Kritik an Chinas Sicherheitsgesetz für Hongkong
Seit einem Jahr demonstrieren Menschen in Hongkong für mehr Demokratie. Mit einem Sicherheitsgesetz verstärkt Peking seinen Griff über die Sonderverwaltungsregion. Kritiker warnen vor einer Eskalation.
Das Wichtigste in Kürze
- China hat seine umstrittenen Pläne für ein Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit in Hongkong verteidigt.
Der Sprecher des Aussenministeriums, Zhao Lijian, sprach in Peking von einer «rein inneren Angelegenheit», in die sich niemand einmischen dürfe.
Mit einer Verabschiedung durch den Ständigen Ausschuss des Volkskongresses wird bis Dienstag gerechnet. Das Gesetz richtet sich vor allem gegen Aktivitäten, die Peking als subversiv ansieht oder die auf eine Unabhängigkeit Hongkongs abzielen könnten. Es soll auch «heimliche Absprachen» mit Kräften im Ausland bestrafen.
Die prodemokratische Opposition in Hongkong befürchtet, das neue Gesetz zielt auf sie ab. Es ist der bisher weitestgehende Eingriff Pekings in die Autonomie der chinesischen Sonderverwaltungsregion. Kritiker befürchten ein Ende des Grundsatzes «ein Land, zwei Systeme», nach dem die frühere britische Kronkolonie seit der Rückgabe 1997 unter chinesischer Souveränität regiert wird. Mit dem Gesetz, das als Anhang ins Grundgesetz des autonomen Territoriums aufgenommen werden soll, umgeht die kommunistische Führung das Hongkonger Parlament.
Vor der Verabschiedung warnte die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, Gyde Jensen, vor einer Einschränkung der Freiheitsrechte der sieben Millionen Hongkonger und einer Eskalation der Proteste. Die FDP-Politikerin forderte Sanktionen Deutschlands und der EU. «Auch wirtschaftlich wird das Sicherheitsgesetz der letzte Sargnagel werden, weil man nicht mehr sicher sein kann, ob sich Peking vielleicht auch an andere Verträge nicht mehr hält», sagte Jensen der Deutschen Presse-Agentur.
«Ich mache mir Sorgen um die Aktivisten und um diese ganze Generation, die da gerade ihre Freiheit den Bach heruntergehen sieht», sagte Jensen. Aber auch deutsche Unternehmen oder in der chinesischen Sonderverwaltungsregion tätige politische Stiftungen aus Deutschland seien in Gefahr. «Wir wissen nicht, in welche Richtung das gehen kann - ob auch im Nachhinein Verfahren angegangen werden», sagte die FDP-Politikerin. «Die weitreichenden Folgen, die gar nicht abzusehen sind, machen das Gesetz so gefährlich.»
Der Hongkonger Aktivist Joshua Wong gab auf Twitter Befürchtungen wieder, dass er und der kritische Verleger Jimmy Lai sofort nach Erlass des Gesetzes festgenommen werden könnten. Er wies auf die Möglichkeit hin, dass Verdächtigte nach dem Gesetz auch nach Festlandchina überstellt werden können, wo willkürliche Haft, geheime Prozesse oder durch Folter erzwungenen Geständnisse drohten. «Während Hongkong am Rande des Zusammenbruchs steht, rufe ich die Welt auf, stärker vorzugehen, um China zu drängen, das Gesetz zurückzuziehen.»
Seit einem Jahr demonstrieren Menschen in Hongkong gegen den Einfluss Pekings oder Polizeibrutalität. Die Demonstranten fordern auch freie Wahlen, wie es ihnen einst in Aussicht gestellt worden war. Aus Sicht Deutschlands und der anderen sechs Mitglieder der Gruppe der grossen Industrienationen (G7) steht das Gesetz nicht im Einklang mit dem Grundgesetz Hongkongs und der Verpflichtung Pekings aus der chinesisch-britischen Vereinbarung zur Rückgabe Hongkongs.
Wenn das Gesetz verabschiedet wird, sollte der wegen der Corona-Krise verschobene, aber weiter geplante EU-China-Gipfel unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft abgesagt werden, forderte die FDP-Politikerin Jensen. Nützliche Sanktionen wären auch Reisebeschränkungen oder das Einfrieren von Konten von Funktionären. Jensen forderte die Bundesregierung auf, gegenüber Peking härtere Worte zu finden: «China reagiert nur auf Druck, und das, was die Bundesregierung momentan verlauten lässt, finde ich, ist ein Armutszeugnis.»
Im Gegenzug für Visaeinschränkungen der USA für Funktionäre, die mitverantwortlich gemacht werden, dass die Autonomie Hongkongs untergraben wird, kündigte Pekings Aussenamtssprecher eigene Beschränkungen Chinas für Amerikaner an, die «unerhörtes Verhalten» in Bezug auf Hongkong an den Tag legten.
Reporter ohne Grenzen äusserte «grosse Sorge» über die Auswirkungen des Gesetzes auf die Arbeit von Journalisten. Es könnte dem chinesischen Regime Mittel an die Hand geben, «unter dem Anschein der Legalität unliebsame Journalistinnen und Journalisten in Hongkong zu schikanieren», sagte Geschäftsführer Christian Mihr. Die grosse Mehrheit der 114 in China inhaftieren Medienschaffenden sitze wegen angeblicher Verbrechen gegen die nationale Sicherheit im Gefängnis.
Das Gesetz soll den Erwartungen nach diesen Mittwoch in Kraft treten. Am 1. Juli jährt sich die Rückgabe Hongkongs an China zum 23. Mal. Traditionell kommt es am Jahrestag zu grossen Demonstrationen. Die Polizei hat unter Hinweis auf die Corona-Pandemie und «anhaltende soziale Unruhe» Protestmärsche untersagt - erstmals seit 17 Jahren.