Baerbock in Serbien: Gegenüber Russland Farbe bekennen
Aussenministerin Annalena Baerbock findet beim Treffen mit Aleksandar Vucic in Belgrad deutliche Worte. Wer europäische Werte teile, dürfe nicht an der Seitenlinie stehen.
Das Wichtigste in Kürze
- Aussenministerin Annalena Baerbock hat Serbiens Präsident Aleksandar Vucic angesichts des russischen Angriffskriegs von Präsident Wladimir Putin in der Ukraine aufgefordert, klar Farbe zu bekennen.
«Auf dem Spiel steht in der Ukraine nichts weniger als unsere gemeinsamen europäischen Werte Frieden, Freiheit, Demokratie und Wohlstand», sagte die Grünen-Politikerin am Freitag nach einem Gespräch mit Vucic in Belgrad. «Wer diese Werte teilt, der kann jetzt nicht an der Seitenlinie stehen.» Zu dem von Serbien angestrebten EU-Beitritt gehöre «die Bereitschaft, die gemeinsame Aussenpolitik der EU mitzutragen».
Vucic hatte in der Vergangenheit traditionell gute Beziehungen zu Russland gepflegt. Kürzlich stimmte Serbien zwar in einer Dringlichkeitssitzung der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York für eine Verurteilung des russischen Angriffskriegs. Den EU-Sanktionen gegen Russland will Vucic allerdings nicht folgen. Serbien führt seit 2014 Beitrittsverhandlungen mit der EU.
Serbien weist Frage nach Sanktionen zurück
Wie Deutschland habe «Serbien immer Wert darauf gelegt, dass ein klarer EU-Kurs und eine enge kulturelle und gesellschaftliche Nähe zu Russland kein Widerspruch sind», sagte Baerbock. «Aber gerade deshalb sind jetzt angesichts dieses Völkerrechtsbruchs gerade von uns, von unseren beiden Ländern klare Worten und Taten gefragt.» Notwendig seien nun sichtbare Fortschritte zur Normalisierung der serbischen Beziehungen mit Kosovo hin zu einem verbindlichen Abkommen. Serbien erkennt Kosovo bislang nicht als eigenständigen Staat an.
Serbische Aktivitäten gegen die territoriale Integrität und Souveränität von Bosnien-Herzegowina nannte Baerbock inakzeptabel. «Sie bedrohen die Stabilität in der ganzen Region», warnte sie.
Vucic reagierte auf eine Journalistenfrage abwehrend, warum Serbien die EU-Sanktionen gegen Russland nicht nachvollziehe. «Serbien hat in keiner Weise irgendetwas getan, was die Ukraine verletzt hätte», sagte er. Mit Blick auf eine mögliche Distanzierung von Putin ergänzte er: «Ich weiss nicht, wovon wir uns distanzieren sollen.» Er fügte hinzu: «Hier geht es nicht um Personen.» Seit Beginn des Konflikts habe er keine Kontakte zu russischen Amtsträgern gehabt.
Baerbock in der geteilten Stadt Mitrovica
Am Vormittag war Baerbock im Kosovo in die zwischen Serben und Albanern geteilte Stadt Mitrovica gereist. Auf der Ibar-Brücke macht sie das, was sie am Vortag in Bosnien-Herzegowina erprobt hatte: Sie führt verfeindete ethnische Lager zusammen. Die Brücke liegt zwischen dem serbisch dominierten Nordteil und dem mehrheitlich von Albanern bewohnten Südteil der Stadt. Immer wieder gibt es Spannungen. Baerbock trifft sich mit den Bürgermeistern beider Stadtteile und Vertreterinnen zweier Nichtregierungsorganisationen.
Alle Seiten berichten von Problemen - etwa dem, dass Uni-Abschlüsse aus dem serbisch dominierten Teil der Stadt nicht anerkannt werden. Die Ministerin macht das öfters so: Zusammenführen, zuhören, reden lassen. Und versuchen, den Dialog zu fördern. Die Gruppe redet so lange mit Baerbock, bis diese zum Ende drängt: In ein paar Minuten müsse sie «ihren Kanzler» Olaf Scholz (SPD) anrufen.
Chefdiplomatin: Auch in Sarajevo wird ihre Arbeitsweise klar
Schon am Donnerstag in Bosnien-Herzegowina ist es ähnlich. In der Altstadt von Sarajevo trifft sie sich mit der Bürgermeisterin der Stadt - und deren Kollegen aus Banja Luka und Mostar. Zwischen den Dreien sind Kontakte normalerweise schwierig - beim Spaziergang mit der Ministerin aus Deutschland kommen sie aber ins Gespräch. Genau achtet Baerbock auch auf die religiösen Gefühle in der Stadt - und besucht nacheinander die serbisch-orthodoxe Kathedrale, die Hauptmoschee, die Alte Synagoge und die Katholische Kathedrale.
Grüne Baerbock weiht grünes Projekt Windpark ein
Im Kosovo weihte Baerbock zum Abschluss ihres Besuches einen Windpark ein, der mit deutscher Unterstützung gebaut wurde. Die aus 27 Turbinen bestehende Anlage ist mit knapp 170 Millionen Euro die grösste Auslandsinvestition seit der Unabhängigkeit Kosovos 2008. Der Windpark entstand auf Initiative eines deutschen Projektentwicklers in Zusammenarbeit mit zwei kosovarischen Geschäftsleuten und soll bis zu 100.000 Haushalte mit Strom versorgen.