Zyklon, Hochwasser und Erdbeben: Naturgewalten wüten in Neuseeland
In Neuseeland wird nach den Unwettern im Zuge des tropischen Zyklons «Gabrielle» langsam das Ausmass der Zerstörung klar. Mindestens vier Menschen sind Polizeiangaben zufolge ums Leben gekommen, darunter ein Kind und ein Feuerwehrmann. «Einige Menschen werden noch vermisst, und die Polizei ist in grosser Sorge um sie», sagte Ministerpräsident Chris Hipkins am Mittwoch. Auf der Nordinsel standen ganze Landstriche unter Wasser. Strassen waren unpassierbar, Brücken wurden fortgeschwemmt. Vielerorts ragten nur noch Hausdächer aus den braunen Wassermassen. Als wäre das noch nicht genug, erschütterte am Mittwochabend (Ortszeit) noch ein schweres Erdbeben den Pazifikstaat.
Das Wichtigste in Kürze
- Die nationale Erdbebenwarte Geonet gab die Stärke des Bebens erst mit 6,1 und später mit 6,3 an.
Das Zentrum lag demnach nahe der Hauptstadt Wellington in etwa 50 Kilometern Tiefe im Meer. Die US-Erdbebenwarte USGS bezifferte die Stärke vorerst auf 5,7.
Die Erdstösse waren in vielen Landesteilen zu spüren. Innerhalb kurzer Zeit hätten rund 60 000 Menschen gemeldet, dass sie die Erdstösse deutlich gespürt hätten, darunter in der grössten Stadt Auckland und sogar in Christchurch auf der Südinsel, berichtete die Zeitung «New Zealand Herald». Viele beschrieben das Beben als «massiv und angsteinflössend».
Augenzeugen sagten der Deutschen Presse-Agentur, sie hätten unter Tischen Schutz gesucht. Schlimmere Folgen hatte zumindest dieses heftige Naturereignis aber offenbar nicht: Über Verletzte oder Schäden wurde nichts bekannt. «Aber Mutter Erde meint es gerade nicht gut mit unserem Land», sagte eine Frau aus Wellington. Der Inselstaat Neuseeland liegt auf dem sogenannten Pazifischen Feuerring, der geologisch aktivsten Zone der Erde.
Die Einsatzkräfte waren derweil mit zahlreichen Helikoptern unermüdlich im Einsatz, um Hunderte Menschen zu retten, die wegen des Tropensturms auf ihre Hausdächer geflüchtet waren. «So etwas habe ich noch nie erlebt», erklärte Kevin McCormack aus einem Dorf nördlich der Stadt Hastings, der mit seiner Frau stundenlang auf dem Dach ausgeharrt hatte. Er sprach von einer «wilden Nacht». Seinen Nachbarn sei es ähnlich ergangen, sagte er dem Sender Radio New Zealand.
Nach Angaben des Ministers für Notfallmanagement, Kieran McAnulty, waren noch immer mehr als 140 000 Menschen ohne Strom. Er sprach von einem «massiven, beispiellosen Wetterereignis». Besonders schlimm betroffen waren die berühmte Weinregion Hawke's Bay und die bei Touristen beliebte Halbinsel Coromandel.
Einige Gemeinden waren völlig von der Aussenwelt abgeschnitten, so etwa der Ort Wairoa. Anwohner sagten örtlichen Medien, sie seien auf Versorgung aus der Luft angewiesen. «Wairoa hat nur Lebensmittel für einen Tag und genug Trinkwasser für zwei Tage», betonte Anwohnerin Liz Lambert. Auch Marineschiffe sollten Vorräte in die am schlimmsten betroffenen Regionen bringen. Weil Mobilfunkmasten ausfielen, war es schwer, an Informationen aus Überschwemmungsgebieten zu kommen.
«Gabrielle» war seit Montag mit orkanartigen Winden und Starkregen über den Pazifikstaat gezogen. Am Dienstag hatte die Regierung den Nationalen Notstand ausgerufen – erst zum dritten Mal in der Geschichte des Landes. Obwohl der Sturm langsam aus Neuseeland abzog, warnte der Wetterdienst MetService vor weiteren schweren Niederschlägen in zentralen Regionen des Landes. Neuseeland liegt auf der Südhalbkugel, so dass dort gerade Sommer ist.
Viele verglichen die verheerenden Folgen von «Gabrielle» bereits mit denen des Zyklons «Bola». Der Wirbelsturm hatte 1988 massive Schäden angerichtet. Während das Nachbarland Australien im Zuge des Klimawandels schon länger mit immer neuen Naturkatastrophen und Extremwetter kämpft, waren solch schwere Wetterereignisse in Neuseeland bislang eher die Ausnahme.
In diesem Jahr aber häufen sich die Katastrophen: Erst vor wenigen Wochen hatte es auf der Nordinsel schlimme Überschwemmungen gegeben. Dabei war in Auckland innerhalb von 24 Stunden so viel Regen gefallen wie sonst in einem ganzen Sommer. Hipkins, der erst seit Januar Regierungschef ist, erklärte, dass der Sturm eines ganz deutlich gemacht habe: Neuseeland müsse sich den Herausforderungen des Klimawandels stellen.