Wie viel bringt der US-Pier an Gaza-Küste?
Das erste Schiff mit Hilfsgütern ist am US-Pier bei Gaza angekommen. Das US-Militär hat hohe Erwartungen, Hilfsorganisationen sind wegen der Sicherheit besorgt.
Das Wichtigste in Kürze
- Dank dem US-Pier kommen neu auch über das Meer Hilfsgüter nach Gaza.
- Hilfsorganisationen sind aber wegen der Sicherheit der Mitarbeiter und Fahrer besorgt.
- Der Seekorridor könne funktionierende Landkorridore nicht ersetzen.
Seit dem Beginn des Gaza-Kriegs hat sich die humanitäre Lage stetig verschlechtert, die UN warnen vor einer Hungersnot. Grund dafür ist, dass viele Grenzübergänge geschlossen sind, Israel hat kürzlich einige wieder für Hilfsgüter geöffnet. Mit dem Angriff in Rafah wurde aber der dortige Übergang besetzt, was Hilfslieferungen verunmöglicht. Immerhin gibt es nun einen weiteren Weg für Hilfsgüter: über das Meer.
Die US-Armee hat in der Nähe der Stadt Gaza einen Pier gebaut. Am Freitag kam das erste Schiff mit Hilfsgütern an. Doch kann das einen grossen Unterschied machen?
Die Hilfsgüter werden mit Logistikschiffen, die die Ladung von 15 Lastwagen transportieren können, zum Pier gebracht. Dort übernehmen Lastwagen und bringen die Güter an eine von Israel bewachte und kontrollierte Rangieranlage. Die Hilfsorganisationen nehmen die Lieferungen dort in Empfang und verteilen sie im Gazastreifen.
«Hohe Erwartungen» hat der US-Vizeadmiral Brad Cooper, wie er gegenüber «BBC» sagt. Am Anfang erwartet er rund 90 Lastwagenladungen an Hilfsgütern pro Tag, bald dann rund 150. Auch Sonali Korde von der US-Entwicklungshilfe betont die Wichtigkeit des Piers: «Der Meereskorridor ist von entscheidender Bedeutung, um die Lücke, die wegen Rafah entstanden ist, zu schliessen.»
Sorgen bereiten aber auch die Arbeitsbedingungen für die Lastwagenfahrer. Es drohen Angriffe von Gangs, verzweifelten und hungrigen Bürgern oder von der israelischen Armee. Vizeadmiral Cooper beschwichtigt: Seiner Einschätzung nach könne man unter den derzeitigen Bedingungen sicher operieren. Man arbeite eng mit dem israelischen Militär zusammen und habe Protokolle entwickelt.
Weniger optimistisch äussert sich Korde: «Die Massnahmen sind angesichts der Komplexität des Konflikts nicht auf dem Stand, den sie haben sollten.» Man müsse mit Gesprächen erreichen, dass sich die humanitären Helfer sicher fühlten.
UN-Vertreter: Lastwagenfahrer kommen aus Angst nicht zur Arbeit
Auch Georgios Petropoulos vom UN-Büro für Koordinierung humanitärer Angelegenheiten spricht von einem «äusserst unsicheren Umfeld». Aus Angst kämen einige Lastwagenfahrer nicht mehr zur Arbeit.
Die meisten Hilfsorganisationen betrachten den temporären Hafen an der Küste Gazas als weniger effizienten und risikobehafteten Ersatz für Landkorridore. Sie sind laut Petropoulos aber bereit, ihm eine Chance zu geben. «Wir sollten uns nicht davon ablenken lassen, wie die Dinge nach Gaza kommen.»
Doch auch Vizeadmiral Cooper sagt: «Der Pier ist kein Ersatz für ordnungsgemäss funktionierende Landkorridore.»