Was hat die Türkei in den syrischen Kurdengebieten vor?

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Syrien,

Mehr als eine Woche nach dem Umsturz bleibt die Lage in Syrien unklar, während die Kurden im Norden einen Angriff der Türkei fürchten.

Syrien
Im Norden befürchten die Kurden einen gross angelegten Angriff der Türkei und ihrer unterstützten islamistischen Milizen. (Archivbild) - keystone

Auch nach mehr als einer Woche nach dem Umsturz bleibt die Situation in Syrien unübersichtlich. Im Norden fürchten die Kurden einen grossangelegten Angriff durch die Türkei und von ihr unterstützten islamistischen Milizen. Die Konsequenzen einer solchen Eskalation könnten bis nach Europa reichen.

Was sind die Kurdengebiete?

Als Kurdengebiete werden autonom regierte Teile im Norden Syriens bezeichnet, die unter der Kontrolle der sogenannte SDF stehen. Die SDF ist ein Zusammenschluss verschiedener Gruppen unter Führung der syrischen Kurdenmiliz YPG. Die an die Türkei grenzende Region wird von Kurden, aber etwa auch von arabischer Bevölkerung bewohnt.

Im Konflikt in Syrien wollen die Kurden vor allem ihre selbstverwalteten Gebiete im Nordosten erhalten und haben erklärt, mit einer neuen Regierung in Damaskus zusammenarbeiten zu wollen. Sie zählen zu einer der weltweit grössten Volksgruppen ohne eigenen Staat.

Was passiert derzeit in den Kurdengebieten?

Seit dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad haben von der Türkei unterstützte islamistische Rebellen – die Syrische Nationalen Armee (SNA) – ihre Angriffe auf die Gebiete unter kurdischer Kontrolle ausgeweitet und strategisch wichtige Gebietsgewinne gemacht. Die YPG befürchtet, Ankara könne bald Bodentruppen schicken. Es werde erwartet, dass die Türkei Truppen und Türkei-nahe Milizen in die syrisch-kurdische Grenzstadt Kobane schicken werde, teilten die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte und die kurdisch angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) mit.

Ein SDF-Sprecher sagte der dpa, die Türkei habe bereits umfassende militärische Verstärkung in die Gegend geschickt, darunter schwere Waffen und gepanzerte Fahrzeuge. Die Türkei will versuchen, in der Gegend eine Militärbasis aufzubauen und die Städte Kobane und Rakka einzunehmen, wie die dpa aus kurdischen Quellen erfuhr. Symbolisch wichtig ist Kobane, weil die Terrormiliz IS hier 2015 eine Niederlage im Kampf gegen die US-unterstützten Kurden erlitt. Die Niederlage markierte einen Wendepunkt im Kampf gegen die Terrormiliz.

Was will die Türkei?

Die Türkei begründet ihr Vorgehen mit dem Kampf gegen «Terror» in Nordsyrien. Ankara sieht die YPG als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die seit Jahren gegen den türkischen Staat kämpft. Die Türkei hält als Konsequenz mehrerer Offensiven in Syrien bereits grenznahe Gebiete besetzt. Beobachter sagen, eine kurdische autonome Region in Nordsyrien könne aus Sicht der türkischen Regierung die Gefahr bergen, separatistische Bestrebungen in der eigenen kurdischen Bevölkerung zu verstärken.

Die sieht ihre Position dadurch gestärkt, dass sie nun als einflussreichster ausländischer Akteur in Syrien auftritt. Moskau und Teheran waren in der Vergangenheit der dominierende Kanal zur Regierung in Damaskus. Nun gilt Ankara als die Regierung mit den engsten Verbindungen zu Haiat Tahrir al-Sham (HTS), den de-facto Machthabern derzeit.

Welche Folgen könnte ein grossangelegter Angriff der Türkei haben?

Wie bei vergangenen Offensiven der Türkei in Nordsyrien könnten erneut Hunderttausende vertrieben werden. Amnesty International warf der Türkei vor, das Leben von Zivilisten missachtet und auch Ziele in Wohngebieten schwer angegriffen zu haben. Bereits jetzt wurden in Nordsyrien 100'000 Menschen durch die Angriffe der SNA seit dem Umsturz vertrieben.

Der Konflikt zwischen den Türkei-nahen Milizen und den SDF spitzt sich derzeit weiter zu, nachdem eine Waffenruhe zwischen beiden Seiten ausgelaufen ist. Kurdischen Aktivisten zufolge war die Waffenruhe bis zuletzt entscheidend für die Sicherheitslage im Nordosten.

Neben der generellen Sorge um neu aufflammende Kämpfe im Land, fürchten Beobachter, dass eine Schwächung der kurdischen Milizen im Umkehrschluss eine Stärkung des IS in Syrien zur Folge haben könnte. Die freie Journalistin Kristin Helberg etwa warnte im WDR, Erdogans Vorgehen untergrabe den Einigungsprozess in Syrien. Sowohl die Europäische Union als auch die Türkei haben mit Blick auf das Thema Flüchtlinge ein Interesse an einer stabilen Lage in Syrien.

Was haben die USA damit zu tun?

Die USA unterstützen die Kurden und sehen die SDF als wichtigen Partner im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS). Die Türkei fordert die USA seit Jahren auf, die Unterstützung aufzugeben und unterstellt ihnen, «Terrorismus» zu finanzieren. Den bevorstehenden Machtwechsel im Weissen Haus könnte die Türkei nun für sich nutzen wollen.

Vertreter der kurdischen Selbstverwaltung drängten die künftige Regierung von Donald Trump bereits zum Druck auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, wie die dpa aus kurdischen Quellen erfuhr. Erdogan wolle die Zeit vor Trumps Vereidigung nutzen, um Boden zu gewinnen, hiess es. Trump wird nachgesagt, die verbliebenen 900 US-Truppen aus Syrien abziehen zu wollen.

Kommentare

User #4077 (nicht angemeldet)

Was hat die Weltgemeinschaft vor nachdem seit langem klar ist was Assad und auch Erdogan zu verantworten haben ist es zutiefst verstörend, dass immer noch keine Klagen beim internationalen Strafsgerichts Hof eingegangen sind.

User #3089 (nicht angemeldet)

Wieso werden Kommentare gelöscht die Sachlich sind? Passt das nicht ins Konzept von Nau.ch?

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