Anne Frank: Kritik an Untersuchung zu möglichem Verräter
Ein jüdischer Notar soll das Versteck der Familie von Anne Frank an die Nationalsozialisten verraten haben. Historiker üben an der Untersuchung nun Kritik.
Das Wichtigste in Kürze
- Mehrere Historiker sprechen von Fehlern und Ungenauigkeiten in der Untersuchung.
- Sie sehen unter anderem kein Motiv beim beschuldigten Notar.
Das Versteck von Anne Frank wurde an die Nationalsozialisten verraten. Nun haben Historiker Kritik an der Untersuchung über diesen Verrat geübt.
Die Beweislage sei sehr dünn. Dies sagte der Amsterdamer Professor für Holocaust- und Genozidstudien, Johannes Houwink ten Cate: «Zu grossen Beschuldigungen gehören grosse Beweise. Und die gibt es nicht.»
Ein internationales Team hatte fünf Jahre lang in Archiven geforscht. Dabei ging es um die Frage, wer 1944 acht jüdische Menschen in Amsterdam an die deutschen Nazis verraten hatte. Anne Frank (1929 - 1945) hatte dort ihr heute weltberühmtes Tagebuch geschrieben. Das Team hatte am Montag seine Ergebnisse veröffentlicht.
Wurde Anne Frank von jüdischem Notar verraten?
Danach habe sehr wahrscheinlich ein jüdischer Notar das Versteck verraten. Er habe damit seiner Familie das Leben retten wollen.
Das Team beruft sich vor allem auf die Kopie eines anonymen Briefes. Dieser hatte der Vater von Anne, Otto Frank, nach dem Krieg erhalten. In diesem wird der Name des Notars genannt.
Mehrere Historiker äusserten Zweifel an den Schlussfolgerungen und sprachen von Fehlern und Ungenauigkeiten in der Untersuchung. Es gebe keine Beweise, dass der Jüdische Rat im Zweiten Weltkrieg Listen mit Adressen von Verstecken von Juden aufgestellt hatte. Auch sehen die Historiker kein Motiv bei dem Notar.
Er sei bereits selbst im Sommer 1944 mit seiner Familie wegen drohender Deportation untergetaucht. Mit einer Anzeige beim Sicherheitsdienst hätte der Notar nach Darstellung der Historiker nur die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt.