US-Präsident Biden sieht Bewegung im Verhältnis zu Russland
Das Weisse Haus und der Kreml waren bemüht, die Erwartungshaltung an den Gipfel von Biden und Putin niedrig zu halten. Lösungen bei Konflikten sind nicht in Sicht. Dennoch gibt es Grund für Optimismus.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach dem Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Joe Biden und Russlands Staatschef Wladimir Putin stellt die Regierung in Washington keine schnellen Fortschritte in der Beziehung zu Russland in Aussicht.
Zwar gebe es etwas Bewegung in einigen Bereichen, sagte ein Regierungsbeamter am Mittwoch nach Abschluss der Gespräche in Genf. Es werde aber einige Zeit dauern, um zu sehen, ob dies auch tatsächlich zu Ergebnissen führe. «Das ist etwas anderes, als einen Lichtschalter umzulegen.» Putin und Biden hatten sich unter anderem darauf geeinigt, dass die USA und Russland Gespräche über Rüstungskontrolle und Cybersicherheit aufnehmen.
Konstantin Kossatschow, Vizechef des russischen Föderationsrats, lobte die Einigung beider Staatschefs auf strategische Gespräche zur Rüstungskontrolle. Ohne solche Gespräche wäre der letzte grosse atomare Abrüstungsvertrag zum Scheitern verurteilt, sagte Kossatschow nach dem Gipfel im russischen Staatsfernsehen. Nun aber bestehe die Möglichkeit, dass bis zum Auslaufen des sogenannten New-Start-Vertrages ein neues Abkommen zustande komme. «Das ist grossartig.»
Konstruktive Gespräche
Das Treffen der Präsidenten der grössten Atommächte der Welt hatte in der abgeschirmten Villa La Grange am Genfersee stattgefunden. Es war die erste Begegnung der beiden seit Bidens Amtsantritt im Januar und stand am Ende der ersten Auslandsreise des Demokraten als US-Präsident. In den Tagen zuvor war Biden in Europa mit den traditionellen amerikanischen Verbündeten zusammengekommen und hatte sich bei Spitzentreffen der sieben grossen Industrienationen (G7), der Nato und mit EU-Vertretern der Unterstützung für sein Treffen mit Putin versichert.
Das Verhältnis zwischen Moskau und Washington ist seit längerem zerrüttet. Das Gipfeltreffen fand auf Einladung Bidens statt. Die Präsidenten betonten anschliessend in getrennten Pressekonferenzen, das Gespräch sei konstruktiv gewesen. Mehrere Stunden lang war eine ganze Reihe an Themen behandelt worden: Neben Fragen der atomaren Rüstungskontrolle ging es um Menschenrechte, Konflikte in Afghanistan, Syrien und Libyen und um die von den USA beklagte Einmischung Russlands in US-Wahlen.
Meinungen zum Treffen
Der CDU-Aussenpolitiker Norbert Röttgen bewertete es als «gute Nachricht», dass Biden und Putin ins Gespräch gekommen seien. «Das ist der Anfang von Rückkehr diplomatischer Normalität, mehr war von diesem Treffen nicht zu erwarten», sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der «Augsburger Allgemeinen». Dass die Botschafter der USA und Russlands an ihren Einsatzort zurückkehren sollen, spreche für die gegenseitige Bereitschaft, am Verhältnis zu arbeiten, sagte Röttgen. Allerdings würden die «zahlreichen Konflikte alle weiter bestehen bleiben».
Der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer, sieht Biden im Umgang mit Russland auf einem guten Weg. «Der Westen muss eine gute Balance finden zwischen Druck und Dialog», sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Biden werde Putin «nichts durchgehen» lassen und spreche Missstände wie im Umgang mit der Ukraine oder den Fall des Kremlkritikers Alexej Nawalny offen an. «Putin nimmt Biden ernst, das hat man gemerkt.»
Aus Sicht des früheren US-Sicherheitsberaters John Bolton hat vor allem Putin von dem Treffen profitiert. «Ich denke, er ist als der bessere, der grössere Nutzniesser daraus hervorgegangen, einfach weil er das Treffen gehabt hat», sagte Bolton dem Sender CNN. Während Putin genau wisse, was er erreichen wolle, habe Biden kein strategisches Ziel im Kopf. «Das Weisse Haus hat die Messlatte sehr niedrig angesetzt, und sie haben es gerade so geschafft, darüber zu kommen.»
Bolton war bis 2019 Sicherheitsberater von Bidens Vorgänger Donald Trump und in dieser Funktion beim Gipfeltreffen zwischen Trump und Putin in Helsinki 2018 dabei gewesen. Trump hatte damals Erkenntnisse der amerikanischen Geheimdienste zu Einmischungen Russlands in die US-Wahlen infrage gestellt und damit seine eigenen Leute düpiert.
In offensichtlicher Anspielung auf den Kurs der USA unter Trump erklärte der demokratische US-Kongressabgeordnete Adam Schiff, es sei an der Zeit gewesen, dass ein anderer Ton gegenüber Russland angeschlagen werde. Nach dem Treffen Bidens mit Putin schrieb er auf Twitter: «Amerika ist wieder eine starke, unerschütterliche Kraft für Menschenrechte und Demokratie auf der ganzen Welt.» Putins Verhalten werde nicht länger ignoriert. Biden hatte bei seiner Pressekonferenz erklärt, dass er Putin gegenüber zu verstehen gegeben habe, dass die USA Menschenrechtsverletzungen in Russland weiter anprangern würden.
Biden betonte nach dem Gipfel, es sei entscheidend, wie es nun weitergehe. In den nächsten sechs oder zwölf Monaten werde sich zeigen, ob der strategische Dialog zur Rüstungskontrolle bedeutsam sei oder nicht, ob es eine Einigung zur Freilassung von Gefangenen gebe oder nicht, und ob eine Vereinbarung zur Cybersicherheit zustande komme oder nicht. Die USA machen russische Geheimdienste für einen massiven Hackerangriff auf Ministerien, andere Behörden und Firmen in den USA verantwortlich. Putin wies solche Vorwürfe erneut zurück.