Glyphosat-Prozess gegen Monsanto beginnt turbulent
Bayers über 60 Milliarden Dollar teurer US-Zukauf Monsanto muss sich in den USA erneut wegen seiner Unkrautvernichter mit dem umstrittenen Herbizid Glyphosat als Wirkstoff vor Gericht verantworten. Der Grossprozess in San Francisco startete direkt mit einem Eklat.
Das Wichtigste in Kürze
- Aufregung zum Prozessauftakt: Beim grossen US-Rechtsstreit um mögliche Krebsgefahren glyphosathaltiger Produkte der Bayer-Tochter Monsanto ging es gleich am ersten Verhandlungstag richtig zur Sache.
Der zuständige Bundesrichter Vince Chhabria drohte der Klägerseite wegen angeblicher Verstösse gegen die Prozessordnung mit Sanktionen. Kläger Edwin Hardeman macht den Unkrautvernichter Roundup für seine Erkrankung an Lymphdrüsenkrebs verantwortlich und wirft Monsanto vor, die Risiken bewusst verschwiegen zu haben.
Für die Leverkusener Bayer AG, die Monsanto vergangenes Jahr für rund 63 Milliarden Dollar (55 Mrd Euro) übernommen hatte, ist der Rechtsstreit hochbrisant. Denn es handelt sich um einen «Bellwether Case» genannten Musterfall in einem Massenverfahren, der richtungsweisend für viele weitere Klagen ist.
Insgesamt ist Bayer mit rund 9300 US-Klägern konfrontiert, Hunderte Fälle unter dem Bundesgesetz sind bei Richter Chhabria in San Francisco gebündelt. Im September hatte der Konzern bereits eine Niederlage vor einem anderen US-Gericht erlitten, diese Entscheidung ging jedoch in Berufung.
Der zweite Prozess begann am Montag (Ortszeit) turbulent. Richter Chhabria warf Klägeranwältin Aimee Wagstaff vor, gezielt vom Thema abgewichen zu sein, um die Jury in unzulässigerweise Weise zu beeinflussen. Hintergrund: Chhabria hatte im Januar entschieden, das Verfahren in zwei Teile zu trennen - zunächst geht es um die Frage, ob Monsanto-Produkte krebserregend sind. Nur wenn die Klägerseite dies ausreichend belegen kann, würde verhandelt, ob das Unternehmen Risiken verschwiegen hat. Die Anwältin habe sich an diese vorgegebene Linie in ihrem Auftaktplädoyer jedoch nicht gehalten.
Chhabria verdonnerte sie per gerichtlicher Anordnung, noch im Laufe des Tages eine schriftliche Erklärung zu ihrem Verhalten abzugeben. Zu ihrer Verteidigung schrieb Wagstaff, sie habe sich den Anweisungen des Gerichts zu keinem Zeitpunkt widersetzt, obwohl sie sogar oft unterbrochen worden sei, ohne dass die Verteidigung dies gefordert hätte. Der Richter führte laut Prozessbeobachtern insgesamt ein striktes Regime und wies auch Bayers Anwalt Brian Stekloff an, bestimmte Unterlagen seiner Präsentation nicht der Jury zu zeigen.
Bayer weist die Anschuldigungen gegen Monsanto energisch zurück. «Während wir grosses Mitgefühl mit Herrn Hardeman haben, unterstützt die umfangreiche wissenschaftliche Forschung zu glyphosat-basierten Herbiziden über vier Jahrzehnte hinweg die Schlussfolgerung, dass Roundup nicht für seine Krankheit verantwortlich ist», teilte der Konzern in einer Stellungnahme zum Prozessauftakt mit. Bayer beruft sich auf über 800 Studien, die belegen sollen, dass der Unkrautvernichter sicher ist - bei vorschriftsgemässer Anwendung.
Die US-Kläger stützen sich ebenfalls auf diverse Studien, zuvorderst auf die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Monsantos Unkrautvernichter 2015 als «wahrscheinlich krebserregend» für Menschen einstufte. Beim ersten Prozess vor Chhabrias Gericht sollen jetzt etliche Experten zum Thema gehört werden. Es steht ein regelrechter Anhörungsmarathon an - in den nächsten Wochen soll an je vier Tagen pro Woche rund sechs Stunden lang verhandelt werden. Insgesamt geht das Gericht davon aus, dass der Prozess vier bis fünf Wochen dauern wird.
Die Grünen nutzten den Beginn des Prozesses erneut für harsche Kritik am deutschen Dax-Konzern. «Bayer muss endlich aktiv zur Aufklärung über Monsanto-Mauscheleien und die tatsächlichen Glyphosat-Gefahren für Umwelt und Gesundheit beitragen», forderte Harald Ebner, der Fraktionssprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik. Der Versuch des Konzerns, mit hochgerüsteter Verteidigung und juristischen Tricks den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, sei zum Scheitern verurteilt.