Europäer machen Druck bei Steuerreform für Digitalriesen
Viele der weltweit grössten Konzerne zahlen nur wenig Steuern. Das ist vor allem den Top-Wirtschaftsnationen ein Dorn im Auge. Die Zeit für eine Änderung drängt, meinen die Europäer - bei den USA scheinen sie in einem wichtigen Detail aber auf Granit zu beissen.
Das Wichtigste in Kürze
- Deutschland, Frankreich und andere europäische Länder machen Druck für eine rasche weltweite Steuerreform, bei der auch Digitalriesen stärker zur Kasse gebeten werden.
«Dieses Jahr müssen wir zu einer Entscheidung kommen», sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) bei einem Treffen der Finanzminister der führenden Industrie- und Schwellenländern (G20) am Samstag in Riad. Auch der französische Finanzminister Bruno Le Maire forderte einen Kompromiss bis Jahresende. Ihr US-amerikanischer Kollege Steven Mnuchin zeigte sich davon wenig beeindruckt. Die Vereinigten Staaten sehen vor allem die stärkere Besteuerung von Digitalkonzernen kritisch.
Konkret sollen zwei Schwachstellen im Steuersystem beseitigt werden: Durch eine globale Mindeststeuer soll die Flucht grosser Konzerne in Steueroasen unattraktiv werden. Ausserdem sollen grosse Digitalkonzerne wie Google, Amazon oder Apple angemessener besteuert werden. Diese Unternehmen erwirtschaften enorme Gewinne in Regionen, in denen sie keinen offiziellen Firmensitz haben. Schätzungen zufolge zahlen sie dadurch nicht einmal halb soviel Steuern wie klassische Industriebetriebe.
International wird seit langem um eine solche Reform gerungen, zuletzt hatte die Industrieländer-Organisation OECD Vorschläge vorgelegt. Ziel ist eine Einigung bis Ende 2020 - ob der Zeitplan einzuhalten ist, ist aber unklar.
Scholz, Le Maire, Spaniens Wirtschaftsministerin Nadia Calviño sowie Italiens Finanzminister Roberto Gualtieri forderten am Samstag gemeinsam rasche Fortschritte. «Wenn jetzt nicht gehandelt wird, würde dies zu willkürlichen Ergebnissen führen und die Fragmentierung des globalen Steuersystems noch verstärken», schrieben die Minister in einem Papier. Es gehe um viele Milliarden Euro Steuereinnahmen für den Bau von Schulen, Krankenhäuser und moderne Infrastruktur - vor allem jedoch «um die Legitimation des Staates und unsere demokratischen Werte».
Scholz erklärte, er sei «verhalten zuversichtlich» für eine Lösung noch in diesem Jahr. Eine Vertagung würde internationale Konflikte mit sich bringen. Zentral sei die internationale Mindestbesteuerung. Doch dazu gehöre auch eine Lösung für die Digitalunternehmen. Auch Le Maire betonte, es gehe um eine Paketlösung - wenngleich die Mindestbesteuerung den Staaten die grösseren Einnahmen bringen werde.
Die Amerikaner haben kein Problem mit einer Mindeststeuer. Problematisch findet die US-Regierung dagegen die Pläne für eine globale Digitalsteuer - weil davon viele amerikanische Firmen betroffen wären. Die USA hatten deshalb einen abgeschwächten Vorschlag gemacht, bei dem die Konzerne die Wahl hätten, sich dem neuen System zu unterwerfen oder nicht. Mnuchin sagte am Samstag, wenn alle den US-Vorschlag übernähmen, stehe einer schnellen Einigung nichts im Weg.
Die Digitalunternehmen selbst stellen sich bereits auf höhere Steuern ein. Facebook-Chef Mark Zuckerberg unterstützte bei der Münchner Sicherheitskonferenz die Reformpläne der OECD. «Und wir akzeptieren, dass dies ein neues Regelwerk bedeuten könnte, dass wir künftig mehr Steuern bezahlen, und dies in unterschiedlichen Ländern.»
Weil die Reform international kaum vorankam, haben mehrere Länder wie Frankreich und Spanien zuletzt eigene Digitalsteuern eingeführt. Nachdem die USA mit Strafzöllen drohten, setzten sie diese jedoch bis Jahresende aus. OECD-Generalsekretär Ángel Gurría warnte in Riad vor nationalen Alleingängen. «Stoppt ein Ausufern, stoppt eine Kakophonie einseitiger Massnahmen», forderte er. Nationale Digitalsteuern führten unweigerlich zu Spannungen im Handel und könnten starke Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben.