Taliban

Taliban im Präsidentenpalast in Kabul

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Afghanistan,

Kabul war die letzte Grossstadt in Afghanistan in den Händen der Regierung. Doch nun flieht der Präsident, und die Taliban rücken ein. Mit Bangen erwartet die Bevökerung die kommenden Tage.

Taliban-Kämpfer in Mehtarlam, Hauptstadt der afghanischen Provinz Laghman. Foto: Str/XinHua/dpa
Taliban-Kämpfer in Mehtarlam, Hauptstadt der afghanischen Provinz Laghman. Foto: Str/XinHua/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Nach dem rasanten Eroberungszug der Taliban in Afghanistan ist Präsident Aschraf Ghani ins Ausland geflohen.

Zuvor hatten die islamistischen Aufständischen am Wochenende weitere Grossstädte in dem Krisenstaat erobert und auch die Hauptstadt Kabul eingekesselt.

Am Sonntagabend rückten dann Talibankämpfer in die Millionenmetropole ein und besetzten auch den Präsidentenpalast.

Die Bundesregierung begann angesichts der brisanten Lage unter Hochdruck mit der Evakuierung des Personals der deutschen Botschaft. Die ersten Angehörigen sollten noch am Sonntag ausgeflogen werden, kündigte Aussenminister Heiko Maas (SPD) an. Ausserdem sollten in der Nacht zum Montag Bundeswehr-Transportflugzeuge aufbrechen, um weiter Menschen auszufliegen. Die Botschaft in Kabul wurde zunächst dichtgemacht, die Mitarbeiter wurden zum militärischen Teil des dortigen Flughafens gebracht. Auch die USA begannen mit der Räumung ihrer Botschaft.

Ghani schrieb zur Begründung seiner Flucht auf Facebook, andernfalls wären zahlreiche Landsleute getötet und die Stadt Kabul zerstört worden. «Ich entschied mich zu gehen, um dieses Blutvergiessen zu verhindern.» Die Taliban hätten ihre Macht mit Waffengewalt errungen und seien nun dafür zuständig, die Leben, das Vermögen und die Ehre der Bürger zu schützen.

Der Vorsitzende des Nationalen Rats für Versöhnung, Abdullah Abdullah, äusserte sich empört. Er sagte in einer Videobotschaft, Gott möge Ghani zur Rechenschaft ziehen. Auch das Volk werde über ihn richten. Angaben dazu, wohin Ghani abreiste, machte Abdullah nicht. Lokale Medien berichteten, er sei nach Tadschikistan geflogen.

Die Taliban hatten in den vergangenen knapp eineinhalb Wochen fast alle Provinzhauptstädte eingenommen. Viele waren kampflos an sie gefallen. Am Samstagabend (Ortszeit) hatten sie Masar-i-Scharif im Norden und am Sonntagmorgen Dschalalabad im Osten erobert. In Masar-i-Scharif war bis vor wenigen Wochen ein grosses Feldlager der Bundeswehr gewesen, erst Ende Juni sind die deutschen Soldaten von dort abgezogen. Die Bundeswehr hatte zuletzt afghanische Sicherheitskräfte im Zuge des Nato-Einsatzes «Resolute Support» ausgebildet.

US-Aussenminister Antony Blinken verteidigte erneut den Truppenabzug, räumte allerdings ein, dass auch die USA von den Ereignissen überrascht worden seien. «Wir sehen, dass die Streitkräfte nicht in der Lage waren, das Land zu verteidigen - und zwar schneller, als wir es erwartet hatten.»

Die Taliban versuchten, die Furcht der Bevölkerung vor Chaos und Gewalt zu zerstreuen. Suhail Schahin, ein Unterhändler bei den Gesprächen mit der afghanischen Regierung in Katar, erklärte der BBC: «Wir versichern den Menschen (...) in der Stadt Kabul, dass ihr Hab und Gut und ihre Leben sicher sind.» Es werde «keine Rache an irgendjemandem» geben.

