Südafrika: «Migranten dienen als Sündenböcke»
Seit letzter Woche kommt es in Südafrika zu rassistischen Hassattacken gegen Migranten und Ausländer. Laut einem Experten gibt es dafür auch historische Gründe.
Das Wichtigste in Kürze
- Seit letztem Sonntag attackieren Gangs in Südafrika Migranten und Flüchtlinge.
- Neben Tötungen kam es auch vermehrt zu Brandstiftungen in Geschäften.
- Für Experte Jonathan van Eerd sind die Ursachen dafür auch historisch bedingt.
Seit letztem Sonntag halten die gewalttätigen Ausschreitungen in der südafrikanischen Stadt Johannesburg und der Hauptstadt Pretoria an. Bei Attacken gegen Migranten und Ausländern kam es zu Plünderungen und Brandstiftungen. Fünf Personen wurden getötet.
Das bleibt in vielen afrikanischen Ländern nicht ohne Konsequenzen. Neben mehreren afrikanischen Ländern wie Nigeria, Ruanda oder Sambia verurteilte auch Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa die Gewalt. Den Grund für die Ausschreitungen sehen die Behörden unter anderem in der hohen Arbeitslosigkeit.
Gründe liegen bei Unterdrückung
Für Jonathan van Eerd, Politikberater für Afrika und Nahost in Zürich, haben die Ausschreitungen noch andere Gründe. «Die Gründe liegen in der historisch-strukturell bedingten Ungleichheit zwischen der armen, mehrheitlich schwarzen Mehrheitsbevölkerung und der reichen, mehrheitlich weissen Minderheitsbevölkerung.» Diese zeige sich unter anderem beim Einkommen, Vermögen, Landbesitz und vor allem beim Zugang zur Bildung, so van Eerd.
Diese historisch bedingte Ungleichheit habe sich in den letzten 25 Jahren nur langsam verändert, was verheerende Konsequenzen hat. «Viele Schwarze haben die Geduld mit ihrer Regierungspartei ANC verloren. Sie wenden sich entweder der radikaleren EFF zu oder haben sich von der Politik ganz abgewendet», so van Eerd weiter.
Migranten als «Sündenböcke»
Zur historisch-bedingten Ungleichheit kämen die wirtschaftlichen Probleme in Südafrika hinzu, erklärt van Eerd. «Nach Jahrzehnten des Wachstums seit 1994 stagniert die Wirtschaft Südafrikas seit ein paar Jahren.» Probleme wie in die Jahre gekommene Infrastruktur und Korruption würden der Ökonomie zusätzlich schaden und den Frust der Bevölkerung vergrössern.
I condemn the violence that has been spreading around a number of our provinces in the strongest terms. I’m convening the ministers in the security cluster today to make sure that we keep a close eye on these acts of wanton violence and find ways of stopping them. pic.twitter.com/sizZkwIyPO
— Cyril Ramaphosa 🇿🇦 (@CyrilRamaphosa) September 3, 2019
Dieser Frust wende sich gemäss van Eerd gegen die naheliegendsten «Sündenböcke». «Das sind nigerianische, somalische und simbabwische Migranten, die erfolgreich Kleinhandel und kleinere Geschäfte betreiben und als wirtschaftliche Konkurrenz betrachtet werden.»
Belastung der diplomatischen Beziehungen
Viele der betroffenen Ausländer und Migranten stammen aus Nigeria, der stärksten Volkswirtschaft Afrikas. Gerade deshalb befürchtet van Eerd eine schwere Belastung für die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Dies wäre insofern brisant, weil Nigeria Südafrika vor 25 Jahren in der Apartheitzeit unterstützt hatte.
Hass gegen Ausländer und Migranten ist kein Novum. Auch in Europa nimmt Rassismus und Fremdenhass laufend zu. Im Vergleich zu Südafrika liessen sich dabei einzelne Parallelen erkennen, meint van Eerd.
«Industrialisierte Länder, zu denen ich als einziges subsaharisch-afrikanisches Land auch Südafrika zählen würde, stehen am Scheideweg. Das weckt Ängste vor sozialem Abstieg und Stagnation.» Zudem sei die Mobilisierung durch sozial Media und Smartphones um einiges einfacher geworden. Eine wirtschaftliche Neuorientierung könnte in Südafrika somit durchaus helfen, um der Gewalt und dem Fremdenhass entgegenzuwirken, meint der Experte.