Chiles Atacama-Wüste: Friedhof für gebrauchte Kleidung

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Chile,

Chile importierte dieses Jahr bis Oktober rund 29'000 Tonnen Altkleider. Doch nur rund 60 Prozent davon werden verwendet, der Rest landet in der Atacama-Wüste.

Atacama-Wüste
Gebrauchte Kleidungsstücke liegen in einer Müll-Deponie in der Atacama-Wüste. Foto: Antonio Cossio/dpa - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Chile ist einer der grössten Importeure von Altkleidern in Lateinamerika.
  • Doch rund 40 Prozent der importierten Kleidungsstücke werden aussortiert.
  • Diese werden dann in der Atacama-Wüste entsorgt.

In China produziert, in Europa konsumiert und in Chile entsorgt? Tausende Tonnen Second-Hand-Klamotten kommen in Chile im Jahr an. 40 Prozent werden aussortiert und landen in der trockensten Wüste der Welt, der Atacama-Wüste. Dort wächst ein gigantischer Kleiderberg.

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Der Kleiderberg ist der Atacama-Wüste. Foto: Antonio Cossio/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ - dpa

Alle paar Jahre, wenn besonders viel Regen fällt, verwandelt sich der trockenste Ort der Welt in eine Art blau-lila Blütenmeer. Die Farbkleckse, die sich nun bei Alto Hospicio durch die Atacama-Wüste im Norden Chiles ziehen, sind jedoch keine duftenden Blumen. Es sind gebrauchte Klamotten. Tausende Hosen, T-Shirts und Pullover stapeln sich und bilden selbst Berge, verschandeln die hügelige Landschaft.

29 178 Tonnen gebrauchte Kleidung

Chile ist einer der grössten Importeure von Altkleidern in Lateinamerika. In der nahe gelegenen Freihandelszone von Iquique kamen in diesem Jahr bis Oktober 29 178 Tonnen gebrauchter Kleidung an. Das sagt der Geschäftsführer des Verbandes der dort ansässigen Unternehmer, Darío Blanco, der Deutschen Presse-Agentur.

Ballenweise wird die Ware im Hafen entladen. Etwa 50 Importeure verkaufen die besten Stücke daraus, die anderen - schätzungsweise 40 Prozent - sortieren sie aus. «Diese Kleidung wird in den Bergen unserer Gemeinde entsorgt», sagt Alto Hospicios Umweltbeauftragter Edgar Ortega der dpa. Bis zu 20 Tonnen alter Kleider landen so pro Tag in der Atacama-Wüste, seit Jahren geht das so.

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Rund 40 Prozent der importierten Kleidungsstücke werden aussortiert. Foto: Antonio Cossio/dpa - dpa

Die grösste Herausforderung für die Modeindustrie sei die Abfallmenge, die durch Fast Fashion entsteht. Das heisst es in einer Mitteilung der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Die Bewohner von Alto Hospicio sehen sich dabei als Ende einer Kette. In China wird produziert, in Europa oder den USA konsumiert und in Chile, vor allem in der Atacama-Wüste, entsorgt.

Dass dies in der Atacama-Wüste geschieht, deute auf die Vorstellung hin, dass die Wüste ein leerer Ort sei. «Im Rahmen unserer Kampagne wollen wir zeigen, dass die Atacama-Wüste voller Leben ist. Und damit ein Bewusstsein für nachhaltigen Einkauf schaffen.» Das sagt die Chile-Expertin von Greenpeace, Estefanía González.

Alto Hospicio kann Abladen in Atacama-Wüste nicht verhindern

Die Stadt Alto Hospicio ist laut Ortega finanziell und personell kaum in der Lage, das Abladen zu verhindern. Geschweige denn die Mülldeponie zu beseitigen. Gerade einmal fünf Inspektoren würden versuchen, jene zu erwischen, die die Altkleider in die Wüste kippen.

