Zukunft von TikTok in den USA in der Schwebe
Die US-Regierung will Chinas Einfluss zurückdrängen. Auf allen Gebieten. Nun nimmt Präsident Trump eine Videoplattform ins Visier, die auch in den USA extrem populär ist. Wird er sie wirklich verbieten?
Das Wichtigste in Kürze
- Nach dem angedrohten Verbot durch US-Präsident Donald Trump ist die Zukunft der internationalen Videoplattform TikTok in den USA in der Schwebe.
Trump hatte am Freitagabend in seinem Dienstflugzeug Air Force One mitreisenden Journalisten zufolge gesagt: «Was TikTok betrifft, so verbannen wir sie aus den USA.» Er habe die Befugnis dafür und könne dies mit einer Präsidentenverfügung oder einer wirtschaftlichen Notstandsermächtigung tun. Eine Ankündigung dazu stand am Sonntag aber zunächst weiter aus.
TikTok ist eine international sehr erfolgreiche Videoplattform des chinesischen Unternehmens ByteDance, die in 65 Sprachen auf 175 Märkten angeboten wird. Nutzer können dort selbsterstellte Video-Clips hochladen oder die von anderen ansehen. In Festland-China gibt es nur die zensierte Version Douyin. Bereits mehrfach hatten Vertreter der US-Regierung gewarnt, über TikTok könnten Daten von US-Bürgern in die Hände der chinesischen Kommunistischen Partei geraten. Die Führung in Peking kritisiert das Vorgehen Washingtons und spricht von grundlosen Drohungen gegen chinesische Unternehmen.
Am Freitag kursierten Gerüchte, wonach der US-Softwarekonzern Microsoft über den Kauf des US-Geschäfts von TikTok verhandele. Trump machte den mit ihm reisenden Journalisten zufolge deutlich, dass er dagegen sei. Das «Wall Street Journal» berichtete am Samstag, die fortgeschrittenen Gespräche mit ByteDance pausierten nach Trumps Äusserungen.
Der einflussreiche republikanische US-Senator und Vertraute von Trump, Lindsey Graham, schrieb am Samstag auf Twitter, er verstehe die Befürchtungen der TikTok-Nutzer. Es sei aber richtig, dass Trump sicherstellen wolle, dass die Kommunistische Partei Chinas TikTok und die privaten Daten der Nutzer nicht «besitzt». Die richtige Antwort darauf sei, ein amerikanisches Unternehmen TikTok übernehmen zu lassen. Dies sei eine «Win-win-Situation», schrieb Graham.
TikTok versichert, es gehe der Plattform um kreative Inhalte, bei der «Privatsphäre und Sicherheit» geschützt würden. «TikTok wird nicht in China angeboten», erklärte eine TikTok-Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur am Samstag. Die chinesische Regierung habe keinen Zugriff auf Nutzerdaten und habe dies auch nie verlangt. Die Nutzerdaten würden in den USA gespeichert und verarbeitet.
Nicht nur in den USA spürt TikTok Gegenwind, weswegen sich ByteDance bemüht, seine internationale Plattform von der chinesischen Version zu trennen. Nur in Hongkong war TikTok selbst aktiv, doch wurde die Plattform nach der Verkündung des umstrittenen neuen Sicherheitsgesetzes aus der Sonderverwaltungszone zurückgezogen.
Bereits Ende 2019 hatte Washington US-Militärangehörigen untersagt, die TikTok-App auf Dienst-Smartphones zu nutzen. US-Aussenminister Mike Pompeo hatte Anfang Juli eine Sperre von TikTok und anderen Apps aus China nicht ausgeschlossen. Am Mittwoch gab Finanzminister Steven Mnuchin im Beisein von Trump bekannt, dass die US-Regierung die Plattform durch den ressortübergreifenden Ausschuss zur Kontrolle von Auslandsinvestitionen in den USA (CFIUS) begutachte und dem Präsidenten darauf basierend eine Empfehlung gegeben werde.
TikTok zeigte sich am Samstag bemüht, öffentlich deutlich zu machen, was ein Verbot der Plattform in den USA bedeuten würde. In einer Videobotschaft sagte die US-Verantwortliche Vanessa Pappas, sie sei stolz auf die 1500 Mitarbeiter in den USA, die jeden Tag an der App arbeiteten, und auf die zusätzlichen 10.000 Arbeitsplätze, die TikTok in den kommenden drei Jahren in das Land bringen würde. In den USA hat TikTok nach eigenen Angaben 100 Millionen Nutzer. Die grössten TikTok-Investoren kämen aus den USA, erklärt das Unternehmen.
Nutzer des sozialen Netzwerks hatten vor einem Wahlkampfauftritt Trumps im Juni möglicherweise zu den hohen erwarteten Besucherzahlen beigetragen - bei dem am Ende zahlreiche Plätze leer blieben. Medien hatten berichtet, dass es bei TikTok koordinierte Bemühungen gegeben haben soll, sich kostenlos für ein Ticket zu registrieren, dann aber nicht zu der Veranstaltung im Bundesstaat Oklahoma zu erscheinen.
Der angedrohte TikTok-Bann durch die US-Regierung fällt inmitten erhöhter Spannungen zwischen Peking und Washington. Das Verhältnis zwischen den beiden Grossmächten ist aus chinesischer Sicht so schlecht wie seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1979 nicht mehr. Zuletzt ordneten die USA die Schliessung des chinesischen Konsulats in Houston (Texas) an, woraufhin Peking eine amerikanische Vertretung in Chengdu dichtmachte. Die Länder liegen auch wegen Chinas Umgang mit dem Coronavirus, der Handelspolitik und dem harten chinesischen Vorgehen in Hongkong und in Xinjiang im Streit.