Banknotenhersteller G+D: Das Digitalgeld kommt

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Deutschland,

Private Kryptowährungen wie Bitcoin gibt es schon, digitale Dollarmünzen oder Euroscheine dagegen noch nicht. Doch das könnte sich in Zukunft ändern.

Das Firmenlogo an der Zentrale von Giesecke + Devrient in München. Foto: Alexander Heinl/dpa
Das Firmenlogo an der Zentrale von Giesecke + Devrient in München. Foto: Alexander Heinl/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Das internationale Geldwesen steht vor einer grossen Veränderung: Privaten Kryptowährungen à la Bitcoin könnte in absehbarer Zukunft von Zentralbanken ausgegebenes digitales Geld folgen.

Einem ersten chinesischen Versuch zu den Olympischen Winterspielen würden voraussichtlich andere Länder folgen, das erwartet zumindest Ralf Wintergerst, der Chef des Münchner Banknotenherstellers Giesecke +Devrient.

«Die People’s Bank of China hat angekündigt, zu den Olympischen Winterspielen 2022 eine sogenannte «digital currency electronic payment» einzuführen», sagte Wintergerst. «Das ist neu.» Er betrachte die chinesische Ankündigung als ersten Live-Versuch. «China und Schweden sind die zwei Länder, die am weitesten fortgeschritten sind, wobei China mit dem angekündigten Launch zu den Winterspielen ein Zeichen gesetzt hat. Wir stehen als Europa gerade erst am Anfang der Entwicklung.»

Technisch würde ein digitaler Euro dem Bitcoin ähneln Aber im Gegensatz zu der berühmten Kryptowährung stünde er unter Aufsicht einer Zentralbank. Digitale Währungen funktionieren auf Basis einer sogenannten Blockchain - also über eine Kette von Datenblöcken, die sich mit jeder Transaktion ausbaut. Ein solcher Euro würde dabei als digitale Einheit existieren und für Online-Geschäfte verfügbar sein. Man bräuchte, wie beim Bitcoin, eine eigene Wallet, in der das digitale Geld abgelegt wird. Moderne Smartphone-Banken haben diese schon standardmässig an die Girokonten angedockt.

G+D hat international mehr als 100 Zentralbanken als Kunden. Neben dem Banknotendruck ist das Unternehmen mittlerweile auch auf digitale Sicherheitstechnologien wie die Verschlüsselung spezialisiert.

«Es findet momentan auch in der EU ein Aufwachen statt», sagte Wintergerst. «Die EZB beschäftigt sich mit dem Thema, und auch die G20-Finanzminister erarbeiten gerade ein Grundsatzpapier, das Grundregeln digitaler Zentralbankwährungen beschreiben soll.»

Die Pläne von Facebook, die Kryptowährung Libra einzuführen, hatten eine Debatte um die Frage ausgelöst, ob Zentralbanken wie die EZB mit einer eigenen Digitalwährung eine Antwort geben sollten. Die deutschen Banken wollen sich für die Einführung einer Digitalwährung im Euroraum stark machen. «Wir brauchen in Europa einen digitalen Euro», hatte der Präsident des Bundesverbands deutscher Banken, Hans-Walter Peters, im Herbst 2019 gesagt.

«Ein digitaler Euro wäre ein wichtiger Beitrag für ein stärkeres Europa, das die Herausforderungen der digitalen Revolution mit Entschlossenheit angeht», sagte Peters. Wenn sich Europa bei dem Thema nicht selbst bewege, werde es von anderen getrieben oder «aus dem Weg geschubst».

Bundesbank-Chef Jens Weidmann warnte allerdings im Januar im «Handelsblatt» vor der unüberlegten Einführung von digitalem Zentralbankgeld. «Ich halte nichts davon, immer gleich nach dem Staat zu rufen. In einer Marktwirtschaft ist es zunächst an den Unternehmen, für Kundenwünsche ein entsprechendes Angebot zu entwickeln.» Weidmann plädierte dafür, Vor- und Nachteile abzuwägen. «Erst mal geht es darum, die positiven und negativen Seiten von digitalem Zentralbankgeld zu verstehen. Dann kann entschieden werden, ob es gebraucht wird und sich die Risiken beherrschen lassen.»

G+D-Chef Wintergerst sieht drei grosse Herausforderungen: die grundsätzliche Sicherheit einer digitalen Währung, der Schutz der Privatsphäre und das Risiko für das Bankensystem.

Anders als die Übergabe eines Geldscheins beim Bezahlen an der Ladenkasse hinterlässt jede digitale Transaktion Spuren - Bedenken und Kritik von Datenschützern wären bei Einführung digitalen Geldes sozusagen programmiert. Auch bei einer digitalen Währung liessen sich Privatsphäre und Datenschutz gewährleisten, argumentiert der Chef des 1852 gegründeten Unternehmens.

«Technisch bekommt man das hin, das ist eine Frage des Wollens. Eine digitale Währung lässt sich so ausgestalten, dass alle Transaktionen bis zu einem beliebigen Schwellenwert - beispielsweise 1000 Euro - vollkommen anonym und nicht nachvollziehbar sind, und Transaktionen erst über dieser Schwelle namentlich hinterlegt werden müssten.»

Das Digitalgeld-Projekt bei G+D heisst Filia, lateinisch für Tochter. Das beinhalte sowohl die Herstellung digitalen Geldes als auch den kompletten Geldumlauf, sagte Wintergerst. Das Unternehmen diskutiert demnach mit verschiedenen Zentralbanken weltweit, wie man eine solche Lösung implementieren könnte.

Doch nicht nur der Schutz der Privatsphäre muss nach Wintergersts Einschätzung wohl überlegt sein, sondern auch die Auswirkungen auf das Finanzwesen. «Bargeld wird an die Geschäftsbanken herausgegeben, und dann kommt es erst zu uns Verbrauchern», sagte Wintergerst. «Bei einer digitalen Währung kann ich theoretisch die Abkürzung von der Zentralbank direkt zum Konsumenten gehen und das Bankensystem aushebeln.» Die grosse Frage: «Aber will man das, würde man damit nicht eine singuläre Bruchstelle schaffen?»

Auf der anderen Seite könnten digitale Währungen Vorteile für Milliarden Menschen bieten, argumentiert Wintergerst. «Der grösste Kritikpunkt am jetzigen Finanzsystem ist, dass viele Menschen auf der Welt keinen Zugang dazu haben. Nach Schätzungen haben über drei Milliarden Menschen kein Bankkonto.» Das gelte für viele afrikanische Länder, aber auch Teile Latein- und Südamerikas. «Das Bankkonto ist aber der Schlüssel zu Krediten und anderen Dienstleistungen, die Banken erbringen.»

Der zweite Kritikpunkt sei die Anfälligkeit für Betrug. «Der Diebstahl von Kartennummern ist seit Jahren ein Problem der Cyberkriminalität.» Ein dritter Punkt: die relative geringe Geschwindigkeit des Zahlungsverkehrs, insbesondere international. Als vierten Punkt nennt Wintergerst die Kosten des Bezahlwesens. «In genau diese vier Lücken würde eine digitale Zentralbankwährung hineingehen.»

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