe ein «reiches Pensum an Experimenten und Arbeit», sagte der Chef der Europäischen Weltraumorganisation (Esa), der Österreicher Josef Aschbacher. «Sein Tag wird gefüllt sein und seine sechs Monate werden ziemlich schnell vergehen, aber es ist eine ganz tolle Mission.»
Mit 51 Jahren ist Maurer der älteste deutsche Raumfahrer bei einem Erstflug. Der Mann mit einem Doktortitel in Materialwissenschaft liess nach seiner Bewerbung bei der europäischen Raumfahrtagentur Esa mehr als 8000 Kandidaten hinter sich und trainierte jahrelang für die Reise in die Schwerelosigkeit.
Auf den Flug nimmt Maurer auch die Grüsse prominenter Musiker mit. «Die Toten Hosen wünschen Matthias Maurer viel Glück auf seinem Trip!», teilte die Düsseldorfer Band der Deutschen Presse-Agentur mit. Hintergrund ist die Musikauswahl des Astronauten: Maurer hatte angekündigt, auf dem Weg zur Rakete unter anderem das Lied «Tage wie diese» von den Toten Hosen zu hören.
Bis zum Start bleibt dem Astronauten die Vorfreude. «Ich träume schon sehr lange davon, oben anzukommen und einfach den Blick auf unseren wunderschönen Planeten zu geniessen», sagte der Astronaut. «Das erste, was ich in einem freien Moment machen möchte, ist in unser Weltraumfenster zu schweben und dort eine komplette Runde um die Welt, das sind 90 Minuten, einfach nur in mich aufzusaugen und das einfach zu spüren, was es bedeutet, ausserhalb unseres Planeten zu schweben und unseren Planeten da vor dem Schwarz des Universums hängen zu sehen.»