Weiter Kämpfe im Sudan - UN-Sicherheitsrat berät zu Krise
Auch nachts hallt das Dröhnen explodierender Granaten durch die Hauptstadt Khartum: Der Konflikt zwischen den zwei mächtigsten Männern des Landes und ihren Militärapparaten droht den Sudan zu zerreissen.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Sudan haben sich die schweren Gefechte zwischen den rivalisierenden Lagern der zwei mächtigsten Männer des Landes in der Nacht zu Montag fortgesetzt.
Anwohner in der Hauptstadt Khartum berichteten von anhaltenden Schüssen und Explosionen, aber auch in anderen Teilen des Landes am Horn von Afrika gingen die Kämpfe weiter – etwa in der Hafenstadt Port Sudan am Roten Meer und in der Stadt Merowe, die über einen wichtigen Flughafen verfügt. Schon jetzt hat die Staatskrise Dutzende Menschen das Leben gekostet, und die Opferzahlen könnten noch deutlich steigen. Am Montag will der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York über die Lage beraten.
Der Machtkampf im Sudan lässt das flächenmässig drittgrösste Land Afrikas mit seinen rund 46 Millionen Einwohnern und reichen Öl- und Gold-Vorkommen im Chaos versinken. Wer dort auf dem Schlachtfeld gerade die Oberhand hat, ist angesichts der unübersichtlichen Lage und widersprüchlichen Angaben beider Konfliktparteien unklar. Sowohl die sudanesischen Streitkräfte unter dem Befehl von De-Facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan als auch die von seinem Vize Mohammed Hamdan Daglo angeführte paramilitärische Gruppe Rapid Support Forces (RSF) verbreiten Erfolgsmeldungen, deren Wahrheitsgehalt sich kaum überprüfen lässt.
WHO: Mindestens 83 Tote und 1126 Verletzte
Die Weltgesundheitsorganisation WHO teilte am Sonntagabend mit, seit Beginn des Konflikts seien mindestens 83 Menschen getötet und mehr als 1126 Menschen verletzt worden. Aufgrund der schweren Gefechte in Khartum am Wochenende seien die Krankenhäuser der Hauptstadt, in deren Umland rund sechs Millionen Menschen leben, völlig überlastet. Vielen der neun Kliniken, die verletzte Zivilisten aufnehmen, fehle es an medizinischem Material wie Blutkonserven und Transfusionszubehör. Wasser- und Stromausfälle sowie fehlender Treibstoff für die Stromgeneratoren der Krankenhäuser schränkten den Betrieb weiter ein. Auch Fachkräfte wie Anästhesisten fehlten.
Die Kämpfe waren am Samstagmorgen in Khartum ausgebrochen. Die RSF behaupteten, sudanesische Soldaten seien in ihr Hauptquartier im Süden der Stadt einmarschiert. RSF-Kräfte griffen den Flughafen im Norden der Stadt sowie den Präsidentenpalast an. Die Armee setzte Artillerie, Kampfflugzeuge und Panzer ein. Am Sonntag konzentrierten sich die Kämpfe weiter auf das nahegelegene Hauptquartier der Armee und das Gebäude des staatlichen Rundfunks.
Seit dem Sturz des Langzeitherrschers Omar al-Baschir 2019 teilen sich die RSF und das Militär faktisch die Macht im Land, doch spannungsfrei war das Verhältnis beider Lager nie. Im Zuge des jüngst erneut verschobenen Übergangs zu einer zivilen Regierung sollten die RSF in die Streitkräfte eingegliedert werden, was zum Bruch zwischen den Verbündeten führte. RSF-Anführer Daglo, auch Hemedti genannt, warf General Al-Burhan vor, sich an die Macht zu klammern.
Politologe blickt besorgt auf den Krisenstaat
Die Kämpfe drohten den ohnehin von Konflikten geprägten Sudan vollends zu zerreissen, sagte Gerrit Kurtz, Politologe der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, der Deutschen Presse-Agentur. Entscheidend sei die Entwicklung der kommenden Tage. «Dazu zählt, wer von den beiden Parteien Kontrolle über die Staatsinstitutionen im Zentrum Khartums erlangt und wer den Kampf um innenpolitische und internationale Legitimität gewinnt.»
«Jahrelange Konkurrenz zwischen beiden Sicherheitskräften, die nur durch eine Zweckgemeinschaft gegen die Zivilgesellschaft zusammengehalten wurden, entlädt sich jetzt in offener Feindseligkeit», erklärte Kurtz. «Beide Kräfte sind gut bewaffnet, auch wenn die RSF keine Luftwaffe haben und weniger schwere Waffen.»
Das Militär sei durchsetzt mit loyalen Anhängern des 2019 abgelösten Machthabers Al-Baschir, die dem RSF-Führer wegen dessen Rolle beim damaligen Umsturz misstrauen und ihn als Verräter ansehen. «Armeechef Al-Burhan handelt nicht zuletzt unter dem Druck dieser islamistischen Kräfte, der sich mit Blick auf die mögliche Übergabe der Macht an eine zivile Regierung zuspitzte», so Kurtz. Der General sperre sich gegen die Kontrolle des Sicherheitsapparats durch eine zivile Übergangsregierung, «während Hemedti glaubte, seine Geschäfte und Operationen im Graubereich der Legalität auch so weiterführen zu können».