«Zeit für maximalen Ehrgeiz» - Schlussspurt auf UN-Klimagipfel
Kurz vor Abschluss der Weltklimakonferenz in Dubai wurden eindringliche Appelle an die teilnehmenden Staaten gerichtet.
Dramatische Appelle kurz vor Schluss der Weltklimakonferenz in Dubai: UN-Generalsekretär Antonio Guterres rief die knapp 200 Staaten am Montag auf, sich zusammenzuraufen und den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas im Abschlusstext festzuschreiben. «Jetzt ist es an der Zeit für maximalen Ehrgeiz und maximale Flexibilität», sagte er bei einem Auftritt vor der Weltpresse.
Die Verhandlungsteams müssten willkürlich gezogene rote Linien und Blockadehaltungen hinter sich lassen. Beim Ausstieg aus den fossilen Energien stehe es «Spitz auf Knopf», schrieb Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf Instagram. Die Verhandlungsteams hätten bis 6.00 Uhr morgens zusammengesessen.
Die zweiwöchigen Verhandlungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten sollen am Dienstagvormittag enden, sind aber ins Stocken geraten. Ein neuer Entwurf für das Abschlussdokument sollte – nach tagelangem Ringen hinter verschlossenen Türen – am Montag veröffentlicht werden. Anschliessend war eine Aussprache im Plenum geplant. Wie immer in den vergangenen Jahren könnte die Konferenz in die Verlängerung gehen.
Ehrgeizige Formulierungen im Abschlusstext
Strittigster Punkt ist, ob sich die Staatengemeinschaft einstimmig auf einen Ausstieg aus den klimaschädlichen Energieträgern Kohle, Öl und Gas einigen kann. Etliche Länder leisten Widerstand, darunter das ölreiche Saudi-Arabien, aber auch China, der Irak und Russland.
Die Mehrheit aller Staaten wolle aus den fossilen Energien aussteigen, schrieb Baerbock auf Instagram. Einige Länder hätten aber Sorge, weil ihnen Unterstützung bei der Umsetzung fehle. «Wir wissen, dass es unsere Verantwortung als Industriestaaten ist, auch ihnen den Ausstieg zu ermöglichen. Und das werden wir tun.» Sie gab sich kämpferisch: «Was wir nicht tun werden, ist, vor denen einzuknicken, die alle Mittel haben – insbesondere finanzielle.»
Guterres sprach sich für ehrgeizige Formulierungen im Abschlusstext aus. «Bekennt euch zur 1,5-Grad-Grenze. Beendet das fossile Zeitalter. Liefert Klimagerechtigkeit.» Das heisse nicht, dass alle Staaten beim Ausstieg aus den fossilen Energien gleich schnell vorgehen müssten, sagte der UN-Generalsekretär – und sprach damit einen weiteren wichtigen Streitpunkt an. Wichtig sei das Ziel, weltweit 2050 auf netto null bei den klimaschädlichen Treibhausgasemissionen zu kommen.
Auch UN-Klimachef Simon Stiell pochte auf mehr Kompromissbereitschaft und Ehrgeiz im Kampf gegen die Erderhitzung. «Jeder Schritt weg von den höchsten Ambitionen kostet unzählige Millionen Menschenleben – und zwar nicht im nächsten politischen oder wirtschaftlichen Zyklus, mit dem künftige Staats- und Regierungschefs zu kämpfen haben, sondern bereits jetzt, in jedem Land.» Weiter sagte er: «Die Welt schaut zu, so wie die 4000 Medienvertreter und tausende Beobachter hier in Dubai. Nirgendwo kann man sich verstecken.»
Naturschützer warnten vor abgeschwächtem Ergebnis
Eine Allianz progressiver Staaten – die sogenannte Beyond Oil and Gas Alliance – erklärte am Montag: «Wir können unsere Abkehr von Öl und Gas nicht länger hinauszögern.» Derzeit halte der massive Ausbau von erneuerbaren Energien das 1,5-Grad-Ziel noch in Reichweite. «Ohne den geordneten Ausstieg aus der Produktion und Nutzung fossiler Brennstoffe wird sich diese Tür schliessen.»
Neben Dänemark und Costa Rica – den Gründungsmitgliedern des Bündnisses – unterzeichneten auch Länder wie Frankreich und Spanien die Erklärung. Deutschland war nicht dabei.
Naturschützer und Klimaaktivisten warnten im Endspurt der Weltklimakonferenz vor einem abgeschwächten Ergebnis. Die Klimachefin von WWF Deutschland, Viviane Raddatz, sagte, es dürfe im Abschlusstext «keine Schlupflöcher» geben – etwa mit Formulierungen, die die Tür für eine grosse Rolle von Technologien zur CO₂-Speicherung und -Abscheidung öffneten.
Caroline Brouillette vom Climate Action Network Kanada sagte, der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen könne in armen Ländern nicht ohne mehr internationale Unterstützung geschafft werden. Zudem kritisierte sie diejenigen westliche Industriestaaten als heuchlerisch, die ihre Öl- und Gasproduktion trotz Klimakrise ausweiten wollten. «Die USA, Kanada, Norwegen, Australien und das Vereinigte Königreich sind grosse Produzenten und Exporteure fossiler Brennstoffe, die für 50 Prozent der Ausbaupläne für die weltweite Öl- und Gasförderung verantwortlich sind. Diese grossen fünf Länder müssen vorangehen.»
Klimaaktivisten prangern Israel an
Ein Netzwerk von Umweltorganisationen vergab den Negativpreis «Fossil des Tages» an Israel – mit drastischen Formulierungen zum laufenden Militäreinsatz im Gaza-Krieg. «Das Handeln Israels zielt darauf ab, das palästinensische Volk durch den sich entfaltenden Völkermord und ethnische Säuberung zu eliminieren», erklärte das Climate Action Network.
Ihm gehören nach eigenen Angaben mehr als 1900 zivilgesellschaftliche Organisationen in mehr als 130 Staaten und auf internationaler Ebene an – darunter Greenpeace, Oxfam und Germanwatch.