Absage von Rekord-Börsengang: Alibaba unter Druck
Der Alibaba-Ableger Ant Group muss nicht nur seinen Rekord-Börsengang absagen. Chinas Behörden legen dem weltgrössten Fintech-Unternehmen plötzlich auch neue Zügel an. Wurde Gründer Jack Ma zu eigenmächtig?
Das Wichtigste in Kürze
- Nach der kurzfristigen Absage des geplanten Rekord-Börsengangs der Ant Group stehen der chinesische Finanzriese und sein Mutterhaus Alibaba unter Druck.
Nach einem Rückgang um rund acht Prozent am New Yorker Aktienmarkt setzte sich der Tiefflug der Aktie des grössten Online-Handelshauses Alibaba am Mittwoch in Hongkong mit einem Minus von mehr als sieben Prozent fort. Dem Konzern gehört ein Drittel der Ant Group, deren Börseneinführung in Shanghai und Hongkong am Vortag überraschend geplatzt war.
Innerhalb von nur einem Jahrzehnt ist Ant Group mit dem in China populären mobilen Bezahldienst Alipay zum grössten Fintech-Unternehmen der Welt aufgestiegen. Es bietet heute auch Kredite, Versicherungen und Vermögensverwaltung online an. Den mobilen Bezahlmarkt in China teilt sich Alipay mit der Konkurrenz von Wechat-Pay des chinesischen Internetkonzerns Tencent. Das Milliardenvolk bezahlt heute in Geschäften meist nur mit dem Handy, indem ein Code eingescannt wird.
Ant Group entschuldigte sich bei den Investoren, die für diesen Donnerstag eigentlich mit dem grössten Börsengang aller Zeiten gerechnet hatten. Die Absage hatte die Shanghaier Börse am Vortag damit begründet, dass sich das «aufsichtsrechtliche Umfeld» geändert habe. Das könnte dazu führen, dass Ant Group die Bedingungen für den Börsengang und die Offenlegungspflichten nicht erfüllen könnte. «Es ist eine Entscheidung, um die Kapitalmarktstabilität und die Rechte und Interesse der Investoren zu schützen», verteidigte Aussenamtssprecher Wang Wenbin vor der Presse in Peking das Vorgehen.
Das Debüt sollte eigentlich 34,5 Milliarden US-Dollar (29,2 Mrd Euro) einbringen und den bislang grössten Börsengang von Saudi Aramco in Höhe von 29 Milliarden Dollar im Dezember in den Schatten stellen. Damit wäre die Ant Group mit mehr als 300 Milliarden US-Dollar bewertet worden - mehr als die US-Bank JP-Morgan Chase & Co oder viermal mehr als das Investmenthaus Goldman Sachs.
Die Aufsichtsbehörden gingen allerdings abrupt und überraschend hart gegen die Ant Group vor, der nach Einschätzung von Experten damit eine Generalüberholung bevorstehen könnte. Sean Darby von der US-Investment-Bank Jefferies sah einen gezielten Schritt: «Es ist früher schon passiert, wenn Unternehmen für den Geschmack der Behörden anscheinend zu gross gegenüber dem Staat geworden sind», sagte Darby der Finanzagentur Bloomberg.
Die Regierung zog die Schrauben am Wochenende mit Beratungen des Finanzkomitees unter Leitung von Vizepremier Liu He an. Am Montag wurden neue Pläne für Beschränkungen der Online-Kreditvergabe vorgelegt, die das Geschäft der Ant Group stark beeinträchtigen dürften. Danach müssen solche Unternehmen künftig 30 Prozent der Kredite selbst finanzieren, die gemeinsam mit Banken vergeben werden.
Bei der Ant Group sind es aber nur zwei Prozent, wie das chinesische Wirtschaftsmagazin «Caixin» berichtete. Das Kreditgeschäft sei mit einem Anteil von 39,4 Prozent in der ersten Jahreshälfte auch schon grösser gewesen als der Bezahldienst Alipay, der 35,9 Prozent der Einnahmen ausgemacht habe.
Das Vorgehen der Behörden zielt auf die Kreditplattform, über die Ant Group Kredite von Banken und anderen Finanzinstitutionen zu Millionen Verbrauchern bringt. Die Banken- und Versicherungsaufsicht wolle Kreditgeber davon abbringen, die Drehscheibe des Fintech-Riesen zu nutzen, berichtete Bloomberg. Einige von ihnen seien schon aufgefordert worden, sich an die Montag verkündeten Entwürfe für die künftigen Beschränkungen zu halten, zitierte die Agentur informierte Personen, die anonym bleiben wollten.
Am Montag waren Alibaba-Gründer Jack Ma und andere Führungskräfte des Unternehmens auch von Chinas Zentralbank und der Banken- und Wertpapieraufsicht vorgeladen worden. Wegen des ausserordentlichen Vorgehens wurde spekuliert, dass sich der Milliardär Ma vielleicht den Zorn der Aufsichtsbehörden auf sich gezogen haben könnte.
So soll eine Rede des zweitreichsten Mannes Chinas vor zwei Wochen nicht gut angekommen sein, hiess es. Der Alibaba-Gründer, der sonst immer loyal zur Kommunistischen Partei steht, hatte darin scharfe Kritik an lokalen und globalen Regulierungsbehörden geübt. «Gute Innovation hat keine Angst vor Regulierung, aber sie hat Angst vor veralteten Vorschriften», wurde der Milliardär zitiert. Die Zukunft dürfe nicht «mit Methoden von gestern» reguliert werden.