Kann die EU ihren Bürgern vorschreiben, mehr Rindfleisch aus den USA zu essen? Auf den ersten Blick wirkt der jüngste Handelsdeal der beiden Wirtschaftsmächte so. Tatsächlich dürften die Auswirkungen aber überschaubar sein.
Der Deutsche Bauernverband hat grosse Sorge wegen des Rindfleisch-Abkommens der EU mit den USA. Foto: Joe Marquette/epa
Der Deutsche Bauernverband hat grosse Sorge wegen des Rindfleisch-Abkommens der EU mit den USA. Foto: Joe Marquette/epa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Das sogenannte Rindfleisch-Abkommen der EU mit den USA hat Kritik, aber auch Lob hervorgerufen.
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Bauernpräsident Joachim Rukwied gehört zu den Skeptikern: «Ob Mercosur oder das Abkommen mit den USA - die EU macht zunehmend Zugeständnisse zu Lasten der europäischen Landwirte», sagte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. «Das sehen wir mit grosser Sorge. Den europäischen Markt für den transatlantischen Import von landwirtschaftlichen Gütern zu öffnen, ist auch vor dem Hintergrund der Klimadiskussion nicht zu rechtfertigen.»

Lob bekam die EU etwa vom Maschinenbauverband VDMA: «Mit dem Abschluss dieses Abkommens hat die EU erneut ihren guten Willen gezeigt, auch langjährige Handelsstreitigkeiten wie die über Rindfleischeinfuhren zu beenden», heisst es in einer Stellungnahme. Die wirtschaftliche Annäherung müsse aber noch weiter gehen. So fordert der Verband «ein schlankes Freihandelsabkommen der EU mit den USA, das alle Industriezölle abbaut».

Rindfleisch-Produzenten aus den Vereinigten Staaten bekommen künftig besseren Zugang zum Markt der Europäischen Union. Aus Sicht des US-Präsidenten Donald Trump ist das ein «bedeutender Erfolg» für amerikanische Landwirte und europäische Verbraucher, wie er am Freitag bei der Unterzeichnung eines entsprechenden Handelsabkommens mit der EU betonte.

Die EU-Kommission hatte bereits Mitte Juni angekündigt, dass künftig Teile des globalen Einfuhrkontingentes von jährlich 45.000 Tonnen fest für US-Anbieter reserviert werden sollen. Innerhalb von sieben Jahren soll der US-Lieferanteil nun auf 35.000 Tonnen pro Jahr steigen. Nur noch 10.000 Tonnen würden dann aus anderen wichtigen Lieferländern wie Argentinien und Uruguay kommen.

Vor allem in Argentinien boomt die Fleischindustrie derzeit, die Exporte verdreifachten sich in den vergangenen drei Jahren - grösster Abnehmer ist China. In die EU gehen nach Angaben des nationalen Statistikamtes INDEC nur gut zwölf Prozent der Exporte, mehr als die Hälfte davon nach Deutschland. Die Auswirkungen des neuen Abkommens zwischen den USA und der EU dürften sich daher für Argentinien in Grenzen halten.

Ausserdem: Am Ende entscheiden die Verbraucher in Europa an der Supermarktkasse, welches Fleisch sie kaufen. Kein Handelsvertrag kann sie zwingen. Experten zufolge ist das amerikanische Rindfleisch in Bezug auf Qualität und Preis sehr konkurrenzfähig, weshalb eine Ausschöpfung der zollfreien Exportquote als wahrscheinlich erscheint.

Aber was steckt eigentlich hinter der Kontingentregelung? Was viele nicht wissen: Sie ist alles andere als neu. Die Kontingente sind ein Kompromiss nach einem langjährigen Streit der EU mit den USA und Kanada über die Verwendung bestimmter wachstumsfördernder Hormone in der Rindfleischerzeugung.

Die EU hatte in den 80er Jahren aus Sorge um die Gesundheit ihrer Bürger erstmals Fleischimporte von Rindern verboten, die mit diesen Hormonen versorgt wurden. 1996 wandten sich die USA und Kanada deswegen an die Welthandelsorganisation (WTO), die ihnen in einem Streitbeilegungsverfahren die Erlaubnis erteilte, im Gegenzug EU-Produkte mit Strafzöllen zu belegen. Der Wert der betroffenen Produkte betrug jährlich 116,8 Millionen US-Dollar, beziehungsweise 11,3 Millionen kanadische Dollar.

Um den Handelskonflikt beizulegen, wurde Ende des vergangenen Jahrzehnts vereinbart, dass ein bestimmtes Kontingent hormonfreies Rindfleisch zollfrei in die EU exportiert werden kann. Gemäss der aktuellen Vereinbarung geht es um 45 000 Tonnen.

Die USA waren zuletzt aber unzufrieden mit dem Deal, weil Importeure viel zollfreies Rindfleisch in Lateinamerika und Australien kauften und nicht in den USA. Deswegen drängten sie darauf, einen grossen Teil des Kontingentes ausschliesslich für sich zu bekommen. Die anderen Länder müssen der Regelung zähneknirschend zustimmen, weil die Alternative wäre, dass der Kompromiss aufgekündigt wird und vorerst gar keine zollfreien Exporte mehr möglich sind.

Wer ausserhalb der Kontingente Rindfleisch in die EU importieren will, muss hohe Einfuhrzölle von teilweise 20 Prozent zahlen.

Die wichtigsten externen Rindfleischlieferanten für die EU waren 2018 Brasilien, Argentinien, Uruguay und Australien und dann erst die USA.

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