Hongkong: Wann greift China militärisch ein?
In Hongkong wächst die Sorge vor einem Eingreifen von China. Nach der friedlichen Kundgebung am Sonntag sind Peking aber vorerst wohl die Hände gebunden.
Das Wichtigste in Kürze
- Seit über zwei Monaten gehen in Hongkong immer wieder Menschen auf die Strasse.
- In den vergangenen Tagen hatte China eine massive Drohkulisse aufgebaut.
- Die Sorge vor einem militärischen Eingreifen wird international immer grösser.
- US-Präsident Trump warnt China sogar vor dem Einsatz von Gewalt.
Am Sonntag erreichten die Proteste in Hongkong ihren vorläufigen Höhepunkt. Rund 1,7 Millionen Menschen gingen trotz Drohungen von Peking auf die Strasse. Nach einer Woche mit teils chaotischen Zuständen, blieb es dabei jedoch friedlich.
Für die Demonstranten war der Tag vor allem deshalb ein Erfolg. Denn damit konnten sie ein klares Signal an die Regierungen in Hongkong, Peking und den Rest der Welt senden.
Weder Chinas Drohgebärden noch Regen haben die Demonstranten in #Hongkong abgehalten, wieder auf die Straße zu gehen: für mehr Demokratie und gegen den wachsenden Einfluss Pekings. Hunderttausende versammelten sich erneut in der Innenstadt. pic.twitter.com/RBrWGuxc4i
— ZDFheute (@ZDFheute) August 18, 2019
Die Botschaft: Die Mehrheit will mit friedlichen Mitteln eine Veränderung bewirken und steht nach wie vor hinter den Forderungen der Opposition.
Für China, das an der Grenze zu Hongkong Truppen versammelt hat und letzte Woche davon sprach, dass die Proteste «quasi terroristisch» seien, dürfte eine solche Botschaft deutlich schwieriger zu kontern sein als die Ausschreitungen der vergangenen Tage.
Denn um eine militärische Intervention in der Sonderverwaltungszone zu rechtfertigen, braucht die Führung in Peking auch ihrer eigenen Bevölkerung gegenüber einen augenfälligen Vorwand.
Vermummte Radikale würden sich dafür besser eignen als Hunderttausende friedlich marschierende Demonstranten.
China verfolgt in Hongkong die Tibet-Strategie
Ob China in Hongkong offen intervenieren wird, kann derzeit niemand sagen. Der Hongkonger Willy Lam (67), Professor an der Chinese University of Hongkong und einer der besten China-Kenner, hält laut dem «Spiegel» einen militärischen Einmarsch jedoch für unwahrscheinlich.
«Sie werden nicht den Weg einer Besatzung wählen. Die Volksbefreiungsarmee einzusetzen würde die USA zu sehr herausfordern», so der Zeitzeuge des Tiananmen-Aufstands.
Als Entwarnung sind diese Worte laut dem Magazin aber keinesfalls zu verstehen. Willy Lam sehe in Hongkong nämlich einen Plan ablaufen. Dieser habe schon der vor der jüngsten Protestbewegung begonnen und wird sie auch lange überdauern.
Es ist eine Strategie ähnlich wie in den Autonomiegebieten Tibet und Xinjiang. Lam spricht von einer «schleichenden Integration». Diese spiele sich auf vielen Ebenen ab: politisch, wirtschaftlich, polizeilich.
Wurde die Protestbewegung unterwandert?
Bereits gebe es starke Hinweise darauf, dass Polizeibeamte der chinesischen Nachbarprovinz Guangdong die Grenze überschritten und ihre Uniform gewechselt hätten. Das werde das Muster der Zukunft sein. «Polizeiliche und geheimdienstliche Massnahmen, die Verhaftung Hunderter Demonstranten.»
Lam rechnet damit, dass man ab September einen immer festeren Zugriff sehen werde. «Und einen noch festeren in den kommenden Jahren.» Über sein Verbindungsbüro in Hongkong übe Peking starke Kontrolle über die örtliche Politik, die Medien, die Polizei und Sicherheitsdienste aus.
Die Protestbewegung sei längst unterwandert. «Dass Polizisten sich als Demonstranten getarnt haben, ist belegt.» Auch von sogenannten Agents Provocateurs ist die Rede. Die Einmischung von Geheimdienstmitarbeiter sei naturgemäss zwar schwieriger nachzuweisen.
Aber selbst unter den Protestierenden würden sich manche fragen, ob die Bewegung radikalisiert wurde. Die Aktivisten hätten zwar auch selbst die Grenzen der «marginalen Gewalt» überschritten, so Lam, aber die «Agenten verschärfen die Lage».
Weltweite Sorge um militärisches Eingreifen
Auch international wächst die Sorge vor einem Eingreifen von China – so etwa in den USA. Präsident Donald Trump hat China angesichts der neuen Massenproteste in Hongkong vor dem Einsatz von Gewalt gewarnt. Falls es zu Gewalt gegen die Demonstranten käme, wäre es «sehr schwierig», sich mit China noch auf ein Handelsabkommen zu verständigen, sagte Trump.
International gibt es Sorgen, dass die Volksrepublik den Konflikt in der 7,5-Millionen-Einwohner-Stadt mit Gewalt lösen könnte. Trump sagte dazu, er habe Vertrauen in Präsident Xi Jinping, die Krise auf menschliche Art zu regeln. Chinas Staats- und Parteichef hat sich zu dem Konflikt nicht geäussert. Von der staatlichen gelenkten Presse gab es in Richtung Hongkong aber zahlreiche Warnungen.