Geisel-Deal im Gaza-Krieg: Kritischer Punkt erreicht
Die Verhandlungen über einen Geisel-Deal im Gaza-Krieg stehen vor einer kritischen Wende. Netanjahus und al-Sinwars Zukunft steht auf dem Spiel.
Die indirekten Verhandlungen über einen Geisel-Deal im Gaza-Krieg sind Medienberichten zufolge an einem kritischen Punkt angelangt. Die Führung in Israel gehe davon aus, dass die islamistische Hamas das jüngste Angebot für ein Abkommen über die Freilassung israelischer Geiseln und eine Waffenruhe offiziell ablehnen wird, zitierte die «Times of Israel» am späten Donnerstagabend einen Regierungsbeamten. Zuvor war dem Bericht zufolge das Kriegskabinett zusammengetreten, um über einen möglichen Beginn der umstrittenen Bodenoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens zu beraten.
Der Anführer der Hamas in dem umkämpften Küstengebiet, Jihia al-Sinwar, glaube, dass er auch einen Angriff auf Rafah überleben könne, zitierte die US-Zeitung «Wall Street Journal» arabische Unterhändler, die mit ihm verhandelten. Al-Sinwar wird in Tunneln unterhalb Gazas vermutet.
Zukunft von Netanjahu und Al-Sinwar auf dem Spiel
Ein Abkommen hänge nun von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und Al-Sinwar ab, deren Zukunft in diesem Krieg auf dem Spiel stehe und deren Kalkül wenig Spielraum für einen Kompromiss lasse, schrieb das «Wall Street Journal». Netanjahus politisches Überleben hängt von seinen rechtsextremen Koalitionspartnern ab. Diese hatten jüngst mit einem Ende der Regierung gedroht, sollte der von den Vermittlern in Kairo vorgeschlagene Geisel-Deal umgesetzt und ein Einsatz in Rafah abgeblasen werden.
Al-Sinwar wiederum glaube, dass er keinen Deal eingehen müsse, zitierte die Zeitung einen Experten. Arabischen Vermittlern zufolge sei der Hamas-Anführer der Auffassung, dass er den Krieg bereits gewonnen habe, unabhängig davon, ob er ihn überlebt oder nicht. Denn er habe das Leiden der Palästinenser und den Konflikt mit Israel ins Zentrum der Weltöffentlichkeit gerückt.
Hamas strebt nach Freilassung palästinensischer Häftlinge
Al-Sinwars Ziel sei es, die Freilassung von Hunderten, wenn nicht Tausenden von palästinensischen Häftlingen aus israelischen Gefängnissen im Austausch gegen Geiseln im Gazastreifen zu erreichen und ein Abkommen zu schliessen, das den Krieg beendet und das Überleben der Hamas sichert, hiess es weiter. In Mitteilungen, die der militärische Flügel der Hamas an die arabischen Vermittler weitergeleitet habe, habe Al-Sinwar angedeutet, dass die Zeit auf seiner Seite sei. Der internationale Druck auf Israel nehme zu, je länger er warte.
Die Hamas hatte am Donnerstag mitgeteilt, noch einmal eine Delegation nach Ägypten zu schicken, um die indirekten Verhandlungen über einen Geisel-Deal abzuschliessen. Laut dem staatsnahen ägyptische Fernsehsender Al-Kahira News soll eine Hamas-Delegation innerhalb der nächsten zwei Tagen in Kairo eintreffen, um die Verhandlungen fortzusetzen.