Neue Militäroffensive in Westjordanland, Armeechef erklärt Rücktritt
Israel führt eine neue Militäroperation im Westjordanland durch, mehrere Menschen wurden getötet. Derweil tritt der Armeechef zurück.
Das Wichtigste in Kürze
- Bei einem «Anti-Terror-Einsatz» wurden im Westjordanland mehrere Menschen getötet.
- Die Hamas ruft zum Widerstand und zu einer Generalmobilmachung auf.
- Armeechef Halevi tritt wegen des «Versagens der Armee» beim Massaker zurück.
Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben einen «Anti-Terror-Einsatz» in Dschenin im Westjordanland gestartet. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums in Ramallah wurden neun Menschen getötet und mindestens 40 verletzt. Dschenin gilt als Hochburg radikaler Palästinenser.
Die israelischen Behörden hätten zudem über den Tod eines 29-jährigen Palästinensers in einem Dorf in der Nähe von Dschenin informiert, teilte das Gesundheitsministerium mit. Damit stieg die Zahl der getöteten Palästinenser im Westjordanland auf 33 seit Jahresbeginn und 828 seit dem 7. Oktober 2023.
Bodentruppen und Spezialeinheiten
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte, man gehe überall dort vor, wohin die «iranische Achse» ihre Arme ausstrecke. Nach Medienberichten drangen Bodentruppen und Spezialeinheiten in die Stadt ein. Es habe auch mehrere Drohnenangriffe gegeben. Sicherheitskräfte der Palästinensischen Autonomiebehörde, die mehrere Wochen lang in Dschenin gegen militante Kräfte im Einsatz waren, hatten sich nach palästinensischen Angaben zuvor zurückgezogen.
Die Lage im Westjordanland gilt seit dem Massaker der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas in Israel im Oktober 2023 und dem daraus resultierenden Krieg im von der Hamas beherrschten Gazastreifen als sehr angespannt. Im Gaza-Krieg gilt seit dem vergangenen Wochenende eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas.
Die Hamas rief zu einer «Generalmobilisierung» und zu Konfrontationen mit der Armee im Westjordanland auf. Auch die Organisation Islamischer Dschihad rief die Bewohner des Westjordanlands auf, sich «diesem kriminellen Einsatz mit allen Mitteln zu widersetzen».
Radikale Siedler befeuern mit Angriffen Spannungen
Seit dem Hamas-Massaker nahmen auch Angriffe radikaler israelischer Siedler auf Palästinenser im Westjordanland zu und trugen zu einer Zuspitzung der Lage im Westjordanland bei.
Israelischen Medienberichten zufolge setzten vermummte Siedler nun Gebäude und Fahrzeuge in zwei benachbarten palästinensischen Dörfern östlich der Palästinenserstadt Kalkilia in Brand. Bereits in den vergangenen Tagen war es zu Angriffen auf palästinensische Dörfer gekommen.
Zwei Siedler wurden den Berichten zufolge von Schüssen israelischer Sicherheitskräfte schwer verletzt, nachdem sie diese zuvor mit Pfefferspray attackiert hatten.
Palästinensische Behörden befürchten mehr Siedler-Gewalt
Das Aussenministerium in Ramallah äusserte in einem Post auf der Plattform X die Befürchtung, dass es nun zu mehr Gewalt von Siedlern im Westjordanland kommen könnte – Hintergrund ist die Aufhebung der US-Sanktionen gegen radikale Siedler durch den neuen US-Präsidenten Donald Trump.
Armeechef tritt zurück – Versagen und Verantwortung
Unterdessen kündigte der israelische Generalstabschef Herzi Halevi seinen Rücktritt an, der nach Angaben eines Armeesprechers am 6. März in Kraft treten soll.
In seiner Erklärung begründete er den Schritt mit der Verantwortung «für das Versagen der israelischen Armee» am 7. Oktober 2023. Der Schritt komme zu einem Zeitpunkt, «an dem die israelische Armee wichtige Errungenschaften erzielt hat und sich im Prozess der Umsetzung einer Vereinbarung zur Freilassung der Geiseln befindet». Kurz darauf erklärte auch der für Israels Süden und die Grenze zum Gazastreifen zuständige General Jaron Finkelman seinen Rücktritt.
Halevi hatte seine Rücktrittsabsichten bereits früher klar gemacht, wollte aber angesichts des Gaza-Krieges einen passenden Zeitpunkt abwarten. Das Versagen, den Hamas-Terrorangriff nicht verhindert zu haben, werde ihn für den Rest seines Lebens begleiten, sagte Halevi, der sich in der Vergangenheit mehrfach bei Angehörigen der Opfer entschuldigt hatte.
Herzog für Untersuchungskommission zum 7. Oktober
Der israelische Präsident Izchak Herzog betonte in einer Reaktion auf der Plattform X, Halevi verdiene Dankbarkeit und Respekt für seine Leistung im Gaza-Krieg. Gleichzeitig sprach sich Herzog für eine nationale Untersuchungskommission zu den Vorgängen am 7. Oktober 2023 aus, «die Lehren zieht, Verantwortung übernimmt, Schlussfolgerungen zieht und Vertrauen zwischen den Bürgern und ihrem Staat aufbaut».