Showdown bei den Demokraten: Biden in Not – Trump freut sich
Der parteiinterne Druck von US-Demokraten auf Präsident Joe Biden nimmt unaufhörlich zu. In schneller Taktung wagen sich kontinuierlich weitere Demokraten aus dem Kongress vor, um ihren 81 Jahre alten Parteikollegen öffentlich zum Ausstieg aus dem Präsidentschaftsrennen aufzufordern. Auch der Ton wird dabei rauer. So gab ein Abgeordneter öffentlich zum Besten, Biden haben ihn jüngst bei einer Begegnung nicht mehr erkannt. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump nutzte seine erste Wahlkampfkundgebung nach dem Attentat auf ihn, um ausgiebig gegen seinen strauchelnden Kontrahenten Biden auszuteilen und über dessen Krise zu spotten.
Die Rebellion der Demokraten
Hintergrund der Revolte sind Zweifel an der geistigen Fitness des Präsidenten und an seiner Fähigkeit, Trump bei der Wahl im November zu schlagen und sein Amt weitere vier Jahre auszuüben. Mittlerweile haben rund drei Dutzend Parteifreunde aus beiden Kammern Biden offen dazu aufgerufen, aus dem Rennen um eine zweite Amtszeit auszusteigen.
Hinter den Kulissen versucht Medienberichten zufolge auch die allererste Reihe der Partei, Biden zum Rückzug zu bewegen, darunter die beiden Top-Demokraten aus dem Kongress, Chuck Schumer und Hakeem Jeffries, wie auch die frühere Vorsitzende des Repräsentantenhauses und weiterhin einflussreiche Demokratin, Nancy Pelosi. Bidens früherer Chef, Ex-Präsident Barack Obama, soll ebenfalls Bedenken geäussert haben.
Die konzertierte Aktion aus der eigenen Partei ist bemerkenswert. Auch die Tatsache, dass nicht öffentliche Wortmeldungen der einflussreichsten Demokraten im Land in den vergangenen Tagen parallel nach aussen drangen, dürfte kein Zufall sein.
Und allmählich werden auch unangenehme Details an die Öffentlichkeit getragen. Der demokratische Abgeordnete Seth Moulton beschrieb in seiner Rückzugsforderung eine Begegnung mit Biden am Rande der Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag des D-Days in der Normandie: «Zum ersten Mal schien er mich nicht zu erkennen.»
Vertuschungsaktion?
Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, warf den Demokraten vor, sie hätten über eine lange Strecke versucht zu vertuschen, wie es um Biden wirklich steht. Dem Sender CNN sagte Johnson, sie hätten den Wählern immerzu gesagt, wie fit und agil der Präsident sei. «Sie alle wussten, dass das nicht wahr ist», beklagte er. «Jeder, der in den vergangenen Jahren mit ihm zu tun hatte, wusste, dass das nicht wahr ist.»
Biden hatte sich nach einer Infektion mit dem Coronavirus vor wenigen Tagen in sein Privathaus in Rehoboth Beach im Bundesstaat Delaware zurückgezogen und seitdem keine Termine wahrgenommen. Öffentlich hat er alle Rückzugsforderungen bislang entschieden zurückgewiesen und vielmehr angekündigt, er werde in der kommenden Woche auf die Wahlkampf-Bühne zurückkehren. Auch sein Wahlkampfteam betont beharrlich, er habe nicht vor, hinzuschmeissen. US-Medien zufolge schliesst der 81-Jährige angesichts des enormen Widerstandes in den eigenen Reihen insgeheim einen Rückzug aus dem Präsidentschaftsrennen aber nicht mehr kategorisch aus.
Trumps Schadenfreude
Für Trump ist die Krise seines Konkurrenten und der Demokratischen Partei ein gefundenes Fressen. «Sie haben ein paar Probleme. Erstens: Sie haben keine Ahnung, wer ihr Kandidat ist», spottete der Republikaner bei einem Wahlkampfauftritt in Grand Rapids im Bundesstaat Michigan. Der 78-Jährige wurde vor wenigen Tagen selbst von seiner Partei mit grossem Pomp und einer Show der Einigkeit zum Präsidentschaftskandidaten gekürt.
Trump machte sich bei seinem Auftritt mehrfach über den demokratischen Amtsinhaber lustig. Biden finde nicht alleine den Weg von einer Bühne. «Er hat keine Ahnung, was er tut.» Der Republikaner verunglimpfte seinen Konkurrenten als «schwachen alten Mann» und «dummen Menschen», der sich mit Kommunisten und schlechten Menschen umgebe.
Offensiv ging Trump auch Vizepräsidentin Kamala Harris an, die im Fall eines möglichen Rückzugs von Biden aus dem Wahlkampf als wahrscheinlichste Ersatzkandidatin gilt. «Sie ist verrückt», wetterte Trump. Das könne er an ihrem Lachen erkennen. «Sie ist irre.»
Es war Trumps erste klassische Wahlkundgebung seit dem Attentat auf ihn. Ein Schütze hatte eine Woche zuvor bei einer ähnlichen Wahlkampfveranstaltung in der Stadt Butler im Bundesstaat Pennsylvania das Feuer eröffnet und auf Trump geschossen. Der Täter, der von einem Flachdach ausserhalb des Veranstaltungsortes schoss, wurde von Sicherheitskräften getötet. Ein Besucher der Kundgebung starb, zwei weitere wurden verwundet. Trump wurde am rechten Ohr verletzt. Der Vorfall war eine Eskalation im ohnehin schon aufgeheizten US-Wahlkampf und warf ernste Frage auf, ob Trump ausreichend geschützt wurde.
Secret Service nach Attentat unter Druck
Trumps Veranstaltung in Grand Rapids fand nun nicht draussen, sondern in einer Arena statt. Der Secret Service, der in den USA für den Schutz hochrangiger Politiker zuständig ist, räumte laut einem Bericht der «New York Times» inzwischen ein, dass er in den vergangenen Jahren mehrere Anforderungen zusätzlicher Ressourcen für Trumps Schutz abgelehnt habe. Der Sprecher der Behörde hatte solche Vorwürfe unmittelbar nach dem Attentat zunächst zurückgewiesen. Auf Anfrage äusserte sich der Secret Service zunächst nicht zu dem Bericht. Die Chefin der Behörde soll am Montag und Dienstag im Kongress zu dem Attentat auf Trump Rede und Antwort stehen.
In Grand Rapids trat der Republikaner auch erstmals bei einer Wahlkampfkundgebung gemeinsam mit seinem neuen Vizepräsidentschaftskandidaten J.D. Vance auf. «Ich habe die richtige Wahl getroffen», sagte Trump über seinen neuen Kompagnon. «Er ist so gut.»
Sein Wahlkampfteam veröffentlichte ausserdem Details zu Trumps Schusswunde. Bei dem Attentat habe die Kugel den Kopf des Ex-Präsidenten um weniger als einen Zentimeter verfehlt, teilte Trumps Arzt Ronny Jackson mit. Der Schuss habe den oberen Teil von Trumps rechtem Ohr getroffen und eine etwa zwei Zentimeter breite Wunde verursacht. Die heile gut. Jackson betonte: «Es ist ein absolutes Wunder, dass er nicht getötet wurde.»