Am Abend teilten die Taliban in einer weiteren Erklärung mit, sie hätten Berichte erhalten, dass Polizeistationen und Ministerien verlassen worden seien. Die Sicherheitskräfte seien geflohen. Um Plünderungen zu verhindern oder damit anderen Menschen kein Schaden zugefügt werde, habe die Taliban-Führung ihre Kämpfer angewiesen, jene Gebiete zu betreten, aus denen der Feind geflohen sei.

Die US-Botschaft in Kabul wies ihre Landsleute an, sich in Sicherheit zu bringen. «Die Sicherheitslage in Kabul ändert sich schnell, auch auf dem Flughafen. Es gibt Berichte, dass der Flughafen unter Beschuss geraten ist; daher weisen wir US-Bürger an, sich in Sicherheit zu bringen», hiess es in einer Warnung.

Fallschirmjäger der Bundeswehr sollen an diesem Montag in Militärtransportern nach Kabul fliegen. Am selben Tag soll nach Angaben aus Sicherheitskreisen ein Krisenunterstützungsteam (KuT) aus Experten verschiedener Ministerien eintreffen. In der usbekischen Hauptstadt Taschkent soll ein zweites KuT eine Drehscheibe («Hub») für die Rettung von Menschen organisieren. Es geht um den bislang wohl grössten Evakuierungseinsatz der Bundeswehr. Auch die USA begannen, ihre Botschaft zu räumen und ihr Personal an einen Standort am Flughafen zu verlegen, wie Aussenminister Antony Blinken bestätigte.

Russland will seine Botschaft hingegen vorerst nicht räumen, wie der Afghanistan-Beauftragte des Aussenministeriums, Samir Kabulow, der Agentur Interfax sagte. Auch Frankreich will seine Botschaft offenhalten: Diese werde an den Flughafen verlegt, wo alles dafür getan werde, um weiter Visa an afghanische Ortskräfte und andere gefährdete Personengruppen ausstellen zu können, teilte das Aussenministerium mit. Das Verteidigungsministerium werde zudem militärische Verstärkung in die Vereinigten Arabischen Emirate schicken, um Evakuierungsflüge nach Abu Dhabi zu ermöglichen.

Aus der Nato hiess es auf Anfrage: «Wir helfen, den Betrieb des Flughafens Kabul aufrechtzuerhalten, damit Afghanistan mit der Welt verbunden bleibt. Wir halten auch unsere diplomatische Präsenz in Kabul aufrecht.»

In Kabul spielten sich am Sonntag chaotische Szenen ab. Es kam zu einer Schiesserei vor einer Bank, wie ein Bewohner der Stadt sagte. Viele Menschen versuchten, ihr Erspartes abzuheben und Lebensmittel zu kaufen. Ein Soldat aus Kabul sagte, seine gesamte Einheit habe die Uniformen abgelegt.

Ein Bewohner des Viertels Kart-e Tschar sagte am Abend, die Islamisten seien bereits im lokalen Polizeihauptquartier. In der Nacht berichteten mehrere Bewohner Kabuls von vereinzelten Schüssen, die sie hörten. Viele Menschen hatten sich zuhause verbarrikadiert.

Der britische Premierminister Boris Johnson warnte westliche Staaten davor, die Taliban ohne vorherige Absprache als neue Regierung Afghanistans anzuerkennen. Johnson sagte nach einer Sitzung des nationalen Sicherheitskabinetts, es sei «sehr wichtig, dass der Westen zusammenarbeitet, um dieser neuen Regierung - ob es Taliban sind oder jemand anderes - klarzumachen, dass niemand will, dass Afghanistan wieder zur Brutstätte für Terrorismus wird».

Albanien und Kosovo wollen vorübergehend afghanische Flüchtlinge aufnehmen, die nun in ihrem Land gefährdet sind. Man komme damit einer Bitte der USA nach, erklärten der albanische Ministerpräsident Edi Rama und die kosovarische Staatspräsidentin Vjosa Osmani auf Facebook. Es gehe darum, Flüchtlinge aufzunehmen, die später in die USA gebracht werden sollen.

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