Friedensprozess und Energie: Baerbock in Kolumbien
Deutschland sieht in Kolumbien einen wichtigen Partner auf dem südamerikanischen Kontinent. Deswegen will man die Regierung von Präsident Petro stärken. Es geht auch um handfeste Eigeninteressen.
Das Wichtigste in Kürze
- Aussenministerin Annalena Baerbock setzt ihre sechstägige Lateinamerikareise heute in Kolumbien fort.
In Cali, der mit 2,5 Millionen Einwohnern drittgrössten Stadt des Landes, will die Grünen-Politikerin mit der kolumbianischen Vizepräsidentin Francia Márquez sprechen. Bei den Gesprächen Baerbocks stehen der Friedensprozess im Land sowie die Themen Klima, Energie, Rohstoffe und Frauenrechte im Vordergrund.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der Baerbock seit Sonntag auf der Reise in Brasilien begleitet hatte, fliegt unterdessen von der brasilianischen Stadt Belém aus nach Deutschland zurück.
Produktion, Nutzung und Export von grünem Wasserstoff
Die kolumbianische Regierung von Präsident Gustavo Petro will die Erneuerbaren Energien weiter ausbauen. Die Bundesregierung setzt hier etwa stärkere Zusammenarbeit mit dem Land. Petro ist seit August 2022 im Amt. Zu seinen Wahlversprechen gehörte auch der Stopp neuer Lizenzen für die Kohle- und Ölförderung sowie der Offshore-Ölförderung. Kolumbien ist zudem an der Produktion, der Nutzung und dem Export von grünem Wasserstoff interessiert – auch hier könnte es Zusammenarbeit geben. Traditionell gilt Kolumbien auch als enger Partner Deutschlands beim Klimaschutz.
Kolumbien ist das viertgrösste Land Südamerikas und hat etwa 50 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Die 41 Jahre alte Márquez ist die erste schwarze Vizepräsidentin des südamerikanischen Landes. Die Menschenrechtsaktivistin und Umweltschützerin kämpfte in der von der Gewalt besonders betroffenen Region Cauca gegen illegale Goldsucher und wurde mehrmals bedroht. 2018 erhielt sie für ihren Einsatz den renommierten Goldman-Preis.
52 Jahre Bürgerkrieg und ein Friedensprozess
Kolumbien litt 52 Jahre lang unter einem Bürgerkrieg zwischen linken Rebellen, rechten Paramilitärs und dem Militär. 220.000 Menschen kamen ums Leben, Millionen wurden vertrieben. Zwar hat sich die Sicherheitslage nach dem Friedensabkommen 2016 zwischen der Regierung und der grössten Rebellengruppe Farc verbessert. Noch immer werden aber Teile des Landes von illegalen Gruppen kontrolliert.
Da die Wiedereingliederung in das zivile Leben oftmals scheiterte, haben sich viele ehemalige Kämpfer wieder kriminellen Banden angeschlossen. Vor allem die Gewalt gegen soziale Aktivisten, Indigene und Umweltschützer hat deutlich zugenommen. Präsident Gustavo Petro will nun den «totalen Frieden» erreichen. Allerdings kommt es dabei immer wieder zu Rückschlägen, weil sich die bewaffneten Gruppen nicht an den Waffenstillstand halten.
Dritte Runde der Friedensgespräche soll zu Ende gehen
Heute sollte die dritte Runde der Friedensgespräche zwischen der kolumbianischen Regierung und der linken Guerillaorganisation ELN in Havanna zu Ende gehen. Präsident Petro wollte zum Abschluss in die kubanische Hauptstadt reisen. Es wurde damit gerechnet, dass die Unterhändler einen Waffenstillstand ankündigen.
Nach vier Jahren Pause hatten die Vertreter der Regierung und der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) Ende 2022 die Friedensverhandlungen wieder aufgenommen. Die Vorgänger-Regierung des konservativen Präsidenten Iván Duque hatte die Friedensgespräche mit der ELN 2019 nach einem Bombenanschlag der Gruppe auf eine Polizeiakademie in Bogotá mit 22 Todesopfern abgebrochen. Petro, ein Ex-Guerillero der Gruppe M-19, schob nach seinem Amtsantritt im August 2022 den Friedensprozess wieder an.
Die marxistisch-leninistische ELN hat rund 5000 Kämpfer. Die Organisation orientierte sich zunächst stark am kubanischen Sozialismusmodell, später schlossen sich viele von der Befreiungstheologie geprägte Geistliche der Gruppe an. Sie verübt vor allem im Osten Kolumbiens Anschläge und nimmt Geiseln.
Podiumsdiskussion zu feministischem Friedensprozess
Am Abend (Ortszeit) wollte Baerbock das deutsch-kolumbianische Friedensinstitut Capaz besuchen und an einer Podiumsdiskussion zur feministischen Friedenspolitik und zum Friedensprozess in dem Land teilnehmen. Bei der Verleihung des Preises des deutsch-lateinamerikanisch-karibischen Frauennetzwerkes «Unidas» (deutsch: «Vereinigt») an Vizepräsidentin Márquez wollte Baerbock die Laudatio halten. «Unidas» wurde 2019 ins Leben gerufen. Es ist Bestandteil der Lateinamerika- und Karibik-Initiative des Auswärtigen Amts, bei der Baerbock die Schirmherrschaft hat.