Alexej Nawalny: Können Cassis, Merkel und Co. ihn aus Knast holen?
Staatsoberhäupter rund um die Welt kritisieren die Verurteilung von Alexej Nawalny. Doch lässt sich Wladimir Putin unter Druck setzen? Ein Experte ordnet ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Am frühen Dienstagabend wurde Alexej Nawalny zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.
- Die Forderungen nach seiner Freilassung werden lauter – auch in der Schweiz.
- Es darf aber nicht bei verbalen Protesten bleiben, so ein Historiker der Uni Basel.
Die Verurteilung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny am Dienstag sorgte für einen internationalen Aufschrei. Der 44-Jährige wurde zu dreieinhalb Jahren Straflager verurteilt.
Die Verkündung des Urteils heizte die angespannte Lage in Russland noch weiter an. Allein in der Nacht zum Mittwoch wurden im Rahmen von Massenprotesten rund 1400 Personen verhaftet.
Staatsoberhäupter machen sich für Alexej Nawalny stark
Auch international werden Stimmen laut. Kurz nach der Verurteilung teilen Staatsoberhäupter rund um die Welt ihre Missgunst und fordern die Freilassung Nawalnys. Das Urteil gegen den Kreml-Kritiker sei «fernab jeder Rechtsstaatlichkeit», so Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron meldet sich ebenfalls zu Wort: «Die Verurteilung von Alexej Nawalny ist inakzeptabel. Ein politischer Dissens ist niemals ein Verbrechen.»
Switzerland is deeply concerned about today‘s conviction of Alexey @navalny. We call on Russia to uphold its international obligations and the principles of the rule of law. Alexey Navalny should be released immediately.
— Swiss MFA (@SwissMFA) February 2, 2021
Auch die Schweiz verurteilt die Haftstrafe des Kreml-Kritikers. So fordert das Aussendepartement von Bundesrat Ignazio Cassis die sofortige Freilassung von Alexej Nawalny. «Wir fordern Russland auf, seinen internationalen Verpflichtungen und den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit nachzukommen.»
Doch werden diese Forderungen Alexej Nawalny weiterhelfen?
Experte ist sicher: Verbale Proteste allein bringen wenig
Benjamin Schenk, Professor für Osteuropäische Geschichte an der Uni Basel, findet klare Worte: «Nein, verbale Proteste europäischer Regierungen allein werden die russische Regierung gewiss nicht zum Einlenken bringen.» Das Credo lautet somit: aktives Handeln.
Sinnvoll erschiene ihm in der aktuellen Lage ein Moratorium beim Bau von Nord Stream 2, erklärt Schenk weiter. Das deutsch-russische Pipeline-Projekt erhitzt schon länger die internationalen Gemüter – insbesondere die USA und mehrere osteuropäische Staaten forderten den Stopp des Baus.
Ebenfalls würden dem Professor zufolge gezielte Sanktionen gegen einzelne Mitglieder aus dem Netzwerk Wladimir Putins wirken. Dazu gehören etwa Einreisesperren oder das Einfrieren ausländischer Konten.
«Unmittelbar wird der internationale Protest kaum die Freilassung Nawalnys bewirken», ergänzt Schenk. «Mittel- und langfristig kann die russische Regierung diesen jedoch nicht ignorieren.»
Eine neue Generation kämpft für Russland
Massgebend für Nawalny dürfte allerdings die Protestbewegung sein, welche seine Freilassung fordert. Ob der Kreml-Kritiker entlassen wird, hängt Schenk zufolge davon ab, ob die Demonstrationen zunehmen oder wieder abflauen.
«Vielleicht wird die russische Führung auch erkennen, dass sie die politische Bedeutung Nawalnys durch das eigene repressive Handeln nur erhöht und sich damit selbst schadet.»
Generell ist diese Protestbewegung nicht zu unterschätzen, so der Historiker. Seit gut zwei Wochen finden in ganz Russland Demonstrationen statt. «Früher waren diese auf die Städte Moskau und St. Petersburg konzentriert.»
Zudem gehe Schenk zufolge heute eine neue Generation auf die Strasse. Die offizielle Fernsehpropaganda erreiche diese jungen Menschen nicht mehr – sie vernetzen und informieren sich über soziale Medien. «Sie wünschen sich ein Leben in einem Land ohne Korruption, Polizeigewalt und politischen Gefangenen.»