Wahl in Nicaragua: Ortega hat alle Gegner aus dem Weg geräumt
Morgen sind Wahlen in Nicaragua. Journalisten vor Ort können dies jedoch nicht als Wahlen bezeichnen. Daniel Ortega hat alle seine Gegner aus dem Weg geräumt.
Das Wichtigste in Kürze
- Daniel Ortega hat alle potenziellen Gegner für die Wahlen aus dem Weg geräumt.
- Journalisten, die im Ausland tätig sind, können das nicht als demokratisch bezeichnen.
- Von vielen Seiten wird Ortega schon als Diktator bezeichnet.
Die frühere linke Galionsfigur Daniel Ortega herrscht in Nicaragua inzwischen länger, als der Diktator, den seine Sandinisten 1979 stürzten. Kritiker sehen heute Ortega selbst als Diktator.
Am Ergebnis der Präsidentenwahl in Nicaragua am kommenden Sonntag gibt es kaum Zweifel. Der Amtsinhaber Daniel Ortega hat selbst dafür gesorgt. Die Regierung hat in den vergangenen Monaten drei Dutzend Menschen, die sie als Gegner betrachtet, verhaftet oder unter Hausarrest gestellt. Darunter waren sieben Anwärter auf das Präsidentenamt.
Ortega hat dieses seit 2007 inne und strebt eine vierte Amtszeit in Folge an. Eine Verfassungsreform im Jahr 2014 machte das möglich. Zur Wahl tritt er nun praktisch ohne Gegner an.
Ortega wird jetzt als Diktator bezeichnet
Beobachter und Oppositionelle, darunter auch Mitstreiter Ortegas aus der Zeit der Sandinistischen Revolution von 1979, nennen Ortega selbst einen Diktator. Gemeinsam mit seiner Ehefrau und Vizepräsidentin, Rosario Murillo, regiert der 75-Jährige immer autoritärer.
So wurden etwa Massendemonstrationen ab April 2018, bei denen Neuwahlen gefordert wurden, brutal niedergeschlagen. Es gab mehr als 300 Tote und Hunderte Festnahmen. Mehr als 100 Menschen sitzen laut Aktivisten seit damals wegen ihrer politischen Überzeugungen im Gefängnis.
Gut 100'000 Nicaraguaner flüchteten ins Ausland. Die Regierung stellte die Proteste, an denen sich Hunderttausende der gut sechs Millionen Landesbewohner beteiligten, als Putschversuch politischer Gegner dar.
Auf Grundlage dieser Charakterisierung schaltete die Führung des mittelamerikanischen Landes vor der Wahl nun die Opposition praktisch aus. Die Regierungspartei FSLN hatte das «Gesetz zur Verteidigung der Rechte des Volkes auf Unabhängigkeit und Selbstbestimmung für den Frieden» verabschiedet.
Wer demnach etwa einen Staatsstreich anführt, zu ausländischer Einmischung anstiftet oder Sanktionen gegen Nicaragua gutheisst, wird als «Vaterlandsverräter» gebrandmarkt. Auf dieses Gesetz berief sich die Staatsanwaltschaft immer wieder bei den Razzien und Festnahmen, die Ende Mai begannen.
Zensur ist in Nicaragua das kleinste Übel
Nicht nur innerhalb des Landes wird das Vorgehen der Ortega-Regierung scharf kritisiert. Amnesty International bezeichnete die Menschenrechtslage in Nicaragua als Alptraum und schrieb einen gemeinsamen Bericht mit anderen Menschenrechtsorganisationen. Dabei geht es um «neuen Stufe in der Kampagne zur Unterdrückung und Kriminalisierung von Dissidenten, Journalisten und Menschenrechtsverteidigern.»
Auch der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell nannte Ortega am Dienstag vor Journalisten einen Diktator und die Wahl einen «Fake». Der einzige Grund dazu diene, Ortega an der Macht zu halten. Sowohl die EU als auch die USA haben ihre Sanktionen gegen Nicaraguas Führung zuletzt verschärft. Diese wirft wiederum den «imperialen Mächten» vor, Terroristen und Putschisten in Nicaragua zu unterstützen.
Ortega hatte nach seiner ersten Präsidentschaft (1985-1990) die Wahl 1990 überraschend gegen die bürgerliche Oppositionspolitikerin Violeta Barrios de Chamorro verloren. Sein Comeback gelang ihm Ende 2006, als er die Präsidentenwahl mit relativer Mehrheit gewann, weil das Mitte-Rechts-Lager gespalten war.