Chiles Präsident strebt parteiübergreifendes Vorgehen gegen sozialen Aufruhr an
Angesichts der Unruhen in Chile strebt Präsident Sebastián Piñera ein parteiübergreifendes Vorgehen zur Beendung der gewalttätigen Proteste an. Piñera kündigte an, er werde sich am Dienstag mit Vertretern der Regierungs- und Oppositionsparteien zusammensetzen, um eine «soziale Übereinkunft» zur Überwindung der bestehenden Probleme zu finden.
Das Wichtigste in Kürze
- Zahl der Festnahmen auf weit über 2600 gestiegen - mindestens 15 Tote.
Derweil stieg die Zahl der Toten laut Regierung auf 15 Menschen.
Piñera sagte, Ziel des Treffens sei es, «eine soziale Übereinkunft auszuarbeiten, die es uns allen gemeinsam ermöglichen wird, schnell, effizient und verantwortungsbewusst bessere Lösungen für die Probleme der Chilenen zu finden». Damit schlug er einen versöhnlicheren Ton an als zuvor. Am Wochenende hatte er noch erklärt, sein Land befinde sich «im Krieg gegen mächtige, unerbittliche Feinde».
Nach den zum Teil gewalttätigen Protesten korrgierte die Regierung die Zahl der Toten am Dienstag nach oben. Unter anderem seien elf Menschen im Zusammenhang mit Plünderungen und Brandstiftungen getötet sowie drei erschossen worden, teilten die Behörden mit. Die Zahl der verletzten Zivilisten wurde mit 239 angegeben, daneben gab es rund 50 verletzte Polizisten und Soldaten. Die Zahl der Festgenommenen sei zudem auf mehr als 2600 gestiegen, hiess es.
Am Montag waren die Sicherheitskräfte - fast 10.000 Beamte waren im Einsatz - erneut mit Tränengas und Wasserwerfern gegen die protestierenden Menschen vorgegangen. Die Demonstranten forderten unter anderem den Rücktritt von Präsident Piñera. Es kam erneut zu Plünderungen, Brandstiftungen und Vandalismus.
In der Hauptstadt Santiago und weiteren Regionen Chiles wurde der Ausnahmezustand verhängt, in Santiago galt weiterhin eine nächtliche Ausgangssperre. Die Regierung setzte die Armee ein, um für Sicherheit zu sorgen. Dutzende Flüge wurden gestrichen, Börsenkurse sanken, Schulen und Universitäten blieben geschlossen. Das öffentliche Verkehrsnetz kam teilweise zum Erliegen.
Der Grünen-Aussenpolitiker Omid Nouripour appellierte angesichts der Lage in Chile an die Bundesregierung, ein «sofortiges Ende der Gewalt» zu fordern. Es sei die Aufgabe des chilenischen Präsidenten, sich der Probleme seines Landes anzunehmen, «anstatt mit unbedachter Kriegsrhetorik die Gemüter noch weiter zu erhitzen».
Die gewaltsamen Protestaktionen hatten am Freitag begonnen und sich zunächst gegen den Anstieg der Ticketpreise im öffentlichen Nahverkehr gerichtet. Sie weiteten sich jedoch innerhalb kürzester Zeit zu einem generellen Protest gegen soziale und wirtschaftliche Probleme aus. Hintergrund ist die tiefe Kluft zwischen Arm und Reich in dem südamerikanischen Land.
Chile, das als eines der stabilsten Länder Lateinamerikas gilt, hat das höchste Pro-Kopf-Einkommen der Region. Das Wirtschaftswachstum wird in diesem Jahr auf 2,5 Prozent geschätzt, die Inflation liegt bei lediglich zwei Prozent. Bei einem grossen Teil der Bevölkerung kommt von dem positiven Wirtschaftstrend jedoch wenig an. Angesichts steigender Gesundheits- und Lebenshaltungskosten sowie niedriger Renten ist die Frustration gross.