Fünfte Wahl in Israel: Kommt «Bibi» wieder?
am Dienstag (1. November) mithilfe des rechtsextremen Lagers ein Comeback gelingt oder der liberale Ministerpräsident Jair Lapid sein Amt verteidigen kann. Dem dritten Kandidaten, Verteidigungsminister Benny Gantz, werden nur geringe Chancen eingeräumt. Die Wahl in dem Land mit nur 9,4 Millionen Einwohnern wird international mit grossem Interesse verfolgt.
Das Wichtigste in Kürze
- Es droht erneut ein politisches Patt
Den Umfragen zufolge dürfte Netanjahus Likud wieder stärkste Partei werden, gefolgt von Lapids Zukunftspartei, die in der politischen Mitte angesiedelt ist. Entscheidend ist jedoch, wer sich eine Mehrheit von mindestens 61 der 120 Abgeordneten im Parlament (Knesset) sichern kann. Wie bei allen Wahlen seit 2019 ist wieder mit einem sehr knappen Ausgang zu rechnen. Es könnte erneut zum Patt zwischen dem Netanjahu-Lager und seinen Gegnern kommen.
Als möglicher Königsmacher gilt diesmal die Religiös-Zionistische Partei von Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir. Das rechtsextreme Bündnis könnte nach den Umfragen zur drittstärksten Kraft aufsteigen.
Bündnis Netanjahus mit rechtsextremen Kandidaten?
Der wegen Korruption angeklagte Netanjahu hat vermutlich nur eine Chance auf eine Mehrheit, wenn er ein Bündnis mit Smotrich und Ben-Gvir eingeht. Andere Politiker aus dem Mitte-Rechts-Lager – die eigentlich «natürliche Partner» Netanjahus wären – hat der 73-Jährige über die Jahre verprellt.
Ausgerechnet der rechtsextreme Ben-Gvir, der immmer wieder als politischer Brandstifter auftrat, will nun Minister für Innere Sicherheit werden. Er wurde wegen rassistischer Hetze verurteilt und spricht sich für die Ausweisung von Arabern aus, «die gegen den Staat Israel sind». Immer wieder wird ihm vorgeworfen, den Konflikt mit den Palästinensern anzuheizen. Bei Konfrontationen mit Arabern zückt der Rechtsanwalt auch gern mal die Pistole.
Sorge um Israels Demokratie
Ben-Gvir hätte als Minister grossen Einfluss, meint Politik-Professor Jonathan Rynhold von der Bar-Ilan-Universität nahe Tel Aviv. «Es würde Israels Demokratie und den internationalen Beziehungen offensichtlich schaden.» Rynhold warnt auch vor einer «Explosion jüdisch-arabischer Beziehungen innerhalb Israels, wie es letztes Jahr während des Gaza-Kriegs geschehen ist».
Ben-Gvirs politischer Partner Smotrich plant ein radikales Programm, das zu einer deutlichen Schwächung des Justizsystems führen würde. Er strebt die Streichung der Delikte Untreue und Betrug aus dem Gesetz an – was auch die Aufhebung des Verfahrens gegen Netanjahu bewirken könnte. Die Verfassungsrechtlerin Suzie Navot sagt: «Wenn man ein Vergehen aus dem Strafgesetz streicht, kann man es sozusagen ausradieren.» Für Israel würde dies eine «Legalisierung der Korruption» bedeuten, warnt sie. «Ich bin sehr besorgt. Denn die Geschichte zeigt, dass Demokratien nicht an einem Tag sterben. Sie werden langsam zerrieben, wie bei einer Erosion.»
Sollte Netanjahu die Mehrheit von mindestens 61 Abgeordneten verpassen, könnte Lapid versuchen, wieder eine Koalition zu schmieden, die ein breites politisches Spektrum umfasst. Die politische Zweckgemeinschaft von acht Parteien, die im Juni vergangenen Jahres an die Macht gekommen war, musste allerdings nach einem Jahr aufgeben. Naftali Bennett, der zunächst Ministerpräsident wurde, tritt bei dieser Wahl gar nicht mehr an.
Lapids Errungenschaften und Probleme
Sein Nachfolger Lapid wird von Gegnern als politisches Leichtgewicht dargestellt. Mit der Beilegung des Streits mit dem Libanon um eine Seegrenze ist ihm jedoch in seiner kurzen Amtszeit ein wichtiger Erfolg gelungen. Im vergangenen Monat bezog der 58-Jährige klar Position – und sprach sich vor den Vereinten Nationen für die Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaates aus.
Dennoch hat sich der Konflikt mit den Palästinensern wieder gefährlich zugespitzt. Im besetzten Westjordanland brodelt es wieder. Fast täglich kommt es zu gewaltsamen Zwischenfällen – Anschläge von Palästinensern und Razzien der israelischen Armee. Angesichts häufiger Militäreinsätze in den Hochburgen militanter Palästinenser wirft die linksliberale Zeitung «Haaretz» Lapid und der Militärführung vor, in der «explosivsten Region der Welt» mit Feuer zu spielen.