Bundesregierung lehnt Blockade von Mercosur-Abkommen wegen Amazonas-Bränden ab
Brasilien gerät wegen der verheerenden Waldbrände im Amazonas-Gebiet international zunehmend unter Druck: Die Bundesregierung schloss sich am Freitag der Forderung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an, das Thema auf die Tagesordnung des G7-Gipfels am Wochenende zu setzen.
Das Wichtigste in Kürze
- Berlin und Paris vor G7-Gipfel im Umgang mit Brasilien nicht einer Meinung.
Frankreich und Irland kündigten überdies eine Blockade des Freihandelsabkommens mit dem südamerikanischen Wirtschaftsblock Mercosur an. Die Bundesregierung lehnte einen solchen Schritt hingegen ab.
Der französische Präsident sei zu dem Schluss gekommen, dass der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro ihn über seine Umweltschutz-Absichten «belogen» habe, sagte ein hochrangiger Mitarbeiter Macrons. «Unter diesen Umständen lehnt Frankreich das Mercosur-Abkommen in seiner jetzigen Form ab», hiess es.
Die Regierung in Paris sieht das Mercosur-Abkommen schon länger kritisch, auch aus Sorge um französische Landwirte. Sie hatte sich Anfang Juli gegen eine rasche Ratifizierung des von der EU ausgehandelten Vertrags ausgesprochen und zusätzliche «Garantien» etwa für den Schutz des Amazonas-Regenwaldes verlangt.
Als Antwort auf die Waldbrände wollen die G7-Staaten nach Angaben Frankreichs bei ihrem Gipfeltreffen in Biarritz «konkrete Initiativen» verkünden, wie aus dem Elysée-Palast verlautete.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sei «ganz genau» wie Macron der Ansicht, dass die Lage am Amazonas auf die G7-Tagesordnung gehöre, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Schliesslich handele es sich um eine «akute Notlage des Amazonas-Regenwalds».
Macrons Vorstoss zum Mercosur-Abkommen traf in Berlin hingegen auf Ablehnung. Der Freihandelsvertrag enthalte «ein ambitioniertes Nachhaltigkeitskapitel mit verbindlichen Regelungen zum Klimaschutz», erklärte ein Regierungssprecher auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP. Ein «Nichtabschluss» sei daher «nicht die geeignete Antwort auf das, was derzeit in Brasilien geschieht».
Der Amazonas-Regenwald sei «von herausragender Bedeutung für Klimaschutz und Artenvielfalt», fügte der Regierungssprecher hinzu. «Der Nichtabschluss des Mercosur-Abkommens würde jedoch keinen Beitrag dazu leisten, dass in Brasilien weniger Regenwald gerodet wird.» Die Bundesregierung stehe «bereit, Brasilien bei den Bemühungen zur raschen Bewältigung dieser schweren Krise zu unterstützen».
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hatte zuvor die brasilianische Regierung für ihre «Politik der verstärkten Rodung» kritisiert und das Mercosur-Abkommen in Frage gestellt. Ohne Schutzgarantien für den Regenwald halte sie eine Ratifizierung für «nicht verantwortbar», erklärte die Ministerin.
Irland schloss sich derweil der Haltung Frankreichs an. Regierungschef Leo Varadkar drohte mit der Blockade des EU-Mercosur-Handelsabkommens, sollte Brasília «seine Verpflichtungen im Umweltschutz nicht einhalten». Grossbritanniens Regierungschef Boris Johnson zeigte sich ebenfalls alarmiert und nannte die Brände in Brasilien eine «internationale Krise».
Bolsonaro sagte am Freitag, er erwäge den Einsatz der Armee zur Bekämpfung der Waldbrände. Die Tendenz gehe in diese Richtung, sagte er auf die Frage, ob er das Militär in die Region schicken wolle. Eine Entscheidung werde bald fallen.
Der ultrarechte Staatschef hatte sich zuvor jegliche Einmischung aus dem Ausland verbeten. Dass Macron beim G7-Gipfel in Abwesenheit der Länder der Amazonas-Region über die Waldbrände sprechen wolle, offenbare eine «kolonialistische Mentalität». Macron wolle eine «innere» Angelegenheit Brasiliens und anderer Staaten im Amazonas-Gebiet politisch «instrumentalisieren».
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) warnte unterdessen vor «ideologisch motivierten Auseinandersetzungen» und rief dazu auf, den Kontakt zur brasilianischen Regierung nicht abreissen zu lassen. Wichtig sei, «die konkreten Massnahmen zum Regenwaldschutz» weiterzuentwickeln, sagte Müller den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
In mehreren europäischen Städten demonstrierten hunderte Menschen für den Schutz des Amazonas-Gebiets. Vor der brasilianischen Botschaft in London versammelten sich hunderte Klimaaktivisten. Auch in Berlin gingen Demonstranten die Strasse. In mehreren brasilianischen Städten waren ebenfalls Protestaktionen geplant.
Das genaue Ausmass der Waldbrände ist nur schwer zu erfassen. Laut dem brasilianischen Weltraumforschungsinstitut INPE brachen in ganz Brasilien binnen 48 Stunden fast 2500 neue Brände aus. Demnach gab es seit Jahresbeginn bereits mehr als 75.000 Waldbrände - ein Zuwachs von 84 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Hauptgrund ist die Waldrodung. Der Klimaskeptiker Bolsonaro hat dagegen wiederholt Umweltschutzgruppen für die Waldbrände verantwortlich gemacht.