WHO: Wenig Wissen über Gefährlichkeit von indischer Corona-Variante
Die WHO weiss noch wenig über die indische Mutation. Sie warnt vor vorschnellen Schlüssen. Auch andere Faktoren können den rasanten Anstieg der Zahlen erklären.
Das Wichtigste in Kürze
- Die WHO weiss noch nicht viel über die in Indien verbreitete Coronavirus-Mutation.
- Sie hat sie deswegen noch nicht als besorgniserregend eingestuft.
- Die WHO warnt vor voreiligen Schlüssen. Auch andere Faktoren sind zu beachten.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt angesichts der in Indien aufgetauchten Corona-Variante B.1.617 vor voreiligen Schlüssen. Die Organisation beobachtet die Virusvariante, hat sie aber noch nicht als besorgniserregend eingestuft. Dies teilte eine WHO-Sprecherin auf Anfrage am Montag in Genf mit.
Bislang sei nicht klar, in welchem Ausmass die Variante für den rapiden Anstieg der Fälle in Indien mitverantwortlich ist. Es gebe viele Faktoren, die dazu beigetragen haben könnten. So hätten in jüngster Zeit Feste und Veranstaltungen mit vielen Teilnehmern stattgefunden. Zudem verbreite sich B.1.617 neben anderen ansteckenderen Varianten wie der zuerst in Grossbritannien nachgewiesenen Variante B.1.1.7.
Ob B.1.617 mehr schwere Krankheitsverläufe auslöse und damit zu höheren Todeszahlen beitrage, sei bislang ebenfalls nicht klar. Die höheren Todeszahlen könnten auch daran liegen, dass Kliniken ihre Kapazitätsgrenzen erreicht haben, so die Sprecherin.
Indien mit Tagesrekord bei Fallzahlen
In Indien waren am Montag gut 350'000 Infektionen innerhalb von 24 Stunden gemeldet worden – der höchste je erreichte Tageswert. Indien mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern hat mehr als 17 Millionen Infektionen erfasst. In absoluten Zahlen ist das Land damit hinter den USA am härtesten von der Pandemie betroffen.
Als besorgniserregend – «Variant of Concern» – hat die WHO neben B.1.1.7 etwa die in Südafrika entdeckte Variante (B.1.351) und die in Brasilien entdeckte Variante (P.1) eingestuft.
Als besorgniserregend gilt eine Variante nach WHO-Angaben, wenn bekannt ist, dass sie sich leichter ausbreitet oder schwerere Krankheiten verursacht. Weitere Kriterien wären, dass sie dem Immunsystem entgeht, das klinische Erscheinungsbild verändert oder die Wirksamkeit der bekannten Instrumente verringert.
Mutation bereits im Dezember nachgewiesen
Die Variante B.1.617 hat zwei Mutationen an einem Oberflächenprotein, die von anderen unter Beobachtung stehenden Linien bekannt sind. Allerdings traten die beiden Mutationen nach Angaben der WHO bislang nicht zusammen in einer Variante auf. B.1.617 wurde erstmals Anfang Dezember 2020 in Indien nachgewiesen.
Eine der Mutationen, L452R, könne Einfluss auf die Effizienz von Behandlungen mit monoklonalen Antikörpern haben. Die andere Mutation, E484Q, könne womöglich Antikörper neutralisieren, die bei einer früheren Infektion gebildet worden waren. Dann wären Genesene nicht mehr vor einer neuen Infektion geschützt.
Auf der Plattform Gisaid, die genetische Sequenzen von Grippe- und Coronaviren enthält, seien bis 23. April mehr als 850 Sequenzen dieses Virus aus mehr als 18 Ländern hochgeladen worden. Die meisten kamen aus Indien, Grossbritannien, den USA und Singapur.
Das gibt allerdings kein akkurates Bild der Verbreitung, da viele Länder deutlich weniger sequenzieren, andere mangels Kapazität gar nicht.