Gewalt

«Exzessive Gewalt»: Entsetzen nach Stadion-Massenpanik in Indonesien

Keystone-SDA
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Indonesien,

Eine der schlimmsten Stadion-Katastrophen in der Geschichte des Fussballs hat weltweit für Entsetzen gesorgt und scharfe Kritik am Verhalten der indonesischen Sicherheitskräfte ausgelöst. Bei der Massenpanik im Kanjuruhan-Stadion auf der Insel Java sind am Wochenende mindestens 125 Menschen ums Leben gekommen, etwa 300 weitere wurden teils schwer verletzt. Erschütterte Reaktionen kamen unter anderen vom Weltverband FIFA, UN-Generalsekretär António Guterres und Papst Franziskus. FIFA-Präsident Gianni Infantino sprach von einer «Tragödie jenseits aller Vorstellungskraft».

Massenpanik Indonesien
Vor dem Kanjuruhan-Stadion wurden in Gedenken an die Opfer Blumen gestreut. Trisnadi/AP/dpa - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Regierung in Jakarta berief am Montag eine Sondersitzung mit hohen Sicherheitsbeamten ein und kündigte anschliessend die Einsetzung eines unabhängigen Expertenteams zur Klärung der Hintergründe an.

Das «Joint Independent Fact Finding Team» werde aus Regierungsbeamten, Vertretern des Fussballverbandes, Experten und Journalisten bestehen, sagte Sicherheitsminister Mohammad Mahfud. Die Regierung habe zudem die Nationalpolizei angewiesen, umgehend gegen Personen zu ermitteln, die für die tödliche Panik verantwortlich sein könnten.

Denn die Frage steht im Raum, warum die Polizei auf dem mit Menschen überfüllten Platz überhaupt Tränengas eingesetzt hat. Die meisten Opfer sind an Sauerstoffmangel gestorben oder wurden bei dem panischen Versuch, die Notausgänge zu erreichen, zu Tode getrampelt. Bilder von Fotografen vermitteln einen Eindruck vom ungeheuren Ausmass des ganzen Chaos: demolierte Polizeiautos im Stadion, brennende Gegenstände, Rauchschwaden und Menschen, die entweder tot oder schwer verletzt vom Platz getragen werden.

Die Tragödie ereignete sich in der Provinz Ost-Java bei der Partie zwischen Arema Malang und Persebaya Surabaya. In dem voll besetzten Stadion befanden sich etwa 42 000 Menschen. Alle waren Arema-Anhänger. Weil zwischen den beiden Teams eine heftige Rivalität herrscht, ist es Fans verboten, das Stadion des jeweils anderen Vereins zu besuchen - eben um Krawalle zu vermeiden.

Im Anschluss an die 2:3-Heimniederlage von Arema hatten Tausende den Platz des Kanjuruhan-Stadions gestürmt. Offenbar wollten sie bei Spielern und Trainern ihrem Ärger Luft machen. Einsatzkräfte in voller Schutzmontur reagierten mit massivem Einsatz von Tränengas und versuchten, die Fans mit Schlagstöcken zurückzudrängen.

«Das Beunruhigendste ist, dass diese Katastrophe hätte verhindert werden können, wenn die Polizei solch exzessive, unnötige Gewalt vermieden hätte», kommentierte die Zeitung «Jakarta Post» und fügte hinzu, jemand müsse für diese «dunkle Episode im indonesischen Fussball» zur Rechenschaft gezogen und notfalls auch vor Gericht gestellt werden.

UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich schockiert und forderte die Behörden dringend auf, «diesen Vorfall unverzüglich und gründlich zu untersuchen und alle erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, um eine Wiederholung einer solchen Tragödie zu vermeiden». Papst Franziskus äusserte sich ebenfalls tief erschüttert. «Ich bete auch für diejenigen, die bei den Zusammenstössen nach einem Fussballspiel in Malang, Indonesien, ihr Leben verloren haben und verletzt wurden», sagte er am Sonntag nach dem Angelus-Gebet vor Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom.

Viele sehen nun die Zukunft des fussballverrückten Landes als Austragungsort von sportlichen Grossereignissen in Gefahr - speziell mit Blick auf die U20-Weltmeisterschaft, die im kommenden Jahr in dem Inselstaat ausgetragen werden soll. Auch hat sich Indonesien um die Asien-Fussballmeisterschaft 2023 beworben. «Die Folgen der Malang-Tragödie werden weitreichend sein», prognostizierte die «Jakarta Post». Dem Land drohe ein Verbot, internationale Wettbewerbe auszurichten, «hauptsächlich wegen des Einsatzes von Tränengas, das laut FIFA-Reglement strengstens verboten ist».

Es müssten sowohl die Polizeikommandeure als auch einfache Beamte zur Rechenschaft gezogen werden, forderte Phil Robertson, stellvertretender Asien-Direktor der Organisation «Human Rights Watch». Auch er betonte: «Die FIFA-eigenen Regeln verbieten die Verwendung von »Massenkontrollgas« in Stadien.» Allerdings können lokale Behörden und nationale Verbände bei ihren Wettbewerben selbst über die Regeln für die Sicherheit entscheiden, das FIFA-Reglement gilt dann nur als Empfehlung.

Die Clubs Arema und Persebaya drückten den Opfern und ihren Familien ihr Mitgefühl aus. «Arema FC spricht tiefes Beileid für die Katastrophe in Kanjuruhan aus. Das Management von Arema FC ist auch für den Umgang mit den Opfern verantwortlich, sowohl für die Toten als auch für die Verletzten», sagte Vereinschef Abdul Haris. «Bei den Familien der Opfer entschuldigt sich das Management von Arema FC zutiefst und ist bereit, eine Entschädigung zu leisten.»

Der indonesische Verband setzte den Spielbetrieb in der ersten Liga zunächst für eine Woche aus. Arema wurde die Austragung von Heimspielen für den Rest der Saison untersagt. Die Bilanz der Massenpanik ist eine der dramatischsten der Fussball-Geschichte. 1964 starben bei einem Spiel zwischen Peru und Argentinien in Lima mehr als 300 Menschen. 2001 wurden in Ghanas Hauptstadt Accra bei einer Massenpanik 126 Menschen totgetrampelt. In Europa kamen 1989 bei der Katastrophe von Hillsborough 96 Fans des FC Liverpool ums Leben, mehr als 700 wurden verletzt.

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