Der grosse Hype: K-Pop als perfekte Popmaschine
K-Pop aus Südkorea elektrisiert vor allem Teenies - auch in Deutschland. Bei einem Festival in Mannheim werden die schillernden Stars bejubelt - doch hinter der Fassade geht es oft weniger glamourös zu.
Das Wichtigste in Kürze
- Im deutschen Jugendzimmer wird die Übersetzungssoftware bemüht, hartgesottene Fans belegen Sprachkurse, um die Texte zu verstehen: Boy- und Girlgroups aus Südkorea feiern seit Jahren auch weit über die Landesgrenzen hinaus riesige Erfolge.
Mit perfekt sitzenden Choreographien tanzen sie sich in die Herzen der überwiegend jugendlichen Fans.
Was etwa in den 90er Jahren in Südkorea begann, schwappte in andere Länder Asiens, irgendwann auch in die USA und Europa: K-Pop. Im Ausland werden mit koreanischer Popmusik vor allem Bands wie BTS und Blackpink verbunden. Für Aussenstehende tummelt sich in der Branche eine fast unüberschaubare Schar von Gruppen und Sängern, in deren Lieder Rap-, Rock- und Techno-Elemente einfliessen.
Nicht so für Fans. «Wie die Idole mit uns interagieren, das ist mehr als Fans und Stars», sagt die 20 Jahre alte Beyza, Anhängerin der Boygroup Monsta X: «Das könnten meine Freunde sein.» Über Apps findet der Austausch mit den Künstlern, aber auch der Fans untereinander statt. Je nach favorisierter Band tragen die stolz Kosenamen: Army (übersetzt: Armee) heisst der Fanclub von BTS, Monbebe (mein Baby) werden die Anhänger von Monsta X genannt - die siebenköpfige Boygroup spielte am Wochenende bei einem K-Pop-Festival in Mannheim.
Tausende, zumeist weibliche Fans sind für die Band gekommen, darunter Paulina Golovanow. Vor Jahren hatte sie YouTube-Videos aus Südkorea gesehen und war begeistert: «Die waren bunt und ganz anders als das, was aus Amerika kommt.» In den Texten gehe es nicht nur um Liebe und Party, sondern auch um gesellschaftliche Probleme, etwa Depression oder Mobbing. Aber auch die Tanzeinlagen überzeugten die 21-Jährige.
Dahinter stecke jahrelanges Training, sagt die Chefredakteurin des deutschsprachigen Szenemagazins K*bang: «Das Prinzip ist eigentlich ganz simpel. Es gibt in Südkorea vor allem drei grosse Labels und die investieren quasi von jungen Jahren in ihre Künstler», so Isabelle Opitz. «Die bewerben sich teilweise schon mit zwölf Jahren oder jünger.» Etwa bis zur Volljährigkeit würden sie dann ausgebildet: Gesangs- und Tanzstunden, Verhalten in der Öffentlichkeit. «Wenn eine neue Gruppe kommt, ist die fertig.»
Die Shows von Monsta X, Cosmic Girls und KARD laufen am Samstagabend in Mannheim reibungslos. Die eingängigen Refrains, egal ob auf Englisch oder Koreanisch, werden lauthals mitgesungen. Die Ansprachen nach jedem Song euphorisieren das Publikum - es geht auch darum, welches das leckerste koreanische Essen ist und warum man das Land bereisen sollte. Die Koreanische Tourismuszentrale veranstaltet das Finger Heart Festival mit, zu Beginn sprechen der Vizepräsident der Behörde und ein Generalkonsul.
K-Pop ist Südkoreas Exportschlager, erklärt Chefredakteurin Opitz. Eine Pop-Maschine, angeheizt von der Regierung und perfekt justiert. Die jungen Musiker unterwerfen sich freiwillig, in der Regel mit kräftiger Unterstützung der Eltern, einem strengen, vertraglich geregelten Trainings-Regiment. «In dich wird investiert, du machst Schulden in der Zeit», so Opitz. Die Kosten müssten abgestottert werden: «Bei dubiosen Labels ist es tatsächlich so, dass Künstler teilweise jahrelang auftreten, ohne jemals Geld zu bekommen.»
2009 hatte die Kommission für fairen Handel «standardisierte Verträge» vorgelegt, um Konditionen zu verbessern, darunter kürzere Laufzeiten. Während der Ausbildung gebe es kaum Privatsphäre, erzählt Opitz. «Man darf oft keine Handys nutzen und muss das Gewicht halten. Man darf keine Beziehung führen». Die Schattenseiten sind Fans bekannt. «Viele sagen zu den Stars, ihr müsst euch mal ausruhen. Aber es war auch ihr Traum», sagt Golovanow. Ihre Freundin, Patricia Wetterauer, ebenfalls 21, fügt hinzu: «Man fühlt mit. Aber sie wissen, wo ihre Grenzen sind. Und sie sagen, dass sie das für uns machen.»
Keine der Festival-Bands stand für ein direktes Interview zur Verfügung. Monsta X schickte schriftliche Antworten: «Als wir gerade unser Debüt hatten, wollten wir Sänger sein, weil wir einfach nur Musik liebten», heisst es. «Jetzt ist das anders. Wir gehen jetzt auf die Bühne und machen unsere Musik für unsere Fans, die auf uns warten und uns ihre Liebe geben.»
Die perfekte Inszenierung gelingt zwar auf der Bühne, aber nach einer Reihe von Skandalen um Sex, Drogen oder illegales Glücksspiel, bröckelt die glitzernde Fassade des K-Pop. Während in Deutschland und anderswo die Popularität wächst, lässt sich in den südkoreanischen Medien derzeit genau verfolgen, auf welchem Stand die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei gegen Popstars oder Vertreter von Plattenlabels sind.
Trotz aller Eskapaden hat K-Pop auch in seiner Heimat nach wie vor grosse Bedeutung. In der Zehn-Millionen-Metropole Seoul, die Zentrum des K-Pop ist, ist die Musik von BTS und anderen Bands sowie Einzelinterpreten in Cafés, Supermärkten und in Boutiquen der Einkaufsstrassen täglich zu hören.