Teil-Lockdown für Ungeimpfte und eine Testpflicht in Bus und Bahn - so wollen SPD, Grüne und FDP ihre Corona-Pläne nachbessern. Offen ist, ob die Krise so entschärft werden kann.
In einem Restaurant am Kurfürstendamm in Berlin wird auf die geltende 2G-Regel hingewiesen. Foto: Fabian Sommer/dpa
In einem Restaurant am Kurfürstendamm in Berlin wird auf die geltende 2G-Regel hingewiesen. Foto: Fabian Sommer/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Wegen der Zuspitzung der Corona-Lage in Deutschland sollen die Bundesländer auch künftig Kontakte beschränken und Freizeitveranstaltungen untersagen können.
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Nach viel Kritik an ihren Corona-Plänen einigten sich SPD, Grüne und FDP auf entsprechende Nachbesserungen. Ausgangs- oder Reisebeschränkungen sowie generelle Schliessungen von Schulen, Läden oder Gaststätten sollen nach dem Auslaufen der epidemischen Lage am 25. November nicht mehr möglich sein. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz versprach, alle «notwendigen Entscheidungen» würden getroffen. Geplant ist auch 3G im öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Nur noch Menschen mit Impf-, Genesenen- oder Testnachweis dürften dann mitfahren.

Entscheidungen sollen an diesem Donnerstag fallen. Dann wollen SPD, Grüne und FDP das veränderte Infektionsschutzgesetz im Bundestag beschliessen. Bund und Länder wollen zudem in einem Spitzentreffen einen gemeinsamen Kurs festlegen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mahnte verschärfte Massnahmen an. Die Krankenhäuser warnten vor einem Kollaps. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dämpften in einer Bundestagsanhörung die Erwartungen an die geplanten Massnahmen.

Nach den Nachbesserungen ihrer ursprünglichen Pläne wollen die Ampelpartner den Ländern weiter Kontaktbeschränkungen im privaten und im öffentlichen Raum erlauben. Zusätzliche Schritte sollen die Länder mit Beteiligung der Landesparlamente beschliessen können. Möglich sein sollen etwa Verbote von Freizeit-, Kultur- und Sportveranstaltungen und ein Alkoholverbot in der Öffentlichkeit. Die derzeitig gültige epidemische Lage als Rechtsbasis für Einschränkungen soll aber wie geplant am 25. November auslaufen.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte, es gehe darum, einen «Schutzwall» zu errichten für Kinder und Jugendliche und andere besonders verletzliche Gruppen. Geschäftsschliessungen wie in früheren Wellen seien unnötig. Restaurants könnten geöffnet bleiben, so lange sie genügend Platz bereithielten.

«Das ist faktisch ein Lockdown für Ungeimpfte, der hier auf den Weg gebracht wird», sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, im ZDF. «Wir werden den Ländern es ermöglichen, 2G plus, 2G- und 3G-Massnahmen je nach dem Infektionsgeschehen auf den Weg zu bringen.» Grünen-Chef Robert Habeck sagte in der ARD: «Kontaktuntersagung oder 2G-Regelung heisst in weiten Teilen: Lockdown für Ungeimpfte. Das ist die Vulgärübersetzung.»

Auch bei der geplanten 3G-Regel am Arbeitsplatz konkretisierten sich die Ampelpläne: Hierbei ist nach den Worten von Wiese ein Auskunftsrecht der Arbeitgeber geplant. Hinsichtlich der geplanten 3G-Regeln für Bus und Bahn warnte der geschäftsführende Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vor einem Verkehrschaos. Bisher hatte die Regierung vor so einem Schritt gezögert, weil er als schwer umsetzbar galt. Wieder mehr Tempo soll es bei den Corona-Impfungen geben. Der Bund bezahlt die Impfzentren der Länder nun bis mindestens Ende April 2022 zur Hälfte mit.

SPD, Grüne und FDP wollen nach Angaben der Grünen auch über eine Corona-Impfpflicht etwa für Pflegeheime sprechen - eine Einigung gibt es aber noch nicht. «Es gibt keine Einigung auf eine Testpflicht in den Einrichtungen. Wir werden über solche Massnahmen weiter zu sprechen haben mit den Ampelpartnern», sagte Göring-Eckardt. Eine mögliche Impfpflicht für bestimmte Bereiche wäre nicht Bestandteil der Reform des Infektionsschutzgesetzes, sondern eines separaten Gesetzgebungsverfahrens, erklärte die Grünen-Fraktionschefin.

Steinmeier forderte in Berlin alle zu verstärkten Anstrengungen auf: «In diesen Wochen, in denen uns die vierte Welle mit brutaler Härte trifft, in denen auf den Intensivstationen wieder Tausende mit dem Virus ringen, in denen sich Kinder, Jugendliche und vor allem viele Ungeimpfte anstecken, in diesen Wochen müssen wir mehr tun, um diese Welle zu brechen.» Steinmeier rief Zögerliche auf, sich jetzt impfen zu lassen.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach von einer «Woche der Wahrheit» im Kampf gegen die vierte Welle. «Es ist die vielleicht letzte Chance, um gegenzusteuern», sagte Söder in München. Dann könne die Lage unkontrollierbar werden. Die Pläne der künftigen Ampel seien ein Schritt in die richtige Richtung. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) pocht auf «ein gemeinsames und geschlossenes Handeln von Bund und Ländern», wie Regierungssprecher Steffen Seibert sagte. Nötig sei ein gemeinsamer Kurs für zusätzliche Massnahmen ab einem bestimmten Schwellenwert für Krankenhauseinweisungen von Covid-19-Patientinnen und -Patienten.

Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz kletterte laut Robert Koch-Institut (RKI) über die 300er-Marke. Es gab 303 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche und 23.607 Neuinfektionen binnen eines Tages. Der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gass, sagte: «Die Lage in deutschen Krankenhäusern ist dramatisch in vielen Regionen.» Schwerkranke müssten regional und überregional verlegt werden, so Gass auf dem Krankenhaustag in Düsseldorf.

In einer Bundesanhörung zu den Ampelplänen sagte die Physikerin und Modelliererin Viola Priesemann: «Das, was derzeit geplant ist, nur 2G, 3G im öffentlichen Bereich, das wird nicht reichen, um die Fallzahlen runterzubringen.» Denn die meisten Kontakte spielten sich im Privaten ab, und durch Schulen und Arbeitsplatz gebe es viele Verbindungen zwischen Geimpften und Ungeimpften.

Der Virologe Christian Drosten sagte vor den Abgeordneten, in der aktuellen «Hochinzidenz-Zeit» verhindere man mit 3G in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht, dass Geimpfte, die unerkannt infiziert seien, Menschen ohne Impfung ansteckten. In stabilen Sozialgruppen, etwa am Arbeitsplatz, könne die 3G-Regel jedoch noch etwas ausrichten.

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