Nach der Geiselbefreiung ist Netanjahu im Aufwind, auch die Hamas scheint einem Deal eine Absage zu erteilen. Doch Israelis protestieren.
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Israel jubelt über die Befreiung von vier Geiseln. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Israelis protestieren nach der Geiselbefreiung für ein Abkommen.
  • Netanjahu aber könnte glauben, weitere Gefangene militärisch befreien zu können.
  • Und auch die Hamas scheint einem Deal eine Absage zu erteilen.
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Israel feiert: Acht Monate nach der Verschleppung konnte die Armee in einer «heroischen» Aktion vier Geiseln lebend aus dem Gazastreifen befreien. Doch in die Feierlichkeiten mischen sich auch Rufe nach einem Abkommen zur Geisel-Befreiung, in vielen Städten gibt es Proteste dafür. Doch ist ein Deal nach der Aktion möglich?

Rund 120 Israelis befinden sich weiterhin in den Händen der Hamas-Terroristen. Einer davon ist Matan Zangauker, dessen Mutter in Tel Aviv für den Deal protestierte. «Wir dürfen nicht zulassen, dass Premierminister Netanjahu das Abkommen torpediert», sagt sie zur «Times of Israel».

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Israelis erinnern bei einem Protest nach der Geisel-Befreiung an die verbleibenden Gefangenen. - keystone

Auch Ayala Metzger, deren Schwiegervater in Geiselhaft wohl gestorben ist, fordert, einen Deal anzustreben, der Leben rette. «Wir können nicht alle Geiseln im Rahmen von Operationen befreien.» Sie hätten keine Zeit.

Erst kürzlich hat US-Präsident Joe Biden einen mehrphasigen Fahrplan zu einem permanenten Waffenstillstand und der Geiselfreilassung präsentiert. Benjamin Netanjahu hatte diesen nicht abgelehnt, jedoch stets betont, den Krieg erst zu beenden, wenn die Ziele erreicht seien. Dem Druck, den der Westen auf ihn ausübt, hält er stand – wohl auch aus politischen Überlegungen.

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Benjamin Netanjahu kann mit der Geiselbefreiung einen Erfolg feiern. Doch der Druck auf ihn wird nicht kleiner werden. - keystone

Denn seine rechts-religiösen Koalitionspartner wehren sich bestimmt gegen ein Abkommen. Sie sind der Ansicht, dass militärische Massnahmen die einzige Möglichkeit sind, die Gefangenen nach Hause zu holen. Von der Befreiungsaktion am Samstag könnten sie sich nun bestätigt fühlen – und mit ihnen auch Netanjahu.

Doch die Operation fand nach langer Vorbereitung statt, wie ein Militärsprecher sagt. Sie sei risikobehaftet gewesen und hätte auch schiefgehen können. Ein israelischer Soldat wurde beim Einsatz in Nuseirat verwundet und erlag seinen Verletzungen.

Israel: Weniger als 100 Tote bei Befreiungsaktion

Auf palästinensischer Seite forderte die Operation wohl noch deutlich mehr Opfer: Die von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden sprachen von 200 Getöteten und 400 Verletzten im Rahmen der Befreiungsaktion. Diese Zahlen lassen sich nicht bestätigen und sind mit grosser Vorsicht zu geniessen.

Ein Sprecher eines nahen Spitals sagte der Nachrichtenagentur AP, es habe fast 100 Tote und 100 Verletzte gegeben. Auch der AP-Reporter selbst berichtet, er habe Dutzende Leichen gesehen. Bilder aus dem Gebiet zeigen ebenfalls unzählige blutüberströmte Personen und grosse Zerstörung. Spitäler vermelden, sie würden wegen der Aktion überrannt.

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Bei der Geiselbefreiung hat die israelische Armee grosse Schäden angerichtet und mehrere Menschen getötet. - keystone

Auch Armee-Sprecher Daniel Hagari gibt zu, dass es Opfer auf palästinensischer Seite gegeben habe. Laut ihm wurden aber weniger als 100 Personen getötet, wie viele Terroristen seien, könne er nicht sagen. Die Hamas-Kämpfer hätten Zivilisten als Schutzschilde missbraucht.

Auch die Hamas hat sich nach der Befreiungsaktion geäussert: Der politische Anführer, Ismail Haniyeh, warf Israel erneut vor, ein «Massaker» anzurichten. Er sagte auch, man werde nicht aufgeben. «Wenn die Besatzer glauben, dass sie uns ihre Entscheidung mit Gewalt aufzwingen können, ist das eine Illusion.» Man werde keinem Abkommen zustimmen, das die Sicherheit der Palästinenser nicht garantiere.

USA machen sich weiterhin für Abkommen stark

Auf den von Biden vorgeschlagenen Fahrplan ging Haniyeh nicht direkt ein, er lässt Spielraum offen. SRF-Korrespondent Jonas Bischoff aber sagt in der «Tagesschau», das Statement könne als Absage interpretiert werden.

Trotz der geänderten Bedingungen glauben die westlichen Kräfte aber weiterhin an ein Abkommen. Der Deal, der auf dem Tisch liege, würde die Freilassung der verbleibenden Geiseln sicherstellen, sagt der US-Sicherheitsberater Jake Sullivan. Er würde auch Sicherheitsgarantien und Entlastung für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen bringen. Washington werde sich weiterhin für eine Einigung starkmachen.

Glaubst du, dass sich Israel und die Hamas bald auf ein Abkommen einigen können?

Dies wird auch US-Aussenminister Antony Blinken tun: Ab Montag ist er erneut im Nahen Osten unterwegs und wird für das Abkommen Werbung machen.

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