Gespalten - das ist ein Wort, das man über die USA in den vergangenen Jahren häufig gehört hat. Jetzt gibt es eine neue Spaltung, die das Land beschäftigt: Geimpft oder nicht geimpft?
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Eine Corona-Impfstelle am ehemaligen Hauptsitz der Citizens Bank in Cranston, USA. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Kay Ivey wirkt sehr aufgebracht.
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Die 76 Jahre alte Republikanerin ist Gouverneurin des US-Bundesstaates Alabama. «Es ist an der Zeit, den ungeimpften Leute die Schuld zu geben», schimpft sie. «Es sind die ungeimpften Leute, die uns im Stich lassen.»

Eigentlich, so sagt sie vor Kameras, sollten die Menschen ja einen gesunden Menschenverstand haben. Ihr Bundesstaat Alabama zählt zu den Schlusslichtern beim Impfen gegen Corona. Und er zählt zu den Staaten, die von der Pandemie aktuell wieder hart getroffen sind.

In den USA herrschte Verwunderung über Iveys Aussage - solch drastische Worte ausgerechnet aus dem Mund einer Republikanerin? Denn es scheint, als sei die Frage des Impfens in den USA mittlerweile auch zu einer politischen Frage geworden, die an Parteilinien verläuft. Dabei wird die Coronalage immer ernster und die Zeit drängt. «Wir befinden uns an einem weiteren entscheidenden Moment in dieser Pandemie», warnte die Chefin der US-Gesundheitsbehörde CDC, Rochelle Walensky.

USA nicht mehr Musterschüler beim Impfen

Noch im Frühjahr zählten die USA zu den Musterschülern beim Impfen, inzwischen aber hat sich eine gewisse Impfmüdigkeit eingestellt. Rund 49 Prozent der Gesamtbevölkerung sind mittlerweile vollständig immunisiert - Deutschland weist inzwischen eine ganz ähnliche Quote auf. Gleichzeitig steigt die Zahl der Corona-Neuinfektionen in den USA seit einigen Wochen wieder an - verantwortlich dafür ist die Delta-Variante. Besonders angespannt ist die Lage in Staaten mit geringer Impfquote.

Einer Studie der Kaiser Family Foundation zufolge ist die Impfquote in den Bezirken, in denen bei der Präsidentenwahl viele für Biden stimmten, deutlich höher als dort, wo der damalige Präsident Donald Trump viele Stimmen erhielt. Bemerkenswert: War der Unterschied am Anfang noch gar nicht so gross, ist die Kluft in den vergangenen Monaten deutlich gewachsen. Eine Umfrage der «Washington Post» und des Senders ABC News kommt zu dem Ergebnis, dass deutlich mehr Anhänger der Demokraten als der Republikaner sich bisher haben impfen lassen.

Risiko zu erkranken zu gering eingeschätzt

Besonders eindrücklich zeigte sich dieses Phänomen vor einigen Wochen bei der CPAC, einer Veranstaltung konservativer Aktivisten. «Die Regierung hat gehofft, dass sie 90 Prozent der Bevölkerung irgendwie dazu bringen kann, sich impfen zu lassen», sagte Autor Alex Berenson auf der Bühne. «Und das ist nicht der Fall», fügte er hinzu - die Menge reagierte mit Beifall und Jubel. Umfragen zeigen, dass viele Ungeimpfte das Risiko einer Erkrankung geringer einschätzen als das der Impfung. Oder der US-Regierung schlicht nicht vertrauen.

Längst rufen nun auch immer mehr Konservative lauter zur Schutzimpfung auf. «Diese Spritzen müssen so schnell wie möglich in den Arm eines jeden», sagte jüngst der Minderheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell. Doch eine einheitliche Position gibt es unter ihnen nicht - viele Konservative und vor allem Trump-Anhänger tun sich extrem schwer mit dem Thema.

Für Überraschung sorgte daher eine Äusserung des Top-Moderators des konservativen TV-Senders Fox News, Sean Hannity. Er glaube an die Wissenschaft des Impfens, sagte er in seiner Sendung. Kurze später betonte er dann, dass das aber bloss kein Impfaufruf an alle Amerikaner gewesen sei. Beobachter sehen aber einen leichten Kurswechsel bei dem ehemaligen Trump-Haussender, was das Impfen angeht. Viele Moderatoren des Senders wettern aber unverhohlen weiter gegen die Impfung.

Regierung wirbt weiter fürs Impfen

Die Regierung versucht seit Wochen, die Menschen zur Impfung zu bewegen - und hat eigenen Angaben zufolge auch Fox News und andere Sender wegen der Corona-Berichterstattung kontaktiert. Gleichzeitig werden die Gesundheitsbehörden nicht müde, zu warnen. «Es gibt Orte in diesem Land, wo die Fallzahlen hoch sind (...) und viele dieser Regionen haben eine niedrige Impfabdeckung», sagte CDC-Chefin Walensky jüngst. US-Gesundheitsexperte und Präsidentenberater Anthony Fauci betonte schon Anfang Juli: Wenn man sich die Zahl der Menschen ansehe, die an Covid-19 sterben, seien gut 99 Prozent von ihnen nicht geimpft.

US-Präsident Joe Biden warnte unlängst vor einer «Pandemie unter Ungeimpften». Sich impfen zu lassen, sei das «Patriotischste», was die Bürger jetzt tun könnten. Er flehte die Menschen am Nationalfeiertag (4. Juli) geradezu an, sich piksen zu lassen. Einen Grund für die mangelnde Impfbereitschaft sieht die Regierung auch in Falschinformationen in sozialen Medien wie Facebook. «Sie bringen Menschen um», sagte Biden.

In Florida ist die Situation aktuell besonders alarmierend. Etwa ein Fünftel aller Fälle in den USA wird derzeit dort verzeichnet. In einigen Krankenhäusern wird es mittlerweile wieder eng. Landesweit bewegt sich die Zahl der Einweisungen zwar auf relativ niedrigem Niveau - aber dort, wo verhältnismässig wenig Menschen geimpft sind, steigt sie deutlich schneller wieder an.

Kleine Erfolge

Doch die Impfappelle scheinen zumindest etwas zu fruchten. In der Tat hätten sich zuletzt in den fünf Bundesstaaten mit den höchsten Fallzahlen - Arkansas, Florida, Louisiana, Missouri und Nevada - mehr Menschen als im nationalen Durchschnitt impfen lassen, sagte der Corona-Koordinator der Regierung, Jeff Zients. Ein Sinneswandel? Angst vor Delta?

Je ernster die Corona-Lage in den USA wird, desto lauter und deutlicher werden dort auch die Schuldzuweisungen. Präsident Biden findet zwar nicht so harte Worte wie die Gouverneurin aus Alabama. Doch auch er machte neulich deutlich, dass Impfen längst mehr ist als eine private Entscheidung: «Es ist also gigantisch wichtig, dass Sie sich verhalten wie - wir alle verhalten uns wie Amerikaner, die sich um unsere - unsere Mitamerikaner kümmern.»

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