Rund 61 Millionen Menschen sind im Iran zur Wahl aufgerufen. Diese folgt auf den Tod von Amtsinhaber Ebrahim Raisi.
Die Wahlbeteiligung in der ersten Runde lag bei historisch schlechten 40 Prozent.
Die Wahlbeteiligung in der ersten Runde lag bei historisch schlechten 40 Prozent. - Vahid Salemi/AP/dpa

Irans Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei hat mit seiner Stimmabgabe die Stichwahl um das Präsidentenamt im Iran eröffnet. Er forderte die Bevölkerung zur regen Teilnahme auf, nachdem vergangene Woche fast 60 Prozent der Wahlberechtigten nicht an der Abstimmung teilgenommen hatten. «So Gott will, haben wir morgen einen Präsidenten», sagte Chamenei in der Hauptstadt Teheran.

Rund 61 Millionen Menschen sind zur Wahl aufgerufen. Die Wahllokale sind bis 16.30 Uhr deutscher Zeit geöffnet, eine Verlängerung ist möglich. Mit ersten Ergebnissen wird am Samstag gerechnet. Die Wahl folgt auf den Tod von Amtsinhaber Ebrahim Raisi, der am 19. Mai bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen war.

Keine freien Wahlen

Irans politisches System vereint seit der Revolution von 1979 republikanische und auch theokratische Züge. Freie Wahlen gibt es jedoch nicht: Der sogenannte Wächterrat, ein mächtiges islamisches Kontrollgremium, prüft Kandidaten auf ihre ideologische Eignung. Kritik am System wird nicht geduldet.

Von insgesamt 80 Bewerbern hatte der sogenannte Wächterrat, ein mächtiges islamisches Kontrollgremium, nur sechs als Kandidaten zugelassen. Zwei von ihnen zogen sich zurück. Anders als in vielen anderen Ländern ist der Präsident im Iran nicht das Staatsoberhaupt. Die eigentliche Macht konzentriert sich auf den Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei. Auch die Revolutionsgarden, Irans Elitestreitmacht, haben ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss ausgebaut.

Bei der Stichwahl treten der im Iran als gemässigt geltende Politiker Massud Peseschkian und der erzkonservative Fundamentalist Said Dschalili gegeneinander an. Beobachter erwarten ein knappes Rennen. Entscheidend dürfte auch die Wahlbeteiligung sein. Chamenei wies am Mittwoch die Lesart zurück, die niedrige Wahlbeteiligung sei Ausdruck für die Ablehnung des politischen Systems.

Reformkandidat gegen Hardliner

Der Reformkandidat Peseschkian ist 69 Jahre alt und stammt aus dem Nordwesten Irans. Im Wahlkampf warb der bisher eher unscheinbare Politiker für neues Vertrauen zwischen Regierung und Volk, das nach gescheiterten Reformversuchen, politischer Repression und einer Wirtschaftskrise von der Politik masslos enttäuscht ist. Wie viele Politiker des Reformlagers forderte er eine Verbesserung der Beziehungen zum Westen.

Im Wahlkampf kritisierte Peseschkian etwa die Internetzensur sowie das repressive Vorgehen der Sittenwächter gegen Frauen, die in der Öffentlichkeit gegen die Kopftuchpflicht verstossen. Gleichzeitig bekundete der frühere Gesundheitsminister seine Loyalität gegenüber Religionsführer Chamenei. In den TV-Debatten bezeichnete er sich selbst als wertkonservativen Politiker, der Reformen für notwendig hält. Kritiker halten ihm vor, dass er diese angesichts einer Mehrheit von Hardlinern im Parlament gar nicht erst umsetzen könnte.

Dschalili auf der anderen Seite gehörte früh zum engsten Machtzirkel und arbeitete im Büro des Religionsführers. Unter dem umstrittenen früheren Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad war Dschalili Chefunterhändler bei den Atomverhandlungen. Der Hardliner geniesst breite Unterstützung von radikalen und loyalen Systemanhängern. Er gilt als eiserner Verfechter der Ideologie der Islamischen Revolution im Iran.

Wenig Wahlstimmung, viel Frustration

Bei der ersten Runde am vergangenen Freitag erreichte die Wahlbeteiligung nach offiziellen Daten mit rund 40 Prozent ein Rekordtief. Darin spiegelt sich die grosse Enttäuschung vor allem der jungen Generation, die den Glauben an grosse innenpolitische Veränderungen verloren hat. Der Tod der jungen Kurdin Jina Masa Amini im Herbst 2022 entfachte landesweite Proteste gegen das islamische Herrschaftssystem.

Peseschkian kam vor einer Woche auf rund 10,4 Millionen (rund 42,5 Prozent), Dschalili auf 9,4 Millionen Stimmen (38,7 Prozent). Für den konservativen Drittplatzierten, Parlamentspräsident Mohammed Bagher Ghalibaf, stimmten etwa 3,4 Millionen Landesbewohner. Er sprach dann Dschalili seine Unterstützung aus. Damit geht das konservative Lager mit einem leichten Vorteil in die Runde. Reformkandidat Peseschkian müsste für einen Sieg vor allem Nichtwähler umstimmen.

Irans politisches System vereint seit der Revolution von 1979 republikanische und auch theokratische Züge. Freie Wahlen gibt es jedoch nicht: Das Kontrollgremium des Wächterrats prüft Kandidaten stets auf ihre Eignung. Eine grundsätzliche Kritik am System wird nicht geduldet, wie die Niederschlagung von Protesten in den vergangenen Jahren zeigte.

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