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Eine Frau sucht unter einem Berg gebrauchter Kleidern in einer Müll-Deponie ein Kleidungsstück. Foto: Antonio Cossio/dpa - dpa

«Das Problem entsteht viel früher», sagt Ortega. Die Kleidung aus anderen Ländern ist nicht als Textilmüll deklariert. Damit sei nicht klar, wie die aussortierte Importware entsorgt werden soll. «Solange das nicht gelöst ist, werden wir die Situation nicht ändern.»

Camila Palma schmerzt es, wenn Kleidung als Müll bezeichnet werden soll. Palma ist Inhaberin von einem der vielen Second-Hand-Läden in der Hauptstadt Santiago de Chile. Weil grosse Konkurrenz herrscht, haben sich viele Läden spezialisiert. «Angora Vintage» im Viertel Paris-Londres im Stadtzentrum etwa vor allem auf Mode der 60er, 70er und 80er Jahre.

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Es muss nicht immer brandneu sein: Second-Hand und Vintage-Kleidung sind schwer angesagt. Foto: Stefan Sauer/dpa-Zentralbild/dpa - dpa-infocom GmbH

Inhaberin Palma schwärmt am Telefon von Kleidung Made in Germany. «Es gibt sehr gute Qualität, gute Fasern, gute Stoffe; wie ein Kleidungsstück gemacht wird, das gefällt mir», sagt sie der dpa. Camila weiss, wovon sie spricht: Die 35-Jährige hat Modedesign studiert. «Angora Vintage» kauft auch keine Ballen, sondern die Stücke werden einzeln auf Märkten und Messen ausgesucht.

Nachhaltiges Leben ohne Polyester

«Jetzt ist viel Plastik in der Kleidung, das ist das Problem», sagt Palma. Sie wählt lieber alte Teile aus 100 Prozent Baumwolle. Damit verschmutzt ein Kleidungsstück nicht jedes Mal, wenn es gewaschen wird, die Umwelt.

«Das ist sehr wichtig, um einen nachhaltigen Laden zu haben», sagt Palma. Ein einziges Teil aus Polyester kann laut Greenpeace bei einer Wäsche bis zu einer Million Mikroplastikfasern freisetzen.

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Mikroplastik-Teilchen kleben im Leibniz-Institut für Ostseeforschung (IOW) an einem Klebestreifen an einem Finger. - dpa

In Alto Hospicio wird die Umwelt ausserdem verschmutzt, wenn die Kleidung angezündet wird, um Platz zu schaffen. «Für gewöhnlich ist es ein grosser Brand im Jahr», sagt der Umweltbeauftragte Edgar Ortega. Die Feuerwehr versuche mit Wasser zu löschen, aber der Brand schwele noch Tage weiter.

All dies mag nicht so recht zu Chile passen, das in vielerlei Hinsicht fortschrittlich in Lateinamerika ist. Das Land hat sich etwa von Plastiktüten in Geschäften verabschiedet oder verfügt über ein Recycling-Gesetz nach dem Vorbild Europas. Es verpflichtet Unternehmen, sich um den Müll zu kümmern, den sie erzeugen. So hat man in Alto Hospicio eine Arbeitsgruppe mit dem Umweltministerium gebildet, um gebrauchte Kleidung in dieses Gesetz aufzunehmen.

Importeure müssen Verantwortung übernehmen

Über eine gesetzliche Verpflichtung hinaus appelliert Blanco an die Importeure, unternehmerische Verantwortung für das Müllproblem zu übernehmen. «Wir werden die Formel suchen, um die aussortierte Kleidung wiederzuverwerten.»

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Gebrauchte Kleidungsstücke liegen in einer Müll-Deponie in der Wüste. Foto: Antonio Cossio/dpa - dpa

Das Unternehmen Ecofibra in Alto Hospicio macht aus Altkleidern bereits Isoliermaterial. Bisher kann es drei Tonnen am Tag verarbeiten. Blanco schwebt vor, dass die Importeure beispielsweise mehr Maschinen für Ecofibra bereitstellen oder sich um Alternativen bemühen. «Klar ist: Sie müssen sich dessen annehmen, was übrig bleibt, sie können es nicht weiter wegschmeissen.»

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