Coronavirus in China: «Ein Rennen gegen den Tod»

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China,

Tote und Kranke liegen nebeneinander. Die Realität kollidiert mit der Propaganda. Der Bau von zwei Behelfskliniken in nur zwei Wochen soll Leistungsfähigkeit demonstrieren. Aber es reicht alles noch nicht.

Ein Mitarbeiter steht zwischen Feldbetten, die in einem Kongresszentrum in Wuhan aufgestellt wurden. Es fehlen Betten zur Behandlung von Infizierten. Foto: -/CHINATOPIX/AP/dpa
Ein Mitarbeiter steht zwischen Feldbetten, die in einem Kongresszentrum in Wuhan aufgestellt wurden. Es fehlen Betten zur Behandlung von Infizierten. Foto: -/CHINATOPIX/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • «Es ist vorbei.

Er kann nicht atmen», sagt die Frau verzweifelt. Ihr Vater liegt in dem Krankenbett im Hospital Nr. 5 der Metropole Wuhan. «Es gibt keine Lebenszeichen mehr.»

Der Blogger Fang Bin zeichnet die traurige Szene auf Video auf. Vor dem Krankenhaus filmt er in einem Kleinbus acht gelbe und orange Säcke mit Leichen. Er will die Wahrheit in den überfüllten Krankenhäusern der schwer von der Lungenkrankheit betroffenen Provinzhauptstadt von Hubei ans Tageslicht bringen, stellt seine Erlebnisse ins Internet.

Am selben Abend klingelt es an der Tür. Männer in Schutzanzügen geben vor, vom Gesundheitsamt zu sein, dringen in seine Wohnung ein. Sie wollten seine Temperatur messen, weil er an dem Tag vier Krankenhäuser besucht habe. «Sie sind an gefährlichen Orten gewesen.» Nach einigem Gerangel nehmen sie Fang Bin, seinen Laptop und sein Handy mit auf die Polizeistation. Er wird verhört, bedroht.

Gegen Mitternacht werden die Beamten plötzlich nett - seine Videoclips haben sich im Internet verbreitet wie ein Lauffeuer. Freunde und Anwälte rufen bei Gesundheitsämtern an, suchen ihn. Die Polizei lässt Fang Bin laufen. Er schildert seine Erlebnisse wieder in Videos, die er ins Internet hochlädt.

Seine Aufnahmen von überforderten Krankenhäusern, Patienten mit Infusionen oder in Betten liegend in vollen Gängen sind kein Einzelfall. Ein anderes Video auf Twitter zeigt die gleichen gelben und orangen Leichensäcke in einem unbekannten Hospital in Wuhan auf dem Boden direkt neben Betten mit Kranken - selbst auf Sitzen im Wartesaal, wo auch Patienten warten. In Schutzanzügen vermummte Krankenpfleger können sich gar nicht um alles kümmern.

Ganz anders dagegen die Propagandaaufnahmen vom Einzug der ersten Patienten in die zwei - in weniger als zwei Wochen hoch gezogenen - Behelfskrankenhäuser. Vier, fünf Ärzte oder Krankenpfleger kümmern sich um jeweils einen Patienten, der aufgenommen wird. So wollen die Bilder im Staatsfernsehen suggerieren, dass das System funktioniert.

In Windeseile in weniger als zwei Wochen wurden die Nothospitäler in Schnellbauweise mit Fertigteilen rund um die Uhr gebaut. Schon die Bilder von den bunten Baggern, die anfangs den Platz ebneten, gingen um die Welt. Über 4000 Arbeiter waren rund um die Uhr beschäftigt. Solch revolutionärer, heldenhafter Einsatz hat in China Tradition.

«Zeit ist Leben», zitiert die Tageszeitung «China Daily» den Zulieferer Chen Ye, der Schnellbauteile für das Gebäude geliefert hat. «Es ist ein Rennen gegen den Tod.» Er war schon an den Rettungsarbeiten nach dem schweren Erdbeben mit mehr als 70.000 Toten 2008 in der Provinz Sichuan beteiligt.

Räumte das Politbüro diese Woche erstmals «Unzulänglichkeiten und Defizite» in der Reaktion auf den Ausbruch der Lungenkrankheit ein, sollte bei den Bauten auch die Leistungsfähigkeit des kommunistischen Systems demonstriert werden. Betonmischer standen Schlange, ebenso Lastwagen mit medizinischen Geräten, Betten, Klimaanlagen und anderen elektrischen Gerätschaften. Fehlen sonst Schutzanzüge, Mundschutz und Gummihandschuhe - hier wird scheinbar aus dem Vollen geschöpft.

Das erste Hospital, das am Montag eröffnet wurde, hat 1000 Betten auf 34.000 Quadratmetern. Jedes Zimmer sei mit zwei Betten, separatem Badezimmer, Dusche, Fernseher und Klimagerät ausgestattet, schildern Staatsmedien. Festnetz, Glasfaser - es gebe sogar schnelles Internet nach dem modernsten 5G-Mobilfunkstandard. 1400 Ärzte und Pfleger der Volksbefreiungsarmee sollen sich um die Patienten kümmern.

Das erste Nothospital heisst «Huoshenshan», «Berg des Feuergottes» - das zweite «Leishenshan», «Berg des Donnergottes». Nach dem Volksglauben sollen die beiden Götter helfen, Krankheiten zu bekämpfen. Viel ärztliches Personal übernimmt am Mittwoch das zweite Behelfskrankenhaus mit 1400 Betten auf über 75.000 Quadratmetern.

Wuhan allein zählt allerdings schon mehr als 8000 Infizierte, die ganze Provinz fast 17.000. Da müssen schnell mehr Betten her. So werden das internationale Ausstellungszentrum, das Tagungszentrum Wuhan Parlor sowie das Hongshan-Stadion in Lazarette mit Tausenden Feldbetten für Patienten mit milden Symptomen umgebaut.

Nach einer Sitzung der Führungsgruppe im Kampf gegen die Lungenkrankheit unter Leitung von Premier Li Keqiang in Peking wird am Mittwoch auch angekündigt, «einige Hotels, Stadien und Trainingszentren» in Krankenlager umwandeln zu wollen. Allen ist klar: Die Zahl der Erkrankten wird noch steigen - denn der Höhepunkt der Epidemie ist noch längst nicht erreicht.

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