Nicolas Maduro, der Venezuela seit dem Tod von Hugo Chavez im Jahr 2013 autoritär regiert, ist geschwächt aus dem Machtkampf hervorgegangen.
Die Wiederwahl von Staatschef Nicolás Maduro ist umstritten.
Die Wiederwahl von Staatschef Nicolás Maduro ist umstritten. - dpa

100 Tage nach der umstrittenen Wiederwahl von Nicolas Maduro ist in Venezuela eine trügerische Ruhe eingekehrt. Das sozialistische Regime schaffte es, die von der rechten Opposition angeführte Protestwelle mit knapp 30 Toten auszusitzen. Während der aussichtsreichste Gegenkandidat und selbstproklamierte Wahlsieger Edmundo Gonzalez Urrutia sich ins Exil nach Spanien absetzte, tauchte Oppositionsführerin Maria Corina Machado unter.

Dennoch ist Maduro, der das Land seit dem Tod von Hugo Chavez im Jahr 2013 autoritär regiert, geschwächt aus dem Machtkampf hervorgegangen.

Die Nicht-Anerkennung der Wahl durch zahlreiche Staaten, die dem sozialistischen Regime ideologisch nahe stehen, habe den Machthaber eindeutig geschwächt, sagte der Lateinamerika-Experte Johannes Waldmüller der APA. «Obwohl es so aussieht, als wäre das Regime einbetoniert, ist es so schwach und bewegungsunfähig wie nie zuvor.»

Aussenpolitisch war die Wahl ein Desaster für Maduro. Selbst in Lateinamerika steht Venezuela, ähnlich wie Kuba oder Nicaragua, mittlerweile weitgehend isoliert da.

Wegen einer brasilianischen Blockade scheint ein für Maduro lukrativer BRICS-Beitritt in weite Ferne gerückt. Eine Lockerung der US-Sanktionen und bessere Beziehungen zum Westen, wie von den USA noch im Sommer ins Spiel gebracht, sind ebenfalls vom Tisch.

Zehntausende Menschen strömten auf die Strassen

Während das Regime derzeit noch von den hohen Öl- und Goldpreisen profitiert, bleibt ein grosser Teil der Bevölkerung in der Armutsfalle gefangen. Viele Auswanderer schicken Geld nach Hause, um ihre Angehörigen über Wasser zu halten.

Eine Sachlage, die eigentlich für die Opposition spricht. Doch auch sie sieht Waldmüller 100 Tage nach der Wahl «entscheidend geschwächt».

Einige ihrer wesentlichen Köpfe wurden bei Protesten oder Razzien im ganzen Land verhaftet, einige seien verschwunden. Das Doppelgespann an der Spitze der Bewegung, Machado und Gonzalez, sah sich aus Sorge vor Verhaftung gezwungen, von der Bildfläche zu verschwinden.

Das nahm der Protestbewegung im Land das Momentum der Nachwahlzeit. Laut eigenen Angaben, die von Beobachtern als weit glaubwürdiger eingeschätzt werden als jene der Regierung, bekam Gonzalez bei der Wahl rund 70 Prozent der Stimmen.

In den Wochen nach der Wahl strömten deswegen Zehntausende Menschen auf die Strassen, um gegen mutmasslichen Wahlbetrug zu protestieren. Die Polizei und das Militär gingen mit harter Hand gegen die Demonstranten vor.

Laut UNO kam es zu 850 dokumentierten schweren Menschenrechtsverletzungen. «Selbst einfache Bürger, die sich auf sozialen Medien kritisch äusserten, wurden zu Hunderten verhaftet, gefoltert oder sind verschwunden», sagte Waldmüller.

Bruttoinlandsprodukt schrumpfte um 80 Prozent

Auch in zuvor Maduro-treuen Kreisen sieht Waldmüller die Stimmung im Krisenland angesichts dieser Gewalt langsam kippen. «Viele Sympathisanten der Regierung haben den nunmehr gänzlich offen autoritären Kurs des Maduro-Regimes klar erkannt oder am eigenen Leib verspürt.»

Auch politische Parteien und Bewegungen, die den Kurs der Regierung bisher mittrugen, wie die Kommunistische Partei und andere linke Gruppierungen, hätten sich von Maduro abgewandt.

Trotz aller Rückschläge sei die Protestbewegung nicht am Ende. Rund um den Jahreswechsel, vor den Parlaments- und Regionalwahlen im kommenden Jahr, könnten die Proteste wieder aufflammen, schätzte der Experte.

Die Kommunalwahlen seien «relevanter und explosiver» als die Präsidentschaftswahlen, da die lokalen Machtverhältnisse neu durchgemischt werden. Am 10. Januar soll zudem die neue, alte Regierung ihr Amt antreten. Es wird erwartet, dass sie weitgehend handlungsunfähig sein wird.

Venezuela war einst der grösste Ölproduzent Südamerikas und eines der wohlhabendsten Länder der Welt. Durch Missmanagement, den Verfall des Ölpreises und die US-Sanktionen schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt binnen zehn Jahren um 80 Prozent und die Hyperinflation machte die Landeswährung Bolivar praktisch wertlos.

Mehr als sieben Millionen Menschen – etwa jeder vierte Venezolaner – flüchtete vor der wirtschaftlichen Krise und politischer Unterdrückung.

(von Raphael Gruber/APA)

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