EU-Staaten boxen Verschlüsselungsverbot dank Terroranschlägen durch
Die Anschläge von Nizza und Wien veranlassen EU-Staaten dazu, längst geplante Überwachungsgesetze durchzusetzen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die EU arbeitet an einer Aufhebung der sicheren Verschlüsselung in Messenger-Diensten.
- Durch die Terroranschläge in Wien und Nizza haben sie leichtes Spiel.
- Geplant waren die Resolutionen jedoch bereits vor diesen Ereignissen.
«Sicherheit durch Verschlüsselung und Sicherheit trotz Verschlüsselung», so der Name eines geheimen Resolutionsentwurfs, den der EU-Ministerrat am 6. November – wenige Tage nach den Terroranschlägen von Wien am 2. November – verfasst hat. Veröffentlicht wurde das Dokument vom Österreichischen Rundfunk ORF.
Im Schnellverfahren soll damit quasi ein Verbot von effektiver Verschlüsselung durchgewunken werden. Zwar würden Inhalte in Messenger-Apps wie WhatsApp weiterhin verschlüsselt. Das Zurverfügungstellen eines General-Schlüssels an EU-Regierungen würde jedoch zur Pflicht.
Damit ein solcher Schlüssel funktioniert, ist eine Hintertür vonnöten. Eine Hintertür, die technisch bedingt von Dritten missbraucht werden kann. Der Nutzen der Verschlüsselung fällt damit ins Wasser.
Einsprache unwahrscheinlich
Die Resolution soll bereits am 19. November in der Ratsarbeitsgruppe zur Kooperation im nationalen Sicherheitsbereich (COSI) verabschiedet werden.
Am 25. November wird die Sache dem Ausschuss der Ständigen Vertreter der EU-Mitgliedstaaten COREPER vorgelegt. «Es sei denn, die Delegationen senden substanzielle Kommentare mit konkreten Formulierungen und Vorschlägen bis zum 12. November ein», heisst es in dem Dokument.
Versäumnis der Behörden – Digitale Überwachung hätte Anschläge nicht verhindert
Ohne die Publikation des ORF hätte die Öffentlichkeit wohl erst viel später davon erfahren. Brisant: Bereits am 21. Oktober wurde eine Vorversion des Dokuments verfasst. Dafür, dass die Terroranschläge nur als Vorwand dienen dürften, sprechen auch andere Fakten: So ist inzwischen ohnehin klar, dass diese durch digitale Überwachung nicht hätten verhindert werden können.
Viel mehr hatten es Behörden versäumt, eindeutigen Hinweisen auf terroristische Aktivitäten Achtung zu schenken. So hatte der Terrorist im Juli versucht, Munition zu kaufen. Dies hatte das slowakische Innenministerium via Europol an Österreich kommuniziert.
Ausserdem wurden mehrere Personen im Umfeld des Täters im Auftrag des deutschen Verfassungsschutzes überwacht.
Mit Hinblick auf die Terroranschläge schreibt das ORF: «In Brüssel wird so ein Anlass seit 25 Jahren mit schnöder Regelmässigkeit dafür missbraucht, längst geplante Überwachungsvorhaben durchzusetzen.»