Konjunkturrisiko Trump: Leitzinssenkung soll es richten
Gut ein Jahr vor der Wahl in den USA stottert der Konjunkturmotor. Experten machen Trumps Handelskonflikte dafür verantwortlich. Der Präsident wiederum wirft der Notenbank Versagen vor. Es geht um den Leitzins - aber es geht wohl auch um seine Wiederwahl.
Das Wichtigste in Kürze
- Die US-Notenbank Fed will einen Einbruch der Wirtschaft verhindern, doch das wohl grösste Konjunkturrisiko kann sie nicht kontrollieren: Einen unberechenbaren Präsidenten, der das Land auf Kollisionskurs mit den wichtigsten Handelspartnern geführt hat.
Vor allem die Kosten des von Donald Trump angezettelten Handelskriegs mit China, der zweitgrössten Volkswirtschaft, bremsen die Konjunktur aus. Schon bald könnte auch der Handelsstreit mit der EU eskalieren.
Verbraucher in den USA geben weiter reichlich Geld aus, die Arbeitslosigkeit ist niedrig, aber das Wachstum verlangsamt sich, und Exporte und Investitionen sind rückläufig, wie die Fed mitteilte. Die Experten sahen das als Warnsignal: Die Federal Reserve senkte den Leitzins zum zweiten Mal in Folge um 0,25 Prozentpunkte, nun auf eine Spanne von 1,75 bis 2,00 Prozent. «Eine Schwäche des globalen Wachstums und die Unsicherheit der Handelspolitik haben die Wirtschaft belastet und stellen weiterhin ein Risiko dar», sagte Notenbankchef Jerome Powell am Mittwoch (Ortszeit) zur Begründung.
Trump zeigte sich schon Minuten nach der Entscheidung der unabhängigen Fed verärgert: «Jay Powell und die Federal Reserve haben wieder versagt», urteilte er auf Twitter. Er fordert seit Monaten drastische Zinssenkungen. Zuletzt forderte er - wohl angesichts des schwächeren Wachstums - den Leitzins auf «Null oder weniger» zu senken. Den von ihm ernannten Powell beschimpft er immer wieder als ahnungslos. «Ich bin von ihm enttäuscht», sagte Trump in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit dem Sender Fox News.
Gut ein Jahr vor der Präsidentenwahl will Trump keinen Konjunktureinbruch riskieren, der seine Wiederwahl deutlich erschweren könnte. Doch die Notenbank hat nun signalisiert, dass weitere Zinssenkungen keineswegs gesichert sind - auch falls Trumps Handelspolitik die Wirtschaft weiter belasten sollte.
Powell erklärte, es sei richtig, die noch «moderat» wachsende Wirtschaft jetzt schon mit billigerem Geld zu stützen. «Wenn man am Horizont ein herannahendes Problem sieht, hält man sich davon fern, wenn möglich», sagte Powell. «Es ist besser, den Kurs pro-aktiv zu ändern.» Innerhalb der Fed ist der Kurs jedoch umstritten: Die Entscheidung wurde von sieben der zehn Ratsmitglieder mitgetragen. Es war erst die zweite Zinssenkung seit dem Ende der globalen Finanzkrise. Noch 2018 hatte es vier Erhöhungen gegeben.
Die Senkung des Leitzinses verbilligt Kredite, weswegen Firmen leichter investieren können und viele Bürger weniger für den Schuldendienst ausgeben müssen. Die Fed erklärte - wie bereits im Juli - dass die Zentralbank alle wirtschaftlichen Daten weiter genau verfolge und «angemessen» handeln werde, um die Arbeitslosigkeit niedrig und die Inflation nahe dem Ziel von 2 Prozent zu halten.
Die US-Wirtschaft wächst bereits seit zehn Jahren, doch Powell verwies mehrfach auf die Risiken der Handelskonflikte. Die Fed habe keinen Einfluss auf Handelspolitik, müsse deren Auswirkungen aber in Betracht ziehen. Seit der letzten Fed-Sitzung Ende Juli habe es ein «Wiederaufleben der Spannungen im Handelsbereich inklusive der Verhängung zusätzlicher Zölle» gegeben, sagte er. Trump hatte im August neue Zölle angekündigt, China folgte kurz darauf.
Die USA haben inzwischen Strafzölle auf fast alle Importe aus China - Waren im Wert von rund 500 Milliarden US-Dollar - angekündigt oder bereits verhängt. Damit will Trump China weitgehende Zugeständnisse zu einer Verbesserung der Handelsbeziehungen abringen. Die Unterhändler beider Seiten wollen noch im September erneut über ein Handelsabkommen sprechen, im Oktober soll es in Washington erneut Gespräche auf Ministerebene geben. Experten rechnen angesichts der weitgehenden Forderungen Trumps nicht mit einer raschen Einigung.
Auch der Konflikt mit der EU, dem grössten Handelspartner, könnte im Herbst eskalieren. Im Oktober könnte die US-Regierung begrenzte Strafzölle wegen europäischer Subventionen für den Flugzeugbauer Airbus verhängen. Im November hingegen könnten Einfuhrgebühren für Autos aus der EU drohen, die das Wachstum auf beiden Seiten des Atlantiks schwer belasten dürften. Verhandlungen zwischen Washington und Brüssel dauern weiter an.
Powell betonte, die Fed erwarte für die US-Wirtschaft weiteres Wachstum, wäre im Notfall aber bereit zu handeln: «Falls die Wirtschaft einbrechen sollte, dann könnte eine weitgehendere Folge von Zinssenkungen angebracht sein.»