Ein schweres Erdbeben verwüstete weite Teile Afghanistans. Viele erleiden aktuell schwere Schicksalsschläge.
Erdbeben Afghanistan
Unzählige Helfer sind im Einsatz, um mit den Folgen des schweren Bebens umzugehen. - Keystone

Es sind schaurige Szenen, an die sich der Afghane Abdul Rahim erinnert. Der Schmerz sitzt tief, mit einem gebrochenen Bein liegt der junge Mann nach den verheerenden Erdbeben in einem Krankenhauszelt in der Provinzhauptstadt Herat.

Doch vor allem seelische Spuren dürfte die Katastrophe hinterlassen haben. Am Wochenende verlor er zehn Familienmitglieder. Sein Dorf lag im besonders schwer betroffenen Bezirk Sindadschan.

«Ich war mit meinem Bruder im Haus. Wir wollten das Mittagessen servieren. Es war eine sehr schreckliche Szene», erzählt der 19-Jährige. «Unbeschreiblich», sagt Abdul, wenn er über die Beben spricht. «Unsere Liebsten starben vor unseren Augen. Mein Bruder, dessen Rücken gebrochen ist, war bewusstlos», erinnert sich der Mann an die Momente des Grauens. Der Rest der Familie wurde unter den Trümmern begraben. Die Geschwister stöhnten und schrien vor Schmerz. «Wir konnten ihnen nicht helfen.»

Erdbeben der 6,3 erschüttern Afghanistan

Am Samstagmorgen schreckten mehrere Erdbeben Bewohner nahe dem Iran auf. Selbst 300 Kilometer entfernt in der Millionenmetropole Maschhad wackelten am Samstag die Wände. Wenige Tage nach dem Erdbeben gibt es kaum noch Hoffnung auf Überlebende. Rund 20 Dörfer in den schwer betroffenen Erdbebengebieten wurden völlig zerstört, Häuser dem Erdboden gleichgemacht. Am Montag noch gruben Helfer und Mitarbeiter der Rettungsdienste mit Bulldozern, Schaufeln und blossen Händen nach Opfern.

Doch von den Gebäuden ist kaum etwas übrig geblieben, kein Spalt, in dem Überlebende ausharren und auf Hilfe hoffen konnten. Die beiden schwersten Beben am Samstag hatten laut der US-Erdbebenwarte USGS eine Stärke von 6,3. Nach Jahrzehnten des Konflikts in Afghanistan ist das Land kaum gegen Erdbeben gewappnet, vor allem nicht in Dörfern mit einfacher Bauweise. Immer wieder ereignen sich schwere Beben in der Region, besonders am Hindukusch, wo die Indische und die Eurasische Platte aufeinandertreffen.

Fast 2500 Tote

In Afghanistan sind laut Medienberichten fast 2500 Todesopfer zu beklagen, wie der afghanische Sender Tolonews berichtete. Mehr als 2000 weitere Menschen seien in der Provinz Herat verletzt worden. Es wird immer noch befürchtet, dass die Opferzahlen steigen. Das UN-Nothilfebüro OCHA war am Sonntag von mehr als 1000 Toten ausgegangen. Unabhängig bestätigen lassen sich die Zahlen nicht, wohl auch, weil immer noch Opfer unter den Trümmern liegen und die Bergungsarbeiten schwer vorankommen.

Die Taliban-Regierung kündigte bereits einen Wiederaufbau an. Vize-Regierungschef Abdul Ghani Baradar rief seine Regierung dazu auf, Spenden an die in Not geratenen Erdbebenopfer zu verteilen. Seit mehr als zwei Jahren sind die Taliban wieder an der Macht, das Land ist wegen seiner repressiven Politik, die vor allem Frauen und Mädchen diskriminiert, international politisch isoliert.

Im Krankenhaus in Herat erinnert sich Abdul an sein Dorf, von dem kaum etwas übrig ist. «Nicht einmal mehr ein Meter Mauer», sagt der junge Mann. Die Verzweiflung steht ihm ins Gesicht geschrieben. «Wir haben kein Zuhause mehr. Alles, was wir hatten, ist zerstört und liegt unter den Trümmern.»

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