Sechs Mitglieder einer libyschen Miliz wurden wegen Kriegsverbrechen angeklagt. In ihrem Herrschaftsgebiet wurden hunderte Leichen in Massengräbern gefunden.

Mehr als vier Jahre nach der Entdeckung von Massengräbern in der libyschen Stadt Tarhuna hat der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag Haftbefehle gegen sechs mutmassliche Kriegsverbrecher veröffentlicht. Den libyschen Staatsangehörigen wird unter anderem Mord, Verletzung der Menschenwürde, grausame Behandlung, Folter, sexuelle Gewalt und Vergewaltigung vorgeworfen, wie der IStGH mitteilte.

Drei von ihnen sollen Anführer sowie prominente Mitglieder der Kanijat-Miliz gewesen sein. Diese hat laut UN zwischen 2013 und 2022 in Tarhuna – rund 90 Kilometer südöstlich von Libyens Hauptstadt Tripolis – schwerste Verbrechen an der Zivilbevölkerung begangen. Unter den mit Haftbefehl gesuchten Verdächtigen ist der Milizchef Abdurahem al-Kani, der als einer der Namensgeber der Kanijat gilt.

Miliz führte in Tarhuna ein Terrorregime

Die wegen ihrer Brutalität berüchtigte Miliz hatte während des Bürgerkrieges nach dem Sturz des Diktators Muammar Gaddafi 2011 an der Seite von General Chalifa Haftars Libyscher Nationalarmee (LNA) gekämpft. Mit mehreren Tausend Mann hatte sie sich seit 2013 in Tarhuna festgesetzt und mehrere Jahre ein Terrorregime geführt.

Die drei anderen Verdächtigen sollen seinerzeit dem libyschen Sicherheitssektor angehört und die Kanijat unterstützt haben, erläuterte IStGH-Chefankläger Karim Khan. Im einstigen Herrschaftsgebiet der Miliz seien seit Juni 2020 Hunderte Leichen aus Massengräbern exhumiert worden.

Kreisverbrecher
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat Haftbefehle gegen libysche Kriegsverbrecher veröffentlicht. - keystone

Chefankläger Khan hatte die Haftbefehle gegen die sechs Verdächtigen im November 2022 beantragt. Die Richter des IStGH hatten sie im April sowie im Juli 2023 erlassen, jedoch wurde die Identität der Beschuldigten aus ermittlungstaktischen Gründen zunächst unter Verschluss gehalten. Inzwischen seien die Ermittler zu der Einschätzung gelangt, dass die Festnahme und Übergabe der sechs Verdächtigen «am effektivsten durch die Entsiegelung dieser Haftbefehle» unterstützt werden könne, erklärte Khan. Sein Büro arbeite dabei eng mit den libyschen Behörden zusammen.

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