USA: Mehr als 40 Tote durch E-Zigaretten
Die Krise um E-Zigaretten in den USA weitet sich immer weiter aus: Die Zahl der Toten ist auf mehr als 40 gestiegen und die Ursache ist auch noch nicht abschliessend geklärt. Ärzte müssen teils zu drastischen Massnahmen greifen, um Patienten zu retten.
Das Wichtigste in Kürze
- Steigende Fallzahlen und immer noch keine vollständig geklärte Ursache: Die Zahl der Toten nach dem Gebrauch von E-Zigaretten in den USA liege nun bei 42, teilte die US-Gesundheitsbehörde CDC am Donnerstag (Ortszeit) mit.
Die Opfer stammten aus 24 US-Bundesstaaten. Die Zahl der Erkrankten habe auf nun 2172 bestätigte Fälle zugenommen. Vor einer Woche hatte die CDC noch von 39 Toten und 2051 Kranken berichtet.
Ein erkrankter 17-Jähriger in Michigan war Ärzten zufolge im vergangenen Monat nur mithilfe der Transplantation zweier Lungenflügel vor dem «sicheren Tod» gerettet worden. In Deutschland und auch europaweit ist bislang kein ähnlicher Anstieg von Lungenschädigungen bekannt. Die Beschwerden scheinen sich weiterhin auf Nutzer in Nordamerika zu beschränken.
Unterdessen sank die Zahl der Zigaretten-Raucher in den USA 2018 auf 13,7 Prozent der Erwachsenen, also etwa jeden Siebten - und damit auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Erhebungen dieser Zahlen vor rund 50 Jahren. Zigaretten waren damit weiter das am weitesten verbreitete Tabak-Produkt, wie die CDC am Donnerstag mitteilte. Weitere 3,2 Prozent der Erwachsenen benutzten E-Zigaretten, ein Anstieg von 0,4 Prozent zwischen 2017 und 2018 - vor allem, weil deutlich mehr junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren E-Zigaretten gebrauchten. Die CDC rät vom Rauchen und vom Gebrauch von E-Zigaretten ab.
Die Ursache für die Lungenschäden nach dem Gebrauch von E-Zigaretten ist laut CDC immer noch nicht abschliessend geklärt. Als eine mögliche Ursache war zuletzt ein aus Vitamin E gewonnenes Öl, ein Vitamin-E-Azetat, ausgemacht worden. «Es handelt sich um das erste Mal, dass wir eine mögliche besorgniserregende Chemikalie in Proben von Patienten mit diesen Lungenkrankheiten entdeckt haben», hatte die Behörde mitgeteilt. Es müsse aber noch weiter geforscht werden.
Vitamin E kommt natürlicherweise in verschiedenen Nahrungsmitteln wie Ölen oder Nüssen vor. Wegen seiner molekularen Struktur kann der Stoff beim Einatmen gefährlich werden. In Deutschland sind die Zusammensetzungen der Wirkstoffe von E-Zigaretten generell strenger reguliert als in den USA. Das sogenannte α-Tocopherylacetat – wie auch andere Vitamine und THC – dürfen den Liquids von E-Zigaretten nicht zugefügt werden. THC (Tetrahydrocannabinol) steckt in Cannabis und ist hauptsächlich für die berauschende Wirkung verantwortlich.
Zu den möglichen toxischen Wirkungen von α-Tocopherylacetat (Vitamin E-Acetat) sei bisher wenig bekannt, sagte Frank Henkler-Stephani vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) der Deutschen Presse-Agentur. «Bisherige Bewertungen betrafen hauptsächlich den Kosmetikbereich, weil eine unbeabsichtigte Inhalation von Vitamin-E-Acetat durch bestimmte Produkte wie Haarsprays vorkommen kann.» Dort würden aber nur sehr geringe Mengen aufgenommen und die daraus resultierenden Risiken daher als sehr gering eingeschätzt. «Die aktuellen Vorfälle in den USA stehen dagegen mit einer deutlich höheren Exposition in Verbindung.»
Vor einigen Jahren sei die Verwendung von Vitamin E-Acetat als Tabakzusatzstoff diskutiert worden, weil durch die antioxidativen Eigenschaften eine verminderte Toxizität des Tabakrauchs erwartet wurde, erklärte Henkler-Stephani. Das BfR habe sich dagegen ausgesprochen, weil keine gesundheitsfördernde Wirkung erkennbar gewesen und die gesundheitliche Unbedenklichkeit einer dauerhaften Anwendung von gerauchtem α-Tocopherylacetat nie belegt worden sei.
«Auch aktuell liegen nur wenige und zum Teil widersprüchliche toxikologische Daten zur inhalativen Aufnahme von α-Tocopherylacetat vor.» Aufgrund ihrer strukturellen Eigenschaften könnte sich die Substanz auf dem Flüssigkeitsfilm der Lungenbläschen sowie in den Membranen der Lungenepithelzellen anreichern, so Henkler-Stephani. «Bei entsprechend hohen Gehalten könnten Beeinträchtigungen des Gasaustausches sowie Gewebeschädigungen und Entzündungsreaktionen auftreten.»
Vitamin E-Acetat werde in den USA seit einiger Zeit zur Verdünnung «irregulärer» THC-haltiger Dampfprodukte verwendet, die zumeist in vorgefüllten Kartuschen erhältlich seien, erläuterte der BfR-Experte weiter. «Einige Schwarzmarktprodukte wurden von Scheinfirmen sogar unter eigenem Markennamen verkauft.»
Analysen THC-haltiger Kartuschen in Utah hätten überraschend hohe Vitamin-E-Acetat-Gehalte von 31 bis 88 Prozent ergeben. «Nach jetzigem Kenntnisstand ist anzunehmen, dass derartig hohe Dosierungen schwere respiratorische Erkrankungen auslösen können», sagte Henkler-Stephani. Die THC-Gehalte hätten in diesen Proben deutlich unter den angegeben Werten gelegen.
«Vitamin-E-Acetat ähnelt in Konsistenz und Färbung den THC-Ölen und kann sogar höherwertige Konsumeigenschaften vortäuschen.» Die Substanz scheine vorwiegend zur Streckung, also Produktmanipulation verwendet worden zu sein, «möglicherweise, um auf Lieferengpässe und Preissteigerungen für Cannabis zu reagieren».
Dass α-Tocopherylacetat auch in Deutschland in Liquids enthalten ist, sei zumindest für reguläre und rechtskonforme Produkte sehr unwahrscheinlich. «Nikotinhaltige Liquids dürfen nach den tabakrechtlichen Bestimmungen keine Vitamine enthalten», erklärte Henkler-Stephani. «Für einzelne E-Liquids wurde Vitamin E trotzdem als Inhaltsstoff gemeldet.» Ob die Produkte tatsächlich im Handel sind oder bereits beanstandet wurden, sei aber unklar. «Nach Kenntnisstand des BfR gab es in der EU bisher keine Notifizierung von Vitamin-E-Acetat-haltigen Liquids.»